
Der Mensch ist ohne Zweifel ein begnadeter Läufer. Wir sind geradezu dafür geschaffen, uns auf zwei Beinen zu bewegen, dauerhaft, auf langer Strecke. So sorgt ein raffiniertes Zusammenspiel aus Sehnen, kräftigen Gesäß-, Oberschenkel- und Wadenmuskeln für effektiven Vortrieb. Ein beweglicher Rumpf mit geschwungener Wirbelsäule hält dabei in jeder Stellung die Balance.
Zudem vermögen robuste Knie-, Hüft- und Sprunggelenke die Abermillionen Stöße zu überstehen, die in einem Läuferleben zusammenkommen. Denn ein komplexes System aus Muskeln, Bändern, Knorpel und Knochen dämpft Erschütterungen ab, stützt und stabilisiert den Leib. Spezielle Zuckerspeicher in unseren Geweben stellen sicher, dass uns auch auf langen Strecken nicht die Energie ausgeht. Und kühlender Schweiß, der aus Millionen Poren rinnt, schützt vor Überhitzung.
Für unsere als Sammler und Jäger lebenden Vorfahren waren diese Eigenschaften einst überlebenswichtig. Nur dank ihrer überragenden Ausdauer konnten sie Beutetiere so lange verfolgen, bis die erschöpft zusammenbrachen. Dieses urzeitliche Erbe ist nach wie vor in uns vorhanden. Auch heute noch verspüren viele gestresste Großstädter den Drang, sich wieder so zu bewegen, wie es der Mensch jahrhunderttausendelang gewohnt war. Nicht zufällig zählt Laufen zu den beliebtesten Sportarten überhaupt – etwa jeder vierte Deutsche joggt regelmäßig.
Die Motivation ist freilich eine andere als noch zu Zeiten unserer Ahnen. Manche Menschen treibt die Freude und die Entspannung an, die sie bei einer lockeren Laufrunde im Park oder im Wald erleben; die intensive Erfahrung der Natur, ein positives Körpergefühl, der Abstand zum stressigen Job.
Die meisten aber wollen vor allem schlank, fit und gesund bleiben – oder werden. Durchaus mit Erfolg, wie wissenschaftliche Studien zeigen: Regelmäßiger Ausdauersport senkt nachweislich das Risiko für weitverbreitete (und oft tödliche) Zivilisationsleiden wie Übergewicht, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes.
Und gegen Depressionen ist körperliche Aktivität sogar oft ebenso effektiv wie gängige Gesprächstherapien und Medikamente. Läufer leben also wahrscheinlich länger und glücklicher. Aber nur, wenn sie den Sport auch richtig ausüben. Denn wer falsch läuft, zu ehrgeizig ist, sich überfordert, kann seiner Gesundheit sogar schaden.
Im Schnitt muss jeder zweite Läufer einmal im Jahr wegen einer Verletzung pausieren. Manche Ärzte warnen vor Beeinträchtigungen des Herzmuskels durch zu hartes Training. Und immer wieder geraten Marathonläufer in die Schlagzeilen, die während des Wettkampfs an plötzlichem Herzversagen sterben.
So wird aus einem eigentlich natürlichen und unkomplizierten Sport mitunter ein Kraftakt, der den Körper überlastet und die Grenze des Gesunden überschreitet. Daher fragen sich Anfänger wie Fortgeschrittene: Wie trainiere ich sinnvoll? Wie vermeide ich Verletzungen? Wie schone ich Sehnen und Gelenke? Welcher Schuh ist für mich der richtige, welche Trainingsstrategie die beste, und welche Lauftechnik die am wenigsten strapazierende?
Die meisten dieser Fragen können Sportmediziner inzwischen eindeutig beantworten. Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich in fünf Bereiche gliedern:
- Einstieg – wie man sinnvoll beginnt und sich steigert;
- Lauftechnik – welche Methode immer die beste ist;
- Ausrüstung – wie Sportler die richtigen Schuhe finden;
- Verletzungen – wodurch sich Leiden verhindern lassen;
- Langstrecke – wie viel man dem Körper zumuten darf.
Diese fünf Aspekte betreffen alles, was Freizeitathleten wissen müssen. Jeder, der die Grundregeln beachtet, kann ohne große Probleme zu seinem individuellen Lauftraining finden – und dabei gesund bleiben.
I. EINSTIEG: Auf dem Weg zum richtigen Maß
Wer darüber nachdenkt, mit dem Laufen anzufangen, sollte aufhören zu überlegen – und einfach beginnen, erklärt Professor Martin Halle, Sportmediziner und Kardiologe an der Technischen Universität München.
Denn worüber er sich auch Gedanken mache (etwa darüber, welche Schuhe die besten sind, wie schnell er laufen sollte oder welche Sport-Apps die sinnvollsten Auswertungsfunktionen haben): Nichts sei so wichtig, dass es nicht bis zur zweiten oder dritten Trainingswoche warten könnte. Einzige Einschränkung: Anfänger und Wiedereinsteiger über 35 sollten zunächst vom Arzt klären lassen, ob Erkrankungen vorliegen, die dem Laufen widersprechen. Gibt es aus medizinischer Sicht keine Bedenken, kann es losgehen.
Das bedeutet jedoch nicht, sich gleich eine gewaltige Strecke vorzunehmen. Im Gegenteil. Insbesondere unsportliche Einsteiger sollten sich zunächst vorsichtig ans Laufen machen, empfiehlt Halle. Etwa indem sie jeden Tag zehn Minuten flott spazieren gehen und so das Aktivsein im Alltag verankern.
Wenn sich die Einsteiger dann in kleinen Schritten steigern, erst länger, dann immer zügiger gehen und schließlich mehr und mehr zum Laufen überwechseln, können sie sich innerhalb weniger Monate eine solide Basis für eine erfolgreiche Läuferkarriere aufbauen. Denn der Körper muss sich erst an die neuen Strapazen gewöhnen. Unser Herz-Kreislauf-System, aber auch unsere Sehnen, Bänder und Muskeln sind ja nicht statisch, sie verstärken sich mit den Anforderungen und schwinden, wenn sie wenig genutzt werden.
Der Körper wird aber nur dann leistungsfähiger und robuster, wenn nach Phasen starker Beanspruchung genug Zeit für die Regeneration bleibt. Starke Überforderung zu Beginn beschleunigt den Trainingserfolg daher nicht – sondern steigert nur das Verletzungsrisiko. Wenn völlige Erschöpfung oder Schmerzen dann zu einer wochenlangen Pause zwingen, wird das zuvor Erreichte wieder zunichte gemacht.
Für Anfänger wie für Profis entscheidet deshalb das richtige Maß an Belastung über Erfolge und Rückschläge. Aber wie findet man das passende Pensum? Es kommt vor allem auf den Puls an, sagen Experten: Unser Herz schlägt umso schneller, je zügiger wir joggen. Aber auch je weniger gut wir trainiert sind. Der Puls ist gleichsam ein Maß für die subjektiv empfundene Anstrengung. Beginnt er zu rasen, ist das ein sicheres Zeichen für Überlastung. Mediziner empfehlen daher, bei gemäßigtem Puls zu trainieren.
Den ganzen Artikel finden Sie in GEOkompakt Nr. 46 "Sport".