Der Mond stammt aus einer Kollision mit der Erde, so viel war schon klar. Die bisher geläufigste Theorie zu seiner Entstehung lautet im Kern so: Das Himmelsobjekt Theia krachte vor 4,5 Milliarden Jahren in die Ur-Erde und schleuderte Staub und Geröll in ihre Umlaufbahn. Über einen Zeitraum von zehn Millionen Jahren formte sich aus diesem Trümmerring der Mond. Das meiste Material stammte aus dem zerschmetterten Theia, einem Protoplaneten etwa so groß wie der Mars.
Die Theorie des langsamen Verschmelzens ließ zwar noch Fragen zur Mondzusammensetzung unbeantwortet, aber sie war seit 1975 die beste Erklärung für die Mondentstehung. Bis jetzt.
Ein Forschungsteam von der Universität Durham und der Nasa hat den Ursprung des Mondes mit einem Supercomputer so detailliert simuliert wie noch nie. Die Ergebnisse zeigen: Der Mond könnte schon innerhalb von Stunden als heißer Klumpen entstanden sein.
Höhere Präzision führt zu neuen Ergebnissen
In die Simulationen haben die Forschenden den Verlauf von hunderten Millionen von Teilchen einfließen lassen, tausendmal mehr als in vorherige Berechnungen. Mit der höheren Präzision kamen sie zu einem völlig anderen Ergebnis als andere Simulationen bisher. Kein Trümmerring umkreiste Millionen Jahre die Erde, sondern der Mond formte sich quasi sofort in nur wenigen Stunden aus. Die Studie ist Anfang Oktober in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen.
Über die Entstehung des Mondes wird schon lange gerätselt. Vor den Apollo-Missionen wurde unter anderem sogar vermutet, dass der Mond mal ein durchs All wanderndes Objekt war, das die Erde mit ihrem Gravitationsfeld eingefangen hat.
Theorien zur Mondentstehung müssen sich in zwei Punkten an der Wirklichkeit messen: an der Gesteinszusammensetzung des Mondes und an seiner Umlaufbahn. Beides muss eine Theorie richtig vorhersagen können.
Von der Apollo 11-Missionen brachten Astronauten 22 Kilogramm Staub und Gestein von der Mondoberfläche mit. Analysen zeigten, dass Mond und Erde ähnliche Isotopenverteilungen haben. Isotope sind Variationen eines Elements mit unterschiedlich vielen Neutronen. Verschiedene Sauerstoff-Isotope traten in den Mondproben fast gleich häufig auf wie auf der Erde.
Diese Erkenntnis war das Ende der Einfang-Theorie. Denn dass der Mond rein zufällig ähnlich zusammengesetzt ist wie die Erde, ist sehr unwahrscheinlich. Aber die danach vorherrschende Theorie der langsamen Verschmelzung ergab in Simulationen, dass das meiste Material des Mondes von Theia stammte. Sie konnte also auch nicht erklären, warum sich Erde und Mond so ähnelten.
Mond und Erde sind sich wahrscheinlich ähnlicher als gedacht
Die Simulationen aus Durham lieferte jetzt nicht nur das passende Drehmoment und Neigung der Umlaufbahn des Mondes, sondern auch eine Erd-ähnliche Zusammensetzung. Die neuen Berechnungen passen besser mit den Beobachtungen von den Mondmissionen zusammen. Und das bedeutet: Im Mond steckt wahrscheinlich mehr von der Erde als bisher angenommen.
Das Forschungsteam vermutet, dass das Mondinnere hauptsächlich aus Theia-Material besteht, bedeckt von einer Hülle, deren Anteil von Erdgestein zur Oberfläche hin zunimmt.
Zukünftige Mondfahrten wie die geplante Artemis-Mission der Nasa sollen Gesteinsproben von anderen Stellen und von tiefer unter der Oberfläche mitbringen. Voraussichtlich 2026 würden dann nach über 50 Jahren erstmals wieder Menschen den Mond betreten. Die systematisch gesammelten Proben sollen noch mehr über die Entstehung des Mondes und die Geschichte der Erde aufdecken.