Kaffee ist schon lange mehr als nur Wachmacher. Er ist Kulturgut und Genussmittel. Weil Liebhaber auch abends nicht auf ihren cremigen Cappuccino auf der Couch oder einen starken Espresso nach dem fetten Essen verzichten wollen, hat entkoffeinierter Kaffee Hochkonjunktur.
Doch wie funktioniert das eigentlich? Wie entzieht man der Bohne ihr Koffein - ohne dass sie ihren Kaffeegeschmack verliert?
Entweder man züchtet Kaffeebäume, die koffeinfreie Bohnen tragen, oder man entzieht den herkömmlichen Bohnen ihren wachhaltenden Inhaltsstoff.
Kaffeebäume, die koffeinfreie Bohnen tragen
Lange waren Wissenschaftler daran verzweifelt, Kaffeepflanzen so zu kreuzen, dass ihre Bohnen kein Koffein mehr enthalten. 2004 entdeckte ein Forscherteam dann die Sensation: In Äthiopien wuchsen seltene Kaffeebäume, denen offenbar ein Enzym fehlte, um Koffein zu produzieren. Der Kaffee, der aus ihren Bohnen gewonnen wurde, enthielt sechzehn Mal weniger Koffein als herkömmliche Sorten.
Doch aus dem erwarteten Millionengeschäft wurde nichts - es erwies sich als viel zu teuer, die empfindlichen koffeinfreien Kaffeepflanzen anzubauen. Andere Methoden sind da effizienter - auch weil sie viel älter sind und vielfach weiterentwickelt wurden.
Das erste Patent auf entkoffeinierten Kaffee wurde 1906 beantragt - von einem Bremer Kaufmann
Als der 59 Jahre alte Bremer Kaufmann und Kaffee-Importeur Dietrich Roselius 1902 starb, waren sich seine Zeitgenossen sicher: Sein exzessiver Kaffeekonsum hatte ihn umgebracht, besonders das darin enthaltene Koffein. Fast schon folgerichtig war es sein Sohn Ludwig Roselius, der 1906 ein Verfahren patentieren ließ, das den Kaffeebohnen ihr Koffein entzieht - sein Unternehmen Kaffee HAG war somit das erste weltweit, das koffeinfreien Kaffee verkaufte.
Roselius war jedoch kein tüftelnder Erfinder, sondern in erster Linie Geschäftsmann: Manche seiner Werbetafeln zeigten ein blutiges Hackbeil, das der Koffeinschlange, die aus einem Berg Kaffeebohnen gekrochen kam, den Kopf abschlug. Darüber prangten rote Lettern: „Kaffee Hag - koffeinfreier Bohnenkaffee“. Seine Marke sollte gesünder erscheinen als die der Konkurrenz.
Wirklich bekömmlicher als koffeinhaltiger Kaffee war der koffeinfreie HAG-Kaffee allerdings nicht. Im Gegenteil: Roselius benutzte Benzol, um den in Salzwasser eingelegten Kaffeebohnen ihr Koffein zu entziehen.
Dass Benzol Blutkrebs verursachen kann, ist heute wohlbekannt. Die Kaffeeindustrie brauchte also neue Alternativen - und wandelte dabei auf Roselius’ Spuren.
Auch moderne Verfahren verwenden Lösemittel zum Entkoffeinieren
Im sogenannten direkten Verfahren werden angeröstete, grüne Bohnen heißem Wasserdampf ausgesetzt, um danach für bis zu zwölf Stunden in Dichlormethan zu baden. Das Lösungsmittel entzieht den Bohnen ihren Koffeingehalt. Weil Dichlormethan im Verdacht steht, krebserregend zu sein, ist es besonders wichtig, dass es anschließend vollständig von den Bohnen entfernt wird. Alternativ wird oft Ethylacetat verwendet, das auch aus Obst und Gemüse gewonnen werden kann - nur dann darf koffeinfreier Kaffee den Titel „natürlich“ tragen.
Wenden die Hersteller das sogenannte indirekte Verfahren an, werden die Bohnen in heißem Wasser eingeweicht. Dann jedoch werden nicht die Kaffeebohnen weiterverwendet, sondern das Wasser. Erneut kommen Dichlormethan oder Ethylacetat zum Einsatz - dieses Mal, um Koffein aus dem Wasser-Kaffee-Gemisch zu entfernen. Dann werfen die Produzenten neue Bohnen in das jetzt koffeinfreie Gemisch. Dabei entsteht ein Lösungsgleichgewicht, welches den Bohnen ihr Koffein entzieht.
Schonendere Verfahren verzichten auf chemische Lösungsmittel
Ganz ähnlich funktioniert die Methode, die eine Schweizer Firma entwickelt hat: Dabei werden die Bohnen so lange in heißem Wasser gebadet, bis das gesamte Koffein, aber auch die meisten anderen Bestandteile aus der Bohne herausgelöst wurden. Die Bohnen werden dann entsorgt, das Wasser durch einen speziellen Filter gepresst - so werden die Koffeinmoleküle isoliert. Das übrig gebliebene koffeinfreie Wasser-Kaffee-Gemisch wird dann mit neuen Bohnen aufgekocht. Weil alle anderen Bestandteile schon im Wasser enthalten sind, entzieht diese Methode den neuen Bohnen nur ihr Koffein.
Wie das Entkoffeinieren nach dem Schweizer Verfahren genau abläuft, veranschaulicht die Firma in einem Werbevideo:
Deutlich weniger aufwendig, aber ebenfalls ohne chemische Lösungsmittel ist das Kohlendioxid-Verfahren. Dabei werden die grünen Bohnen unter hohem Druck mit flüssigem und gasförmigem Kohlenstoffdioxid gespült. An dieses Gemisch bindet das Alkaloid Koffein und wird somit von den Bohnen getrennt. Auch so bleiben die meisten anderen Bestandteile der Kaffeebohne erhalten.
Ähnlich wie bei alkoholfreiem Bier gilt auch für koffeinfreien Kaffee: Ganz ohne geht es dann doch nicht. Jedoch gelten innerhalb der EU strikte Grenzwerte: „Koffeinfrei“ darf sich ein Kaffee nur nennen, wenn sein Koffeingehalt unter 0,1 Prozent liegt.