Bewegung im Kindesalter Klischee ade: Stadtkinder sind häufig fitter als Kinder vom Land

Kinder rennen in der Stadt
Mehr Vereine schaffen mehr Auswahl bei der Sportwahl: Kinder in der Stadt profitieren stark
© Natalia Lebedinskaia / Getty Images
Das Leben in der Stadt macht dick und auf dem Land bleibt man fit? Eine neue Studie räumt mit alten Klischees auf – und zeigt überraschende Wahrheiten zur Fitness von Kindern

Auf dem Land spielt man als Kind ständig im Wald und auf Wiesen, in der Stadt hockt man nur im Kinderzimmer? Dieses Klischee ist von der Realität überholt worden. Studien legen sogar nahe, dass genau das Gegenteil der Fall ist – also, dass Stadtkinder sich mehr bewegen und damit auch seltener an Übergewicht leiden. Wer sich weniger bewegt, wird leichter übergewichtig. Und das wiederum hat gesundheitliche Auswirkungen: Mit Übergewicht steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und andere Leiden. Oft werden schon im frühen Kindesalter die Grundlagen dafür gelegt, ob und wie man sich auch später im Leben bewegt – oder eben auch nicht.

Kinder vom Land häufiger übergewichtig

In einer finnischen Untersuchung der Forscherin Elina Engberg von der Universität Helsinki zeigten sich bei Drei- bis Vierjährigen Unterschiede zwischen Stadt und Land. Fast ein Viertel (24 Prozent) der untersuchten Kinder in ländlichen Gegenden waren übergewichtig oder fettleibig, in städtischen Gebieten waren es 16 Prozent. 

Ein Faktor für diese Tendenz auf dem Land: die vor Handys, Computern und Fernsehern verbrachte Zeit. Die Bildschirmzeit sei bei Kindern vom Land stärker mit Indikatoren für Fettleibigkeit verknüpft, erklärt Engberg in einem Kongressvortrag. Dies könne "teilweise durch die bei Landkindern beobachtete höhere Bildschirmzeit erklärt werden, während in städtischen Gebieten andere Faktoren eine größere Rolle für Übergewicht zu spielen scheinen."

Kinder vom Land auch motorisch nicht fitter

In Deutschland scheint es ähnlich zu sein. Claudia Augste von der Universität Augsburg hat schon vor rund zehn Jahren in einer Feldstudie festgestellt, dass Kinder aus dem ländlichen Raum etwas schlechter abschnitten als Kinder aus der Stadt, wenn ihre motorischen Fähigkeiten getestet wurden. Es sei also nicht – oder nicht mehr so, dass Kinder vom Land immer deutlich mehr draußen herumliefen und daher deutlich fitter und motorisch besser aufgestellt seien. Macht Leben auf dem Land also dick und Stadtleben fit? Ganz so einfach ist es nicht. Entscheidend scheint jedoch die Erreichbarkeit von Sportangeboten zu sein – und ob es überhaupt die richtigen gibt.

Was gibt es überhaupt – und wie kommen Kinder hin?

"Stadtkinder haben vielleicht bessere Möglichkeiten, was etwa die Erreichbarkeit von Sportvereinen angeht", erklärt die Bewegungswissenschaftlerin Augste. Auch die Verfügbarkeit von Angeboten mache einen Unterschied. Sie empfiehlt, Bewegungsangebote in unmittelbarer Wohnumgebung zu fördern – dazu gehörten etwa auch Spielplätze.

Auch Ulrike Burrmann von der Humboldt-Universität zu Berlin, die ebenfalls in diesem Themenbereich forscht, hält fest: "Auf dem Land sind Sport- und Bewegungsangebote für Mädchen auch seltener zu finden." Dies sei auch ein Grund, den Mädchen auf die Frage nennen, warum sie nicht im Verein sind – "dass sie gar keinen Verein kennen." Auf dem Land sei mehr Unterstützung notwendig, überhaupt zu den Sportstätten zu kommen.

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Unterschiede zwischen Ost und West

Auch gut 30 Jahre nach der Wende seien noch immer Unterschiede zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern zu erkennen, erläutert Burrmann. "Die Organisationsgrade im Sportverein sind durchgängig in den neuen Bundesländern nach wie vor geringer, als es in den alten Bundesländern der Fall ist." Der Osten ist ländlicher geprägt als der Westen. Neben der Frage, ob es passende Sportangebote gibt und wie diese erreicht werden können, spielt Burrmann zufolge auch eine Rolle, welche finanzielle Unterstützung Eltern ihren Kindern mit Blick auf Sportangebote bieten können. Das zeige der Vergleich von sozial schwächeren und stärkeren Gemeinden.

Dass Kinder ungesund viel wiegen, ist ein recht weit verbreitetes Phänomen: Ein Viertel der Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren hatten in der jüngsten Erhebung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Übergewicht, elf Prozent waren fettleibig. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Für diesen Befund hat die WHO in 37 Ländern in Europa Daten von etwa 470.000 Kindern erhoben. In einigen Ländern hat die Corona-Pandemie das Problem noch verschärft.