Neue Studie Erst kam die Vulkanasche, dann bebte die Erde: Pompeji wurde doppelt zerstört

Menschen fliehen vor dem Vulkanausbruch
Auf der Flucht: Als der Vesuv im Jahr 79 n. Chr. ausbrach, begrub er Pompeji unter einer meterhohen Schicht aus Asche und Gestein (Holzstich aus dem 19. Jahrhundert)
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Pompeji wurde im Jahr 79 n. Chr. nicht nur vom Ausbruch des Vesuvs getroffen, sondern zeitgleich auch von einem Erdbeben. Darauf deuten Skelettanalysen hin, die neue Einblicke in den Untergang der Stadt geben

Der spektakuläre Untergang der Stadt Pompeji ist wohl die bekannteste Naturkatastrophe der Antike: Als der Vesuv am 24. August des Jahres 79 n. Chr. ausbricht, regnet es binnen kurzer Zeit Asche und Vulkangestein, bis die Dicke der Schicht auf dem Boden rund drei Meter beträgt. Wer sich im Freien aufhält, hat kaum eine Überlebenschance. Andere Menschen sind in ihren Häusern eingeschlossen, werden verschüttet oder ersticken, als giftige Gase die Stadt erreichen. 

Doch obwohl die Tragödie gut erforscht ist, blieb einer Studie zufolge ein wichtiges Puzzleteil bislang unentdeckt. "Wir haben eigenartige Auffälligkeiten gefunden, die nicht zu den Auswirkungen vulkanischer Phänomene passten, die in der Literatur über Pompeji beschrieben werden", erläutert der Vulkanologe Mauro Di Vito vom Vesuv-Observatorium. "Es musste eine andere Erklärung geben."

Die Verletzungen an den Knochen ähneln denen von Erdbebenopfern

Zwei in Pompeji gefundene Skelette bringen das Forschungsteam auf eine Spur. Ihre Position und das Muster ihrer Knochenverletzungen zeigen: Sie sind nicht an den Folgen des Vulkanausbruchs gestorben, sondern anscheinend durch ein Erdbeben, das Pompeji relativ zeitgleich mit der Eruption getroffen haben muss. 

Die beiden etwa 50-jährigen Pompejaner seien nicht durch Hitze oder Einatmen von Asche umgekommen, schreibt das Team um Erstautor Domenico Sparice im Fachjournal "Frontiers in Earth Science". Da die Skelette auf den vulkanischen Sedimenten und nicht darunter gefunden wurden, gehen die Forschenden davon aus, dass sie die erste Phase des Vulkanausbruchs überlebt hatten und erst umkamen, als das ohnehin schon durch den Sedimentregen belastete Gebäude einstürzte und sie unter sich begrub.

Einer der beiden sei wahrscheinlich von einer einstürzenden Wand erschlagen worden. Spuren eines hölzernen Gegenstands lassen die Forschenden vermuten, dass die zweite Person die Gefahr wohl erkannt und noch versucht hatte, sich zu schützen – ohne Erfolg. Die Verletzungen der Menschen ähneln demnach denen heutiger Erdbebenopfer.

Für die Studie untersuchten Fachleute aus Archäologie, Vulkanologie, Anthropologie und Geologie neben den Knochenfrakturen der beiden Skelette unter anderem die römischen Bautechniken und auch, wie die Wände des entsprechenden Gebäudes kollabiert sein müssen. 

"Diese komplexen Zusammenhänge sind wie ein Puzzle, bei dem alle Teile zusammenpassen müssen, um das komplette Bild zu entschlüsseln", sagt Sparice. Die Studie zeige, dass ein Erdbeben zusätzlich zum Ausbruch des Vesuv eine wichtige Rolle bei der Zerstörung von Pompeji gespielt haben müsse.

Skelett liegt verschüttet im Boden
Skelettfund in Pompeji: Analysen ergaben, dass die Person nicht an den Folgen des Vulkanausbruchs gestorben ist, sondern anscheinend durch ein Erdbeben, das Pompeji relativ zeitgleich mit der Eruption getroffen haben muss
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Dass es in Pompejis Geschichte und auch in den Jahren vor dem Vulkanausbruch wiederholt Erdbeben gab, ist belegt. Zudem gibt es einen Bericht von Plinius dem Jüngeren, einem Augenzeugen: Wie das Team betont, beschrieb er darin nicht nur den Vulkanausbruch, sondern auch seismische Erschütterungen. 

Dass die Möglichkeit eines Erdbebens lange Zeit keine Rolle in der Erforschung von Pompeji gespielt habe, führen die Forschenden auf die Schwierigkeit zurück, diesen speziellen Typ von Schäden bei Ausgrabungen zu erkennen. Sämtliche Zerstörung wurde stattdessen dem Vulkanausbruch zugeschrieben, dessen Wucht die Hinweise auf ein Beben überlagert habe.

dpa