Die Zeit ist keine physikalische Realität, sondern nur eine Kreation unseres Gehirns, sagt der Physiker Carlo Rovelli. Das kommt nicht bei allen Kollegen gut an
Was ist für Sie das Verstörendste an der Zeit, Professor Rovelli? "Dass sie vergeht, dass sie gleichförmig fließt." Aber ist das nicht das Normalste der Welt? Spürt nicht jeder von uns, wie die Sekunden, Stunden, Tage verrinnen? Und wie die Strömung uns mitnimmt von der Vergangenheit in die Zukunft?
Carlo Rovelli, freundliche Augen, angegraute Locken, lächelt gelassen. Er sitzt am Esstisch seiner Wohnung in Cassis, einem pittoresken Fischerdorf 15 Kilometer vor Marseille, und sagt mit ruhiger Stimme: "Das Vergehen der Zeit ist deshalb verstörend, weil die Zeit eigentlich gar nicht existiert. Vergesst sie. Wir leben in einem Universum ohne Zeit."
