Die bisher verfügbaren Corona-Impfstoffe sind grundsätzlich gute Impfstoffe. Bei im Allgemeinen geringen Nebenwirkungen senken sie das Risiko schwerer Covid-19-Erkrankungen und das Sterberisiko deutlich. Aber sie könnten noch besser sein. Wenn sie etwa zuverlässig auch vor kommenden Varianten des Erregers schützen würden, oder noch besser, auch vor entfernteren Verwandten von Sars-CoV-2.
Wunschdenken? Bisher schon. Aber weltweit arbeiten Forscherinnen und Forscher an der Entwicklung solch optimierter Corona-Impfstoffe, einige Kandidaten werden bereits in klinischen Studien geprüft.
Wie nützlich solche Präparate wären, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Seit Beginn der Pandemie Ende 2019/Anfang 2020 präsentierte sich Sars-CoV-2 in fünf "besorgniserregenden Varianten" der Welt: Alpha, Beta, Gamma, Delta und Omikron. Spätestens mit dem Auftauchen der Omikron-Variante ist klar, dass die Schutzwirkung der Impfstoffe mit der Veränderung der Viren nachlassen kann. Wie gut die bisher verfügbaren Präparate vor künftigen Varianten schützen werden, ist ungewiss. Dass diese kommen, halten viele Experten hingegen für wahrscheinlich.
Und Sars-CoV-2 ist nicht das erste Coronavirus, das der Menschheit Ärger bereitet. Bereits 2002/2003 gab Sars-CoV-1 einen kleinen Vorgeschmack auf das Potenzial dieser Erreger-Gruppe. Das Virus sorgte bei einem - im heutigen Vergleich kleinen - Ausbruch für fast 800 Todesopfer. Zehn Jahre später tauchte Mers, ein verwandtes Coronavirus, im Mittleren und Nahen Osten auf und verursachte in den folgenden Jahren wiederholt schwere Atemwegserkrankungen bei Menschen.
Universal-Impfstoff könnte zukünftig vor Corona-Pandemien schützen
"Wissenschaftliche Erkenntnisse und die ökologische Realität deuten darauf hin, dass Coronaviren in Zukunft wieder auftauchen und möglicherweise eine existenzielle Bedrohung darstellen werden", schreibt ein Team um den US-Chefepidemiologen Anthony Fauci vor diesem Hintergrund Anfang des Jahres im "New England Journal of Medicine".
Sie fordern, die in der Natur vorkommenden Coronaviren umfassend zu untersuchen und dringend universelle Corona-Impfstoffe zu entwickeln. "Ein universeller Coronavirus-Impfstoff würde idealerweise gegen Sars-CoV-2 und die vielen in Tieren vorkommenden Coronaviren schützen, die in Zukunft zoonotische Ausbrüche und Pandemien verursachen könnten."
Klingt super - aber (wie) kann das gelingen? Grundsätzlich ist das Ziel, mit einer universellen Impfung eine Immunantwort aufzubauen, die auch bei gewissen Abweichungen der Virusstruktur wirksam bleibt. Bei allen heutigen Corona-Impfstoffen steht das Spike-Protein des Virus im Fokus, also die "Zacken" auf der Oberfläche. Das gesamte Protein oder Teile davon werden dem Immunsystem bei der Impfung präsentiert, so dass dieses Antikörper und andere zelluläre Immunantworten dagegen entwickeln kann.
Forschung versucht, das Corona-Virus zu überholen
Das Problem: Das Spike-Protein ist sehr wandelbar, seine Struktur verändert sich laufend. Über die Zeit oder auch ganz plötzlich können die Veränderungen groß genug sein, dass die bei der Impfung erzeugten Abwehrstoffe das Virus nicht mehr gut genug erkennen oder das Virus Mechanismen entwickelt, um sich vor der Immunantwort zu verstecken.
Dieser Effekt erklärt unter anderem, warum die vor etwa zwei Jahren entwickelten Impfstoffe nicht mehr gut vor Ansteckung und milder Erkrankung mit der gegenwärtigen Omikron-Variante schützen. "Derzeit laufen wir dem Virus hinterher", fasst Peggy Riese vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig die Situation zusammen.
In dem Versuch, das Virus zu überholen, verfolgt die Forschung verschiedene Ansätze: Zum einen sollen künftige Impfstoffe auf die Spike-Proteine verschiedener bekannter Virusvarianten zielen. "Die Hoffnung ist, dass man so eine möglichst breite Immunantwort auslöst und damit auch ein Schutz vor kommenden Varianten gegeben ist", erläutert Riese. Zum anderen könnten die Impfstoffe der kommenden Generation nicht nur das Spike-Protein, sondern auch andere, bestenfalls weniger variable Bereiche des Virus als Ziel haben.
Peter Kremsner hält den zweiten Ansatz für die theoretisch bessere Variante. Ob die Entwicklung gelingt, ist allerdings bisher offen. "Der Wunsch nach einem universellen Impfstoff ist sicher berechtigt, einfach umzusetzen ist er aber nicht", sagt der Mediziner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Universität Tübingen.
Verschiedene Unternehmen arbeiten bereits an Universal-Impfstoffen
Noch in diesem Jahr möchte das US-Unternehmen ImmunityBio zum Beispiel einen Covid-19-Impfstoff der zweiten Generation auf den Markt bringen, der eine Immunreaktion gegen das Spike-Protein und das sogenannte Nucleocapsid aufbaut. Das Nucleocapsid ist ein Protein, das an der Verpackung des Virus-Erbguts beteiligt ist und sich weniger stark verändern kann.
Im Idealfall schützen Impfstoffe, die die "konservierten", also weniger wandelbaren Bereiche des Virus ansprechen, nicht nur vor verschiedenen Varianten eines Coronavirus, sondern auch gleich vor verschiedenen Coronaviren wie zum Beispiel Sars oder Mers. An einem solchen Impfstoff arbeitet etwa das Unternehmen Gritstone in den USA. "Da unser Impfstoff auf mehrere virale Antigene abzielt, von denen einige zwischen verschiedenen Virusstämmen (wie Sars und Sars-CoV-2) stark konserviert sind, könnte er das Potenzial haben, gegen künftige Coronavirus-Pandemien zu schützen, die alle Sars/Coronaviren betreffen", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.
Der Forschungsansatz sei grundsätzlich richtig, sagt Peggy Riese. "Man muss aber ganz klar sagen, bei der Entwicklung universeller Impfstoffe stecken wir noch in den Kinderschuhen." Es fehlten noch immer viele grundlegende Informationen über das Virus, seine Verbreitung in der Natur oder seine Interaktionen mit den menschlichen Zellen.
Ein Problem ist auch, dass die weniger variablen Bereiche des Virus oft für das Immunsystem schlechter sichtbar, vor allem für die Antikörper schlechter erreichbar sind. Universelle Impfstoffe sollen deshalb auch eine zelluläre Immunität aufbauen, die von T-Zellen ausgelöst wird.
Profitieren könnten von so einem Impfstoff vor allem auch Menschen, bei denen die Bildung von Antikörpern gestört ist, etwa manche Krebspatienten oder solche mit angeborenem Immundefekt. Daran arbeitet ein Team um Juliane Walz am Universitätsklinikum Tübingen. "Wir haben im Blut von Covid-19-Genesenen geschaut, welche Proteinbestandteile des Virus von den T-Zellen erkannt wurden", erläutert Walz. "Genau diese Peptide haben wir dann für unseren Impfstoff ausgesucht." Auch der Impfstoff der Tübinger aktiviert die T-Zellen nicht nur gegen das Spike-Protein, sondern auch gegen zahlreiche andere Virus-Eiweiße.
Eine klinische Studie der Phase 1, in der die grundlegende Verträglichkeit und Wirksamkeit an gesunden Menschen getestet wurde, verlief erfolgreich. "Wir haben bei allen Probanden eine starke T-Zell-Antwort festgestellt, stärker als nach einer natürlichen Infektion oder nach Impfung mit den bisherigen Impfstoffen", erläutert Walz. Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass die bekannten Varianten die Wirksamkeit der Impfung nicht beeinträchtigen würden. "Wir hoffen, das wir mit dem Impfstoff auch zukünftige Varianten abdecken." Derzeit läuft die Phase-2-Studie, in der Patienten mit einer Immunschwäche geimpft werden. Ergebnisse dazu stehen noch aus.
Zum Einsatz kommen soll der Impfstoff - wenn die weitere Entwicklung erfolgreich verläuft - nicht als eigenständiges Präparat für die Grundimmunisierung, sondern als zusätzlicher "T-Zell-Aktivator". Er könnte dann nicht nur Krebspatienten oder Menschen mit angeborenem Immundefekt schützen, sondern alle Personengruppen, deren Abwehrkräfte geschwächt sind, wie zum Beispiel Ältere oder Menschen nach einer Transplantation.
Coronavirus mutiert stark genug, um den Immunschutz teilweise zu umgehen
Nicht alle Pharmaunternehmen setzen auf die Entwicklung universeller Impfstoffe. Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech, das den ersten Covid-19-Impfstoff in der EU auf den Markt brachte, arbeitet nach eigenen Angaben an verschiedenen Optimierungen seines Impfstoffs, etwa an der Anpassung des aktuellen Impfstoff an die Omikron-Variante.
In klinischen Studien wird untersucht, ob dieser Impfstoff zu einer besseren Immunantwort als der aktuelle Impfstoff führt. "Unsere Hypothese ist, dass bei Vorgeimpften ein auf Omikron angepasster Impfstoff auch den Schutz gegen andere Virusvarianten erhöhen kann", sagt Ugur Sahin. Das Unternehmen erwartet im März die Daten zu dem Omikron-basierten Vakzin, die - wenn sie positiv ausfallen - bei der europäischen Arzneimittelbehörde Ema für den Zulassungsprozess eingereicht werden.
Eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich der Erfolgsaussichten universeller Impfstoffe mag auch angesichts der Erfahrungen mit universellem Grippe-Impfstoff angebracht sein. Schon seit Jahren bemüht sich die Forschung, die jährlich erforderliche Impfung mit Hilfe eines universellen Impfstoffs überflüssig zu machen - bisher ohne Erfolg. Das Virus verändert sich von Jahr zu Jahr einfach zu stark.
"Das Coronavirus mutiert vielleicht etwas weniger stark als das Grippevirus, aber immer noch stark genug um dem Immunschutz zumindest zum Teil zu entgehen", sagt Kremsner. "Aber wir haben Impfungen, die schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle bei Covid-19 verhindern. Damit können wir das Virus ausreichend in Schach halten."