GEO: Professor Abdool Karim, Sie forschen in Ihrem Heimatland Südafrika an Medikamenten gegen HIV. Inwiefern ist Ihre Arbeit von der Politik Donald Trumps betroffen?
Salim Abdool Karim: Unsere Organisation CAPRISA (Centre for the AIDS Programme of Research in South Africa) erhielt bisher jährlich etwa sieben Millionen Dollar Forschungsgeld von öffentlichen Institutionen in den USA.
Etwa eine halbe Million kam von der Entwicklungsbehörde USAID. Dieses Geld ist, Stand jetzt, eingefroren. Das hat Folgen: Wir waren dabei, einen Vaginalring zu testen, der Frauen vor HIV-Infektionen schützen soll. Dieses Forschungsvorhaben mussten wir im Februar dieses Jahres buchstäblich von einem Tag auf den nächsten abbrechen.
Das restliche Geld überweisen uns die National Institutes of Health (NIH), also der Forschungszweig der US-Gesundheitsbehörde. Wir rechnen fest damit, dass auch diese Finanzierung bald nicht mehr fließt. Dann wäre die Hälfte unseres Gesamtbudgets weg.
Was würde das für Ihre Arbeit bedeuten?
Die NIH haben uns schon mitgeteilt, dass wir keine neuen Patientinnen und Patienten in laufende Studien aufnehmen dürfen. Außerdem sollen wir keine neuen Studien starten. Wir hatten eigentlich drei Forschungsprojekte geplant: Eines zu einer HIV-Impfung, eines zur Mutter-Kind-Übertragung von HIV und eines zu Tuberkulose. Diese Projekte wird es nun nicht geben. Außerdem läuft unsere Hauptförderung der NIH im Mai aus und sie wurde bisher nicht erneuert.
Was wirkt sich die US-Politik auf den globalen Kampf gegen HIV aus?
2016 haben sich fast alle Länder der Welt in einer UN-Erklärung dem Kampf gegen Aids verpflichtet. Die Epidemie sollte bis zum Jahr 2030 besiegt werden. Seitdem gab es große Fortschritte. Auch ich hielt das für ein realistisches Ziel.
Jetzt ist das anders: Die USA haben bisher mit ihrem PEPFAR-Programm rund 17 Prozent der Kosten Südafrikas für den Kampf gegen Aids übernommen. Aber die Trump-Regierung hat das Programm bisher nicht verlängert und es ist unklar, wie es weitergeht. Wenn PEPFAR-Geld nicht mehr fließt, wird das viele Länder, etwa in Afrika, hart treffen. Sie werden ihre HIV-Patienten nicht mehr behandeln können. Medikamente werden fehlen.
Ich habe mit Kollegen aus anderen Ländern darüber gesprochen und bin sehr, sehr besorgt, dass Aids im großen Stil zurückkommt.
Das wäre für Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status besonders schlimm. Sie sind überproportional häufig von HIV betroffen. Neben Ihrer Arbeit in Südafrika unterrichten Sie an der Columbia University in den USA. Forschende dort vermeiden inzwischen Wörter wie Inklusion, wenn sie öffentliche Forschungsgelder beantragen. Sind auch Sie vorsichtiger geworden?
Ich kenne Kolleginnen und Kollegen in den USA, die inzwischen in ihren Anträgen bestimmte Wörter meiden: Zum Beispiel “Einwanderung”, “gay”, “LGBTQ”, “Palästinenser” und alles was mit DEI - also Diversität, Teilhabe, Inklusion - zu tun hat. Dass Menschen sich selbst zensieren müssen, finde ich traurig. Manche Zensierungen fordert Trump gar nicht unmittelbar. Aber die Leute machen das trotzdem aus Angst. Es ist wirklich pervers. Ich zensiere mich nicht selbst. Nicht jetzt und nicht in Zukunft.
Nehmen Sie dafür in Kauf, weitere Forschungsgelder zu verlieren?
Ja. Derzeit versuche ich gar nicht erst, Gelder von US-Behörden zu beantragen. CAPRISA bewirbt sich stattdessen auf private Förderungen aus den USA und auf Gelder aus anderen Ländern.
Ich bin in einem Apartheitsstaat aufgewachsen. Als Student habe ich Proteste gegen dieses Regime organisiert, habe Flugblätter verteilt und in einer Klinik gearbeitet, die sich um Folteropfer kümmerte. Ich habe für meine Freiheit gekämpft und ich werde sie jetzt nicht aufgeben.

Sie sind angestellt an der Columbia University, einer der besten Hochschulen der USA. Überlegen Sie, diese Stelle aufgrund der neuen Regierung zu kündigen?
Nein. Das hieße, ich würde der Trump-Regierung das Feld überlassen. Es ist wichtig, dass Wissenschaftler für die Wahrheit eintreten. Ich habe gemeinsam mit 1.900 anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der National Academy of Sciences in den USA einen Brief unterzeichnet, in dem wir die Regierung auffordern, ihre Angriffe auf die Finanzierung und die Freiheit der Wissenschaft zu unterlassen.
Immer wieder lassen US-Grenzbeamte internationale Forschende nicht einreisen, weil diese sich kritisch über die Regierung geäußert haben. Befürchten Sie, dass Ihnen das auch passieren könnte?
Ich bin an der Columbia University angestellt. Deshalb plane ich nach wie vor regelmäßig dorthin zu reisen. Ich mache mir keine direkten Sorgen, wegen meiner Anti-Trump-Haltung abgeschoben zu werden. Aber wenn die Regierung mich nicht haben will, sollen sie mir das sagen. Dann bleibe ich halt hier in Südafrika, wo meine Freiheiten in der Verfassung verankert und durch Gerichte geschützt sind.
Die Trump Regierung hat der Columbia University vorgeworfen, nichts gegen die Belästigung jüdischer Studierender zu unternehmen und 400 Millionen Dollar Fördergeld eingefroren. Columbia hat daraufhin im März viele Forderungen der Regierung erfüllt. Beispielsweise dürfen nun Sicherheitsbeamte auf dem Campus Menschen festnehmen. Wie finden Sie das?
Diese Entscheidung war für mich ein Schock. Columbia hat der Regierung die Kontrolle über das Institut für Nahost- und Afrikastudien überlassen. Anstatt sich auf Prinzipien zu berufen und vor Gericht zu ziehen, hat Columbia in fast allen Punkten nachgegeben. Damit hat die Universität sich als schwach erwiesen und ihre Wissenschaftsfreiheit aufgegeben.
Man könnte sagen, die Unis sollten verhandeln, um allzu drastische Budgetkürzungen zu vermeiden. Wenn sie mit totaler Opposition reagieren, könnten sie am Ende alles verlieren.
Ich sehe das anders: Wenn jemand dich in der Schule schikaniert und du gibst nach, nimmt der Bully zuerst nur dein Pausenbrot. Aber am nächsten Tag wird er dein Pausenbrot und zusätzlich dein Fahrrad wollen und am dritten Tag wird er noch mehr verlangen. Wenn du einmal nachgibst, bist du ein leichtes Opfer. Auch das ist eine Lehre aus dem Kampf gegen die Apartheit in meinem Land.
Die Harvard Universität hat im Gegensatz zur Columbia nicht nachgegeben. Inzwischen will die Trump-Regierung der Uni verbieten, ausländische Studierende aufzunehmen. Harvard klagt dagegen.
Columbia hat kapituliert und ihre 400 Millionen Dollar trotzdem nicht bekommen. Stattdessen erhebt die Trump-Regierung immer mehr Vorwürfe und stellt weitere Forderungen. Das war ein Zeichen für die anderen Unis, dass es nichts bringt, gegenüber der Regierung nachzugeben.
Also hat Harvard sich entschieden zu kämpfen. Ich bin dort zufällig auf dem Campus gewesen, als die Leitung diese Entscheidung verkündet hat. Viele, mit denen ich gesprochen habe, haben sich sehr gefreut. ‘Wir dürfen nicht aufgeben und zulassen, dass Trump uns alles diktiert”, haben sie gesagt. Das macht mir Hoffnung, dass Harvard den Kampf durchhält und dass weitere Unis sich anschließen.