"Meine Damen und Herren – geehrt von ihrem Heimatland, ausgezeichnet von der Queen und hier in Amerika geliebt", so kündigt der US-amerikanische Entertainer Ed Sullivan die vier britischen Musiker an, auf die am Sonntag, dem 15. August 1965, mehr als 55.000 Fans im Shea Stadium in New York schon seit mehreren Stunden warten. "Hier sind die Beatles."
Als John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr aus den Katakomben unter den Tribünen hervortreten, bricht ohrenbetäubender Jubel los. An diesem Sommerabend sind vor allem junge Frauen und Mädchen in das Stadion gekommen, vereinzelt stehen auch junge Männer in den Zuschauerreihen.
Die Fab Four rennen über die Rasenfläche, auf der sich sonst Baseballspieler wie Ron Swoboda, Ed Kranepool, Jim Hickman oder Johnny Lewis die Bälle zuwerfen. Die Anlage im Flushing-Meadows-Corona-Park in New York ist das Baseballstadion, in dem die New York Mets ihre Heimspiele austragen.
Im Einheitslook aus schwarzen Hosen und beiger Jacke winken die Rock-'n'-Roll-Stars aus Liverpool hoch zum Publikum, während sie locker-lässig über das Spielfeld zur Bühne laufen – abgeschirmt von mehr als einem Dutzend Sicherheitsbeamten.
Der dröhnende Schreiorkan der Zuschauerinnen und Zuschauer nimmt nicht ab, als Ed Sullivan die Briten mit einem breiten Lächeln und Handschlag auf der Bühne begrüßt. Kurz stimmt das Quartett die Instrumente, dann übernehmen Lennon und McCartney: "Hello, hello" rufen sie der tobenden Menge zu. Paul McCartney zählt an, und der erste Song beginnt: "Twist and Shout".
Als Rock 'n' Roll ins Stadion kommt
Bereits Ende der 1950er-Jahre hatte Elvis Presley vor Zehntausenden Fans in Stadien in Dallas, Vancouver und Kansas City gespielt, aber das Beatles-Konzert im Shea Stadium gilt heute als das erste große Rock-Stadionkonzert der USA.

1960 formiert sich die Band um John Lennon und Paul McCartney in Liverpool. Später stoßen George Harrison und Ringo Starr dazu. The Beatles treten in kleinen Clubs in Großbritannien auf, es folgen Auftritte in Hamburg vor nicht viel mehr als 1000 Personen. Ab 1964 spielen die Beatles vor mehreren Tausend in größeren Hallen und touren erstmals durch die USA. Bei ihren Besuchen in der Ed Sullivan Show schauen Millionen Menschen vor den Fernsehgeräten zu. Beatles-Konzerte in Los Angeles und Melbourne sehen jetzt mehr als 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Doch ein so großes Publikum wie in dem bis auf den letzten Platz ausverkauften Shea Stadium hatten sie noch nie.
"Die größte Ansammlung, die je an einem Ort zu sehen und zu hören war – brüllte gestern Abend im Shea Stadium mit überwältigender und furchteinflößender Stimme", heißt es in einem Bericht der "New York Times" über das Beatles-Konzert. "Ihre unreifen Lungen erzeugten einen so ohrenbetäubenden, massiven, schrillen und anhaltenden Ton, dass er schnell von Begeisterung in Hysterie überging", kommentiert ein Kritiker der Zeitung.
Surreale Szenen
Hüpfen, springen, tanzen, wippen, wanken und schwanken, niemand auf den Rängen sitzt still, während die Fab Four auf der Bühne "She's a Woman" und "I Feel Fine" spielen. Auch beim vierten Stück, "Dizzy Miss Lizzy", ebbt das Gebrüll nicht ab. "In dem durchdringenden, schrillen Beifall übertönten die Fans fast den gesamten Gesang", heißt es in dem "New York Times"-Bericht. "Bis zu den Tribünen drang kaum mehr als das Pulsieren der elektrischen Gitarren und das Dröhnen der Trommeln, obwohl entlang des Baseballfelds mehr als 50 Verstärkerboxen aufgestellt wurden."
Dutzende Fans – vornehmlich heranwachsende Mädchen, wie die "New York Times" herausstellt – fallen in Ohnmacht und müssen medizinisch behandelt werden. Selbst wenn Paul, John, George oder Ringo versuchen, die nächste Nummer anzukündigen, lassen die Fans nicht nach. Die Aufnahmen jenes Abends verzeichnen neben dem Sound der Beatles ein Schluchzen und Schreien als Grundrauschen in der Arena. Doch die Liverpooler spielen – nicht ganz unbeirrt – weiter. Ihre Reaktionen hat die Musikzeitschrift "Rolling Stone" überliefert: "Georges Augen angstweit, Paul genoss den Trubel, Ringo blieb stoisch, John richtete Dada-Monologe an das Publikum."
Der heilige Rasen des Shea Stadium
Nach etwa 25 Minuten und elf Liedern kündigt Paul McCartney den letzten Song des Abends an. Er bedankt sich beim Stadionpublikum, das keine Sekunde leise war. "Good night", ruft er und singt: "You tell lies thinking I can't see." Zum Abschied spielen die Beatles "I'm Down" – mit einem Lachen.
Für einen Moment lassen sich die Fab Four noch vom Publikum feiern, dann spurten sie zu einem bereitgestellten Wagen, der sie aus der Arena bringt, unter Jubeln und Schreien der Zehntausend. Einige Fans schaffen es über die Balustrade, werden von den Sicherheitskräften jedoch schnell wieder eingefangen. Auch Grashalme sind begehrt vom Stadionrasen, den die Idole berührten. Doch der Rasen ist tabu. Bühne und Tribünen trennen mehr als 20 Meter.
Das Konzert läutet eine neue Ära der Musikgeschichte ein. Mehr als ein Dutzend Kameras filmen das rund 30-minütige Event. Die Aufnahmen des Augustabends in New York dokumentieren wohl erstmals ein Phänomen der Popgeschichte, die Euphorie und Massenhysterie. Es wird später als Beatlemania bekannt. Fast genau ein Jahr später geben die vier Pilzköpfe zum letzten Mal Konzert in einem Stadion. Während ihrer Auftritte übertönt das hysterische Kreischen der Fans zunehmend ihre Musik, auch deshalb entscheidet sich die Band, nicht mehr live zu spielen. Am 29. August 1966 performen die Fab Four vor 25.000 Menschen im Candlestick Park Stadion von San Francisco. Es ist ihr letzter Live-Auftritt in einer Sportarena.