Monogame Beziehungen sind in Deutschland nach wie vor das häufigste Beziehungsmodell. So gaben bei Umfragen einer Online-Partnerbörse rund 85 Prozent der Befragten an, dass sie sich keine Beziehung mit mehr als einem Partner vorstellen könnten. Was aktuelle Umfragen ebenfalls zeigen ist, dass gegenseitige Treue als wichtigste Eigenschaft innerhalb einer Beziehung gilt. Doch was genau ist Treue – und vor allem: Wo fängt Untreue an?

Die Mehrheit ist sich darüber einig, dass es sich um Untreue handelt, sobald es körperlich wird – Küssen und intimer Körperkontakt sind tabu. Aber für etwa ein Drittel der Befragten fängt Untreue bereits beim Flirten an. Wieder andere sehen einen Flirt als Bereicherung für die eigene Beziehung und hoffen, damit wieder Schwung in einen tristen Beziehungsalltag bringen zu können. Doch stimmt das wirklich? Eine neue Studie der israelischen Reichman-Universität hat nun untersucht, welche Auswirkungen es hat, dabei zuzusehen, wie der eigene Partner oder die Partnerin von einer fremden Person angeflirtet wird. Das Ergebnis: Man ist danach weniger bereit in die eigene Beziehung zu investieren und geht emotional auf Distanz. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift "The Journal of Sex Research" veröffentlicht.
Professor Gurit Birnbaum und ihr Team untersuchten dazu etwa 200 Studienteilnehmende, welche seit mindestes vier Monaten eine monogame, heterosexuelle Beziehung führten. Im ersten Test sollten sich die Teilnehmenden eine Situation vorstellen, in welcher ihr Partner oder ihre Partnerin angeflirtet wird, beim zweiten Experiment beobachteten sie in einer virtuellen Umgebung mithilfe von VR-Headsets den Flirtversuch mit einem Fremden. Im dritten Experiment sollten die Teilnehmenden sich an eine reale Situation zurückerinnern, in der sie Zeuge eines entsprechenden Flirts gewesen sind. Nach jedem Experiment bewerteten die Teilnehmenden, wie stark sie sich zu ihrem Partner oder ihrer Partnerin sexuell hingezogen fühlen und wie sehr sie sich um den Erhalt der Beziehung bemühen würden.
Die Flirtversuche führten in allen Experimenten zwar zu einem gesteigertem Eifersuchtsverhalten, machten den Partner oder die Partnerin allerdings nicht begehrenswerter. Im Gegenteil: Das sexuelle Verlangen sank, und die Studienteilnehmenden wollten danach weniger Energie in die eigene Beziehung investieren.
Mate-Copying-Effekt zeigt sich nicht in Langzeitbeziehungen
Damit widersprechen die Studienergebnisse allerdings einem bereits bekannten, wissenschaftlich belegten Phänomen, dem "Mate-Copying" oder Nachahmungseffekt. Demnach bevorzugen Menschen oder Tiere potenzielle Partner oft, wenn diese bereits von anderen als attraktiv wahrgenommen wurden. Laut Birnbaum gilt der Nachahmungseffekt aber anscheinend nur bei der Partnerwahl und zu Beginn neuer Partnerschaften. In Langzeitbeziehungen führt Fremdflirten stattdessen durch eine Kombination aus Verlustangst, potenzieller Zurückweisung und Selbstschutz zu einer emotionalen Distanzierung, schlussfolgerten Birnbaum.
Eifersucht in Partnerschaften ist sehr individuell – ob und wie beispielsweise das Flirten mit anderen Personen erlaubt ist, hängt mitunter stark von persönlichen Erfahrungen und der Beziehungsdynamik ab. Was für manche Paare als normal erscheint, kann für andere hochproblematisch sein. Wichtig ist: Die eigenen Grenzen festlegen und offen über die Erwartungen und Ängste sprechen. So können Unsicherheiten vermieden und eine stabile, vertrauensvolle Partnerschaft gestärkt werden. Der Versuch, eine etablierte Beziehung durch provozierte Eifersucht zu beleben, ist aber in jedem Fall kontraproduktiv, wie die aktuelle Studie zeigt.