Lesen macht schlau. Aber leider auch kurzsichtig. Wer viel Zeit lesend – und ohne Tageslicht - verbringt, landet fast zwangsläufig irgendwann beim Optiker. Forschern zufolge kostet jedes Jahr Ausbildung uns ungefähr eine Viertel Dioptrie. Schon das Gymnasium verlassen rund die Hälfte aller Schüler mit einer Brille gegen Kurzsichtigkeit.
Dieser Zusammenhang ist schon lange bekannt. Doch warum Lesen kurzsichtig macht, war bislang nicht genau geklärt. Jetzt haben Forscher der Universität Tübingen Licht ins Dunkel gebracht. Verantwortlich dafür ist offenbar – das ganz normale Druckbild: dunkle Buchstaben auf hellem Papier, oder auf einem hellem Bildschirm.
Sehzellen regen das Wachstum des Augapfels an
Bei Kurzsichtigen erscheint das scharfe Bild im Auge etwas vor der Netzhaut. Es verschwimmt also. Verantwortlich dafür ist ein übermäßiges Wachstum des Augapfels. Und genau das ließ sich bislang nicht sauber erklären. Doch Andrea Aleman und ihre Kollegen fanden nun heraus, dass der Augapfel immer dann wächst, wenn bestimmte Sehzellen aktiv sind.
So genannte ON-Zellen entscheiden, ob die anvisierte Mitte heller und die Umgebung dunkler ist. Andere, die OFF-Zellen bewerten, ob die Mitte dunkler, und die Umgebung heller ist. Lesen wir schwarz gedruckten oder dargestellten Text auf hellem Grund, sind also vor allem die OFF-Zellen damit beschäftigt, über den Sehnerv an das Gehirn zu funken.
Schon nach einer halben Stunde lesen wächst das Auge
Aufgrund von Tierversuchen wussten die Forscher: Werden vor allem OFF-Zellen stimuliert, wächst das Auge. Werden dagegen ON-Zellen erregt, bleibt das Wachstum aus.
Ein Versuch mit sieben menschlichen Probanden bestätigte diesen Zusammenhang. Die Forscher gaben den Test-Lesern einmal „normale“ Schrift zu lesen, einmal mit umgekehrten Helligkeitswerten: helle Schrift auf dunklem Untergrund. Schon nach einer halben Stunde zeigte sich: Die Aderhaut, die Hautschicht direkt hinter der Netzhaut, wurde bei den Weiß-auf-schwarz-Lesern dicker – ein Indikator dafür, dass das Wachstum des Augapfels gehemmt ist.
Die Schlussfolgerung der Forscher: Schwarze Bildschirme mit weißem Text könnten ein einfaches (und, je nach Bildschirm, auch noch stromsparendes) Mittel sein, um die Entstehung von Kurzsichtigkeit zu verhindern. Ganz ohne auf Audio-Lernprogramme umsteigen zu müssen. Oder gar auf Bildungschancen zu verzichten.