Als sie den Ersten seiner Art entdeckten, waren die Forschenden ratlos. Merkwürdig rund war der Krater inmitten der sibirischen Tundra; als sei ein riesiges Loch in die sonst so unversehrte Landschaft gestanzt worden. In den Folgejahren entdeckten sie auf den sibirischen Halbinseln Gydan und Yamal sieben weitere solcher Krater. Einer davon ist etwa 50 Meter tief.
Spekulationen über Meteoriteneinschläge, die die Krater geformt hätten, wurden schnell verworfen. Der Klimawandel sei verantwortlich, postulierten verschiedene Forschungsteams: Weil der Permafrost in der Region rapide abschmelze, dehnten sich Kammern in den Bodenschichten und füllten sich mit Methan, das sich innerhalb der Permafrostböden gebildet hat. Die Kammern seien explodiert und hätten die gigantischen Krater an der Oberfläche hinterlassen. Dass auftauende Permafrostböden Methan und Kohlenstoffdioxid emittieren, ist der Forschung längst bekannt.
Statt sich im Permafrost selbst zu bilden, so die Autoren, steige das Gas aus der Tiefe empor
Dennoch widerspricht ein norwegisches Forschungsteam um den Geowissenschaftler Helge Hellwang nun einer solchen Theorie. "Das Vorkommen der Krater ist auf das Gebiet der westsibirischen Halbinseln Yamal und Gydan beschränkt", schreiben sie in einer jüngst veröffentlichten Studie, die noch nicht dem Prozess des Peer Reviews unterzogen, also von unabhängigen Wissenschaftler*innen geprüft wurde. "Das wirft die Frage auf, warum sich die Krater nur in diesem Gebiet bilden und nicht anderswo im nördlichen Permafrostgürtel."
Außerdem bezweifelt das Forschungsteam, dass die sich im Permafrost bildenden Gasmengen ausreichen würden, um große Eisblöcke Hunderte Meter weit zu schleudern und so Krater in die Erde zu reißen.
Also schlagen Hellwang und seine Kollegen ein alternatives Modell vor, das die lokale Geologie mit einbezieht. Statt sich in den Permafrostböden selbst zu bilden, steige das Gas aus natürlichen Reservoirs in den Tiefen der Tundra auf und gelange über Verwerfungen im Gestein in große Kammern in oberflächennahen Schichten. Das warme, methanhaltige Gasgemisch wirke von unten auf die gefrorenen Bodenschichten; von oben wärmt die Erdatmosphäre. Wenn die Schichten dünn und die Temperaturen hoch genug sind, erfolge die Explosion, und es entsteht ein mysteriöser, zylinderförmiger Krater.
Auch in dem theoretischen Modell von Hellwang und seinen Kollegen spielen also der Klimawandel und die steigenden Temperaturen eine Rolle. Das spricht dafür, dass sich die Zahl der Krater in Zukunft erhöhen könnte – was wiederum mehr Methan freisetzt und den Klimawandel weiter vorantreibt.