Ein Gutes hat die Reise ja: Mit Rabea Rogge wird erstmals eine deutsche Frau in den Weltraum starten. Dass seit dem Kosmonauten Sigmund Jähn vor 47 Jahren nur Männer im All waren, ist eine Peinlichkeit für die Raumfahrt unseres Landes.
Allerdings findet diese Farce mit Rogges Flug kein versöhnliches Ende. Die Berlinerin wird nämlich weder vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) noch von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) auf die Reise in den Erdorbit geschickt. Stattdessen hat sie sich selbst eine Mitfluggelegenheit organisiert, auf der Privatmission "Fram2". Diese wird vom in China geborenen Chun Wang finanziert, der sein Vermögen mit Kryptowährungen gemacht hat. Bei SpaceX hat der Weltraumenthusiast nicht nur ein Flugticket, sondern gleich ein ganzes Raumschiff gebucht. Da auf dem viertägigen Flug um die Erde noch drei Plätze frei waren, lud er unter anderem die Robotikforscherin Rogge ein, die er bei einem Polartraining kennengelernt hatte.
So irrwitzig dieser Flug zustande kam, birgt er eine wunderbare Pointe: DLR und ESA wird die Gelegenheit genommen, in einigen Jahren mit großem Tamtam die erste deutsche Astronautin zu präsentieren und sich dann für etwas feiern zu lassen, was sie in den Jahrzehnten zuvor verbockt haben.
Das wars aber schon an Positivem zu Fram2. Denn der Flug normalisiert, was nicht normal sein dürfte. Aberwitzig Reiche erkaufen sich ein Erlebnis, das bislang vorwiegend einer handverlesenen Schar von Menschen offenstand. Diese mussten im Gegenzug eine langjährige Ausbildung sowie enorme private Einschränkungen auf sich nehmen und im Orbit harte Arbeit leisten. Zwar gibt es auch in der staatlich betriebenen Raumfahrt Probleme, wie die Benachteiligung von Frauen und People of Color beweist. Die Astronautinnen und Astronauten konnten aber mit gewissem Recht für sich in Anspruch nehmen, ihren Job im Dienste der Menschheit, des Erkenntnisgewinns oder zumindest ihres Heimatlandes zu tun.
Die privaten Flüge sind jedoch ein rein privates Vergnügen. Und sie werden nicht dadurch besser, dass die reichen Überflieger "Forschung" und "Wissenschaftskommunikation" im Orbit betreiben wollen. Ja, so richtig ärgerlich werden die Trips der Milliardäre erst durch deren Unverfrorenheit, ihre Selbsterfüllung auch noch als Wohltat an der Menschheit zu verkaufen.
Ein paar Monate Training macht die vier Reisenden nicht zu professionellen Astronauten und Astronautinnen. Und ein Flug von vier Tagen ermöglicht keine komplexen und aussagekräftigen Experimente. Kaum haben sich die Weltraumneulinge an die anfängliche Übelkeit gewöhnt, hat sich die Nervosität gelegt, haben sie schöne Fotos geschossen und mit Kindern auf der Erde gechattet, geht es auch schon wieder zurück.
Röntgen, Pilze, Hormonapp – das soll es rechtfertigen?
Während des Flugs Fram2 soll erstmals ein medizinisch-diagnostisches Röntgenbild in der Schwerelosigkeit entstehen. Doch wozu ein Gerät testen und die Reisenden einer zusätzlichen Strahlengefahr aussetzen, wenn keineswegs feststeht, dass dieses Gerät jemals auf einer Marsreise mitfliegen wird?
In einem anderen Experiment soll die Crew Austernpilze als alternative Nahrungsquelle für Langzeitmissionen erforschen. Allerdings werden die Pilze erst richtig sprießen, wenn der Flug längst vorbei ist. Und ungeklärt wird bleiben, wie gut Raumfahrende die Nährstoffe langfristig aufnehmen können und ob sich die organischen Abfälle im Raumschiff wiederverwerten lassen.
Eine Hormonapp soll den weiblichen Zyklus untersuchen, dabei befinden sich nur zwei Frauen an Bord und eine volle Zyklusperiode dauert rund 28 Tage. Ein Ring soll die Schlafqualität untersuchen, obwohl die Reisenden sich in der kurzen Zeit kaum an das Schlafen in Schwerelosigkeit adaptieren können.
Welchen Effekt die Schwerelosigkeit kurz- und mittelfristig auf den menschlichen Körper hat, hat die Nasa in den vergangenen Jahrzehnten minutiös untersucht. Viel zu holen ist da an neuen Erkentnissen nicht. Spannender und für zukünftige Missionen relevanter sind die Langzeitfolgen der Schwerelosigkeit für den Körper. Solche aber lassen sich nach wenigen Tagen eben nicht beobachten.
Bemerkenswert an der Mission ist lediglich die ungewöhnliche Flugbahn: Erstmals fliegen Menschen über die Erdpole. Sollte dies jedoch einen wissenschaftlichen Wert bergen, ließe sich dieser Schatz besser durch Profi-Astronauten*innen und eine längere Missionsdauer heben.
Kritisch ist zudem, dass hinter vielen Forschungsprojekten Unternehmen stehen, die die erhobenen Daten wohl nicht veröffentlichen werden. Und was bislang an Studien veröffentlicht wird, durchläuft oft keinen Peer-Review-Prozess, wird also nicht von unabhängigen Fachleuten kritisch beleuchtet. Deswegen sind die Ergebnisse für darauf aufbauende Forschung wertlos.
Die angekündigte Wissenschaft hat also vornehmlich den Zweck, der Mission gute PR zu verschaffen. Allenfalls dient sie noch als willkommener Zeitvertreib für die Reisenden. Wenn Forschung jedoch zur Show verkommt, schadet dies letztlich der Wissenschaft.
Angebliche Klimaforschung auf Kosten des Klimas
Den im besten Fall geringen Erkenntnissen durch den Flug stehen seine enormen Umweltauswirkungen gegenüber. Ein Raketenstart verursacht hunderte Tonnen an Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Es wirkt wie Hohn, dass jede und jeder auf der Erde angehalten ist, den eigenen Arbeitsweg für das Klima zu optimieren, während einige Reiche aus Lust und Laune mit solchen Flügen Unmengen an Klimagasen in die Atmosphäre pusten – vor allem in deren sensible obere Schichten. Und dann behaupten sie auch noch, ihre Flüge dienten dem Kampf gegen den Klimawandel.
Solange Raketenstarts derart klimaschädlich sind, sollte jeder Flug gut begründet sein. Anstelle vieler Kurztrips mit entsprechend vielen Starts sollten weiterhin vornehmlich monatelange Reisen einer optimal ausgebildeten Crew erlaubt sein. Wenn die Milliardäre wirklich etwas für die Menschheit tun wollen, sollten sie am und auf dem Boden bleiben.