Fritz Haarmann Ein Bild und seine Geschichte: Wo der "Werwolf von Hannover" seine Morde beging

Zwei Polizisten bei der Spurensuche
Spurensuche: Diese zwei Polizisten begutachteten im Juli 1924 den Gasofen in der Hannoveraner Wohnung von Fritz Haarmann. Der Serienmörder hatte darin Leichenteile seiner Opfer verbrannt
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Vor 100 Jahren entdeckten spielende Kinder in Hannover einen männlichen Schädel in der Leine. Das war der Auftakt zu einer der sensationellsten Ermittlungen in der deutschen Kriminalgeschichte – dem Fall des Serienmörders Fritz Haarmann

Hannover im Hochsommer 1924: Zwei Polizisten stochern in einem Gasofen herum, der in einer ärmlichen Mansardenwohnung steht. Bis vor kurzem hat hier in der Roten Reihe der Altkleiderhändler (und Polizeispitzel) Fritz Haarmann gelebt. "Ein schlichter Mann aus dem Volk", wie ihn ein Journalist beschreibt. "Freundlich blickend und gefällig, zuvorkommend; auffallend gepflegt, sauber und tipp-topp." Doch hinter der Fassade lauert ein Abgrund.

Im Laufe der Jahre, so der Vorwurf, hat Haarmann 27 junge Männer in seine Wohnung gelockt, meist Sexarbeiter oder jugendliche Ausreißer, die er am Hauptbahnhof kennengelernt hat. Nach dem Geschlechtsakt ermordet Haarmann seine Opfer – angeblich indem er ihnen die Kehle durchbeißt. Dann zerstückelt er ihre leblosen Körper und verbrennt die Leichen teilweise in eben jenem Ofen, den die beiden Kriminalbeamten auf dem Foto aus dem Juli 1924 gerade nach Spuren absuchen.

Hätte Haarmann seine Opfer komplett verbrannt, wären ihm die Polizisten möglicherweise nie auf die Spur gekommen. Die Enttarnung des Serienmörders Fritz Haarmann, des sogenannten "Werwolfs von Hannover" beginnt vor genau 100 Jahren, im Mai 1924, mit einer Gruppe spielender Kinder. Sie entdecken in der Nähe des Schlosses Herrenhausen einen Menschenschädel. (Haarmann hat Leichenteile in der Leine entsorgt, die durch Hannover fließt). Bald darauf tauchen weitere vier Schädel auf. Gerichtsmediziner stellen fest: Es sind die Überreste junger Männer.

Porträt von Fritz Haarman
Gut gekleidet: Hinter der adretten Fassade von Fritz Haarmann lauerte ein Abgrund. Mindestens 24 junge Männer tötete der Serienmörder
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Nun beginnt die Polizei zu ermitteln, und schon bald fällt der Verdacht auf Fritz Haarmann. Der 44-Jährige ist bereits mehrfach wegen unzüchtiger Handlungen mit männlichen Jugendlichen aktenkundig geworden. Am 22. Juni, einige Wochen nach der Entdeckung des ersten Schädels, wird Haarmann festgenommen – allerdings in einer anderen Sache. Er ist mit einem jungen Sexarbeiter in Streit geraten. In den folgenden Wochen verhören die Beamten den Verdächtigen, foltern ihn sogar (was lange verschwiegen wird). Im Dezember 1924 verurteilt ein Gericht Haarmann schließlich wegen 24-fachen Mordes zum Tode. Er stirbt am 15. April 1925 unter dem Fallbeil.

Als Schreckensfigur aber lebt er weiter. Und findet auch Eingang in die Kunst. Haarmann ist nicht nur Vorbild für die Hauptfigur in Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" (1929), sondern hat auch den Filmklassiker "M – Einen Stadt sucht einen Mörder" (1931) mitinspiriert. Götz George spielte Haarmann 1995 im Film "Der Totmacher" und bekam dafür bei den Filmfestspielen von Venedig den Preis als bester Darsteller.