Überfischung Sea-Shepherd-Kapitän Peter Hammarstedt: "Die Antarktis braucht unsere Hilfe!"

Peter Hammarstedt über das Schicksal der Antarktis
Int. Ocean Film Tour Vol. 10
Die Umweltschutzorganisation Sea Shepherd kämpft vehement gegen die Überfischung der Ozeane – vor allem im Südpolarmeer. Kapitän Peter Hammarstedt ist seit 20 Jahren dafür im Einsatz. Gemeinsam mit seiner Crew war er nun wieder in der Antarktis, um mit Filmaufnahmen ein weitgehend unbekanntes Problem anzuprangern: die Krillfischerei

GEO: Herr Hammarstedt, in den Gewässern rund um die Antarktis schwimmen Abermillionen Tonnen von winzigen, roten Krebstieren, dem Krill. Entsteht tatsächlich ein großer Schaden, wenn ein paar wenige Trawler darin ihre Netze auswerfen?

Hammarstedt: Absolut! Die garnelenartigen Krebstiere sind die Grundlage für das Ökosystem im antarktischen Meer. Es gibt keine einzige Spezies hier, die nicht direkt oder indirekt vom Krill abhängig ist. Wale, Pinguine und Robben zum Beispiel bekommen durch ihn etwa 96 Prozent ihrer Kalorien. Es ist Wahnsinn, dass zwölf oder 14 Supertrawler aus Norwegen, China, Russland, der Ukraine und Südkorea bis ans Ende der Welt fahren, um diese Schlüsselart zu verfolgen.

Was sind das für Schiffe?

Jedes ist rund 130 Meter lang – und dabei groß genug, um zwei olympische Schwimmbecken in sich aufzunehmen. Wir haben selbst miterlebt, wie die Fischer damit direkt in eine Gruppe von Finnwalen hineingefahren sind, die gerade am Fressen waren.

Mann im  Beiboot auf dem Meer. Grosses Schiff im Hintergrund
Einsatz im Eis: Um die Fangmethoden von Krill-Fischern dokumentieren zu können, nähert sich Peter Hammarstedt mit seinem Team einem riesigen Trawler
© Sea Shepherd

Wofür wird der gefangene Krill genutzt?

Das ist das Verrückteste der Geschichte: Er wird zu Produkten verarbeitet, die eigentlich niemand braucht - vor allem zu Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren. Dabei gäbe es dafür auch pflanzliche Alternativen. Ein anderer Markt ist die Nutzung von Krill in der Aquakultur: Wenn man Zuchtlachs aus Norwegen oder Schottland kauft, wäre das Fleisch eigentlich grau. Nur Wildlachs ist rosa, weil er sich eben von Krebstieren ernährt. Mit dem Krill aus der Antarktis lässt sich ein Zusatzstoff für das Futter der Lachsfarmen herstellen, der auch dieses Fleisch rosa färbt. Und die dritte Verwendung von Krill, an der gerade gearbeitet wird, ist: ihn für Hunde- und Katzenfutter zu nutzen!

Den Fischfang in der Antarktis reguliert eine internationale Behörde, die CCAMLR ("Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources"). Ist die Jagd nach Krill illegal?

Nein, bislang nicht. Aber mit Sea Shepherd setzen wir uns dafür ein, das zu ändern. Wenige wissen, dass die einzigartige Wildnis in der Antarktis nur an Land streng geschützt ist. Es gibt seit Jahren schon Vorschläge, auch die Gewässer vor Eingriffen zu bewahren und Meeresschutzgebiete dafür einzurichten. Doch die Pläne werden bislang von zwei Ländern blockiert: von Russland und China.

Kann sich der Krill denn nicht schnell regenerieren?

Nein, schon jetzt leiden viele der großen Meerestiere darunter, dass der Krill seltener wird. Studien zeigen, dass immer weniger Buckelwale genug zu fressen finden, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Pelzrobben verlieren an Körpermasse. Und bei den Zügelpinguinen, die sich hauptsächlich von Krill ernähren, ist die Population in den vergangen 40 Jahren um 50 Prozent geschrumpft.

Zwei Krillfische im Meer
Das erfolgreichste Tier im Ozean - und die Nahrungsgrundlage für das Leben im Südpolarmeer: der Krill, Euphausia superba
© Konrad Wothe / imageBROKER / picture alliance

Die Zukunft des Krills wird zugleich ja auch noch von anderer Seite bedroht – vom Klimawandel. Fachleute schätzen, dass die Menge der Krebstiere in der Antarktis sich bis zum Jahr 2100 allein aufgrund der steigenden Temperaturen halbieren wird. Deshalb müssen wir dringend alles tun, was in unserer Macht steht, um die Widerstandskräfte des Ökosystems zu erhalten.

 

Wie versucht Sea Shepherd, darauf hinzuwirken?

Wir wollen mit der Kamera zeigen, was für verheerende Schäden die Krill-Fischer anrichten: zum einen, um die Regierungen zu bewegen, endlich die nötigen Schutzgebiete im Meer einzurichten. Und zum anderen, um die Verbraucher dafür zu sensibilisieren, keine Produkte zu kaufen, in denen Krillöl steckt: Denn auf den Verpackungen ist das ausgewiesen.

Sie fahren seit 20 Jahren in die Antarktis: Haben sie noch Hoffnung, dass sich die internationale Gemeinschaft in absehbarer Zukunft zur Einrichtung von Meeresschutzgebieten dort durchringen könnte?

Die Vereinten Nationen wollen bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der Weltmeere unter Schutz stellen. Davon sind wir noch weit entfernt, und es bleibt wenig Zeit. Die weltpolitische Lage ist im Moment natürlich sehr schwierig. Doch die Antarktis braucht unsere Hilfe! Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist.

Andere Beispiele zeigen, wie viel wir erreichen können. Das macht mir Hoffnung. Auch das Moratorium auf den Walfang etwa ist damals in einer Zeit entstanden, in der man ein solches Abkommen nicht für möglich gehalten hätte: in den 1980er-Jahren, mitten im Kalten Krieg. Es gibt also Raum für die Staaten der ganzen Welt, sich zusammenzuschließen und die Natur des Planeten zu schützen – auch wenn sie in anderen Fragen ganz unterschiedlicher Meinung sind. Darauf hoffe ich. Wir alle sind schließlich vom Leben im Ozean abhängig.

Schiff auf dem Meer
Die "Hilfspolizei" des Ozeans: Die Umweltschützer von Sea Shepherd folgen mit ihren Schiffen den Fischereiflotten in entlegenste Meeresregionen
© Sea Shepherd


Der Film zur Antarktisreise der Sea-Shepherd-Crew ist im neuen Programm der "International Ocean Film Tour" zu sehen, die ab jetzt durch Europa zieht. Termine und Tickets: https://de.oceanfilmtour.com/