Besser spät als nie Geschenke dürfen unpünktlich sein – sagt sogar die Forschung

Wecker und  Geschenkkartons
Weihnachtsshopping in der letzten Minute muss nicht sein. Eine Studie zeigt, dass auch verspätete Geschenke Freude machen
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Auch verspätete Weihnachtsgeschenke zaubern den Beschenkten ein Lächeln ins Gesicht. Eine Studie zeigt, dass pünktliches Schenken überschätzt wird

Weihnachtsfeiern, mehr Arbeit zum Jahresabschluss und kurze, dunkle Tagen – das Geschenkekaufen ist häufig eine Aufgabe, die warten muss. Oft bis kurz vor den Feiertagen – oder sogar bis es eigentlich schon zu spät ist. Aber kommt es beim Schenken überhaupt auf Pünktlichkeit an? Nein, sagt die Studie eines Teams aus Marketing-Experten und Verbraucherpsychologinnen von der Universität Ohio. 

Bedeutet ein verspätetes Geschenk: "Du bist mir egal"? 

In mehreren Studienteilen untersuchten sie die Kluft zwischen der Erwartungshaltung der Gebenden und Empfangenden im Hinblick darauf, wie pünktlich ein Geschenk zu Weihnachten oder zu Geburtstagen sein sollte. 

Der erste Teil der Studie zeigte, dass die Schenkenden mit stärkeren Beziehungsschäden rechnen als tatsächlich eintreten, wenn das Geschenk zu spät kommt. Der zweite Studienteil erklärte: Die Einschätzung der Gebenden hängt mit der Sorge zusammen, ein verspätetes Geschenk könnte mangelnde Fürsorge signalisieren. Das Team belegte seine Theorie im dritten Teil, in dem sie zeigen, dass die Sorge der Gebenden sich legte, wenn sie ihre Fürsorge durch ein aufwendigeres Geschenk ausdrücken konnten. Schließlich untersuchten sie, ob die Schenkenden sich größere Sorgen um die Beziehung machen, je später das Geschenk ankommt, und ob ein verspätetes Geschenk trotzdem besser ist als gar keins. 

Die Befragungsszenarien

Pro Studienteil rekrutierten die Forschenden rund 300 bis 800 Teilnehmende aus den USA, die sich verschiedene Szenarien vorstellten, anhand derer sie das Ausmaß des Beziehungsschadens bewerten sollten. 

Die Befragten versetzten sich in die jeweils zugeteilten Rollen des Schenkenden oder Beschenkten. Dann stellten sich verschiedene Situationen vor: Sie verschenkten oder bekamen eine Portion Eis – aber erst zwei Wochen nach dem Geburtstag. Sie verschenkten ein Brettspiel an einen hypothetischen Freund, der Brettspiele sehr gern mag. Einmal kam es pünktlich an, im anderen Szenario zwei Monate später. 

Jedes Mal schätzten die Gebenden es so ein, dass das späte Geschenk die Beziehung belasten würde. "Allerdings haben die Empfänger ein spätes Präsent nicht als mangelnde Fürsorge wahrgenommen", sagte Autor Cory Haltman.  

Spät, aber opulent

Die Angst davor, zu spät zu schenken, hatte auch Auswirkungen auf das Geschenk. Es zeigte sich, dass ein selbst zusammengestellter Geschenkkorb den Teilnehmenden weniger Sorgen bereitete als ein von einer Firma zusammengestellter. 

"Die Leute hatten das Gefühl, dass zusätzliche Anstrengungen es wieder gutmachen, wenn das Geschenk zu spät kommt", sagte Rebecca Reczek, eine der Studienautorinnen. 

Die Empfänger rechneten zwar nie mit einem starken Schaden für die Beziehung, egal wie spät ein Geschenk war. Dennoch gingen auch sie davon aus, dass je später das Geschenk kommen würde, es desto eher einer Freundschaft oder Partnerschaft schaden könnte. 

Laut der Studie glaubten alle Teilnehmenden jedoch: Wenn sie zu einem besonderen Anlass kein Geschenk bekommen würden, schadete es der Beziehung am meisten. Besser spät schenken als nie. Doch auch hier nahmen die Empfänger wieder einen geringeren Schaden an. 

Woher kommt der Druck, zu schenken? 

In der Vergangenheit hatten Studien bereits gezeigt, dass Geschenke ohne einen bestimmten Grund noch mehr Freude machen als solche zu Festtagen. Trotzdem bringen Schenkungsnormen die soziale Pflicht mit sich, zu gewissen Anlässen etwas zu verschenken – gesellschaftliche Regeln und Erwartungen, die festlegen, wann, wie und warum Geschenke gemacht werden sollen. Sie variieren je nach Kulturkreis und sozialem Raum: Für manche zählt die Verpackung und der Anlass, während für andere nur der Inhalt zählt. Schenken drückt Wertschätzung, Dankbarkeit und soziale Verbundenheit aus, kann aber auch sozialen Druck erzeugen, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden. 

Die entsprechenden Normen entwickeln sich stetig weiter: Nicht alle Menschen können oder wollen einander Geschenke machen. Auch gemeinsame Zeit kann eine Form der Wertschätzung sein. So spiegeln die Normen auch gesellschaftliche Trends wie Verzicht, Entschleunigung und Nachhaltigkeit wider. Untersuchungen zeigen auch, dass Menschen sich vor allem Gedanken über das "richtige" Geschenk machen, um ihre Wertschätzung der anderen Person gegenüber auszudrücken. 

Und neben dem kulturellen Aspekt gibt es auch den wirtschaftlichen. Denn Schenkungsnormen kurbeln das Konsumverhalten der Menschen an. Gleich zu Beginn der Studie heißt es: "Das Verschenken ist für die Wirtschaft so relevant, dass die Verbraucherforschung sich schon seit Langem für die Psychologie dahinter interessiert." Auch in Deutschland steigen die Ausgaben für Weihnachtsgeschenke seit Jahren. Lagen sie 2011 noch bei rund 330 Euro, sind sie mittlerweile auf 530 Euro gestiegen.

So ist es wenig überraschend, dass Marketingfachleute späte Geschenke befürworten. Ganz nach dem Motto: Besser spät als nie. Doch welche Motivation auch immer hinter dem Geschenk steckt; solange es von Herzen kommt, freuen sich die meisten Beschenkten. 

eml