Unglück von 1977 "Weg von hier!" – Wie eine Kollision auf Teneriffa zur schlimmsten Katastrophe der Luftfahrt wurde

Trümmer der verunglückten Flugzeuge auf dem Rollfeld des Flughafens Santa Cruz de Tenerife 1977
Die Überreste zweier Jumbojets: Am 27. März 1977 stießen auf dem Flughafen von Teneriffa zwei Passagiermaschinen zusammen
© CORR / AFP / Getty Images
Zusammenstöße von Flugzeugen auf Start- und Landebahnen wie aktuell in Tokio sind selten – und extrem gefährlich. Die Geschichte der schlimmsten Katastrophe auf Teneriffa 1977 mit 583 Todesopfern

Flammen, Qualm, dichte Rauchschwaden und ein brennender Feuerball, der über eine Landebahn schießt: Das zeigen Bilder und Videos vom Unglück des Flugzeugs der Japan Airlines, das auf dem Flughafen Haneda in Tokio mit einer Maschine der Küstenwache kollidiert ist. Sie gehen derzeit um die Welt. Zwar konnten alle Insassen der Passagiermaschine gerettet werden, im Flugzeug der Küstenwache jedoch kamen fünf Menschen ums Leben. 

Zusammenstöße von Flugzeugen auf Rollfeldern oder auf Start- und Landebahnen sind selten, aber sie sind extrem gefährlich. So starben 1983 in Madrid 93 Menschen, als zwei Passagiermaschinen zusammenprallten. Weitere tödliche Kollisionen ereigneten sich etwa 1990 in Detroit und 1993 in Teheran. Noch verheerender war die Katastrophe von Teneriffa 1977. Damals verloren 583 Menschen ihr Leben – es ist bis heute das schwerste Unglück in der Geschichte der Luftfahrt. 

Auf Teneriffa stießen Flugzeuge zusammen, die eigentlich auf Gran Canaria landen sollten

Wie auf Teneriffa trugen jetzt auch in Tokio außergewöhnliche Umstände zu der Katastrophe bei. Eine Maschine der Küstenwache war in die Kollision involviert, die Material in den Westen des Landes bringen sollte, zu den Opfern der verheerenden Erdbebenserie vom Neujahrstag. Auf der Insel Teneriffa dagegen stießen 1977 zwei Maschinen zusammen, die dort eigentlich gar nicht hätten landen sollen. 

Es ist Sonntag, der 27. März 1977. Mittags zünden kanarische Separatisten in der Wartehalle des Flughafens der Ferieninsel Gran Canaria eine Bombe. Der Betrieb wird vorübergehend eingestellt, viele Maschinen landen zunächst auf der Nachbarinsel Teneriffa. Darunter: KLM-Flug 4805 aus Amsterdam sowie Pan-Am-Flug 1736 aus New York, zwei Boeings 747 – Jumbojets.

Luftaufnahme der Trümmer eines verunglückten Flugzeuges auf dem Rollfeld des Flughafens Santa Cruz de Tenerife 1977.
Trümmerfeld aus der Vogelperspektive: Alle Passagiere der KLM-Maschine starben; aus der Pan-Am-Boeing überlebten 61 Menschen die Katastrophe
© CORR / AFP / Getty Images

Als der Flughafen auf Gran Canaria am Nachmittag wieder freigegeben wird, können die Urlaubsreisenden ihre Flüge von Teneriffa aus fortsetzen. Mittlerweile ist dichter Nebel aufgezogen. Ein Bodenradar gibt es nicht, die Fluglotsen im Tower sind auf Funkkontakt zu den Crews an Bord angewiesen. Weil parkende Flugzeuge die Rollbahn des kleinen Flughafens blockieren, muss die KLM-Maschine erst über die Startbahn rollen, am Ende drehen und dort auf Freigabe zum Start warten (siehe Grafik unten). 

Kurz nach der KLM-Besatzung – um 17.03 Uhr – erhält auch die des Pan-Am-Flugs die Anweisung, über die Startbahn zu rollen und diese an der dritten Ausfahrt zu verlassen, damit der KLM-Jumbo starten kann. Langsam tastet sich die Maschine durch den Nebel auf der Bahn voran, als KLM-Kapitän Jacob Veldhuyzen van Zanten bereits die Schubhebel betätigt – ohne auf die Genehmigung des Towers zu warten.

Der Kapitän beschleunigt, obwohl er keine Startfreigabe hat

Um 17.05 Uhr erhält die Crew vom Tower schließlich eine Beschreibung der Abflugroute, aber immer noch keine Startfreigabe. Noch während der Erste Offizier neben van Zanten die Anweisungen wiederholt, löst der Kapitän die Bremsen und beschleunigt.

Fatal: Es kommt zu einer Überlagerung auf dem Funkkanal, da Tower und Pan-Am-Crew gleichzeitig sprechen. So hört der KLM-Pilot möglicherweise nicht, dass sich noch ein zweiter Jet auf der Startbahn befindet – mitten im Weg. 

Unglück von 1977: "Weg von hier!" – Wie eine Kollision auf Teneriffa zur schlimmsten Katastrophe der Luftfahrt wurde

Im Cockpit erkennt Flugingenieur Willem Schreuder als Erster, dass etwas nicht stimmt. "Ist er dort also noch nicht weg?", fragt er seine Kollegen – und meint damit die Pan-Am-Boeing, deren Lichter nun im Nebel auftauchen. Der Pan-Am-Kapitän dagegen sieht das andere Flugzeug auf sich zurasen. "Lasst uns sofort hier verschwinden. Nichts wie weg hier!" Kurz darauf wiederholt sein Ingenieur: "Weg von hier! Weg! Weg!" 

KLM-Kapitän van Zanten reißt seine Maschine in die Höhe. So steil, dass das Heck auf der Piste aufkommt. Tatsächlich hebt der Jumbo ab – doch zu spät. Sein Fahrwerk reißt den Rumpf der Pan-Am-Maschine auf. Nach 150 Metern stürzt er ab und explodiert. Alle Insassen kommen dabei um.

Das andere Flugzeug rollt zunächst weiter, bricht aber bald auseinander. Einige Passagiere retten sich noch mit Sprüngen aus der Maschine, dann geht auch der Pan-Am-Jumbo in Flammen auf. Insgesamt sterben bei der Katastrophe 583 Menschen. 30 Jahre nach dem Unglück, am 27. März 2007, wurde zur Erinnerung an die Opfer in der teneriffischen Stadt La Laguna ein Gedenkstein eingeweiht.