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Cardiff erwacht im 19. Jahrhundert
Die jüngste Hauptstadt Europas: So nennt sich Cardiff, oder, wie die Waliser die Stadt an der Mündung des River Severn nennen, Caerdydd, seit 1955. Denn vor 50 Jahren ernannte Königin Elisabeth II. von England die Hafenstadt im Süden des Landes zur Hauptstadt von Wales. Der Ritterschlag hatte zunächst kaum politische Konsequenzen, doch mittlerweile tut sich was: Immerhin tagt in der Stadt seit 1999 die neu gegründete Nationalversammlung von Wales - die erste demokratische Institution des Landes seit nunmehr 600 Jahren.
Erst im 19. Jahrhundert erwacht Cardiff aus seinem Dornröschenschlaf
Im Rennen um die Hauptstadt-Ehre standen damals noch andere Mitbewerber, etwa das traditionsreiche Swansea. Darum waren auch nicht wenige Konkurrenten verwundert, als die Wahl auf Cardiff fiel: ein Fischerdorf, in dem um 1800 nur tausend Menschen lebten und das erst im 19. Jahrhundert als Kohle-Umschlagplatz zu Ansehen und Größe gelangte. Erst 1905 erhielt Cardiff das Stadtrecht. Doch heute zählt die Stadt immerhin rund 270 000 Einwohner.
Die grüne Stadt am Taff
Seinen ländlichen Charakter hat sich die Stadt am River Taff bewahrt: Fast elf Quadratkilometer Grünflächen bilden das grüne Herz der "City of Parks". Im beliebtesten, dem Roath Park, erinnert ein See mit einem Leuchtturm daran, dass 1910 Robert Scott von Cardiff aus zu seiner letzten Expedition in die Antarktis aufbrach.Im weiträumigen Cathays Park liegt das repräsentative Prachtviertel der Stadt, das Civic Centre. Das neoklassizistische Gebäudeensemble umfasst unter anderen das Welsh National War Memorial, das Rathaus, auf dessen Kuppel der Rote Drache thront, den Gerichtshof, das Hauptgebäude der Universität - deren Kanzler übrigens Prinz Charles ist - sowie das Nationalmuseum. Ein Besuch dieser Schatzkammer walisischer Kultur ist für Wales-Besucher ein Muss.
Das Nationalmuseum
Fast 100 Jahre ist das Museum der Waliser alt und unterrichtet die Besucher seither über Wales, seine Geschichte, seine Menschen und ihre Lebensart, über Geologie, Botanik und Zoologie des Landes. Nirgendwo lässt sich die Geschichte des Landes besser erfahren als hier. So vermittelt ein originalgetreu rekonstruierter Kohlenstollen einen Eindruck von den Strapazen der (Kinder-)Arbeit in den Kohlebergwerken der Region - demjenigen Wirtschaftszweig, der Cardiff zeitweise zum größten europäischen Exporthafen für Kohle machte: Auf dem Höhepunkt des Kohlebooms, 1913, wurden hier über 13 Millionen Tonnen Kohle verschifft.
Bedeutende Kunstsammlung
Im Nationalmuseum sind darüber hinaus auch Meisterwerke aller Epochen zu bestaunen; neben Cranach, Rembrandt, Lorrain, Corot, Rodin, Monet, Cézanne auch eine Sammlung französicher Impressionisten, die außerhalb Frankreichs ihresgleichen sucht. Aus der Erbmasse ihres Großvaters, eines Kohle- und Eisenbahnmagnaten, trugen die Schwestern Gwendoline und Margaret Davies in ihrem Landhaus Gregynog Hall die seinerzeit größte Sammlung ihrer Art zusammen - und stifteten sie dem Nationalmuseum.
Cardiff Castle und die Anfänge
Nur einen Katzensprung vom Nationalmuseum entfernt liegt die Keimzelle der Stadt Cardiff: Das Cardiff Castle, Römerlager, normannische Festung und viktorianisches Märchenschloss in einem. Um 76 n. Chr. kamen die Römer und errichteten, strategisch günstig - am Taff ein Lager, "caer-dyff", "castrum am Taff". Über die Besiedlung nach dem Abzug der Römer im 5. Jahrhundert ist wenig bekannt. Farbiger wird die Stadtgeschichte erst wieder mit der Ankunft der normannischen Eroberer im 11. Jahrhundert. Der normannische Lord of Gloucester, Robert Fitzhamon, ließ auf dem Gelände des römischen Forts eine Burg errichten, in deren Schutz eine Siedlung entstand. Doch Cardiff blieb eine englische Siedlung auf walisischem Territorium - und wurde daher im Jahr 1404 von dem walisischen Nationalhelden Owain Glyndwr und seinem Heer zerstört.
Eigenwilliger Stilmix
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts errichteten die Burgherren in der Südwestecke des Römerlagers eine Residenz mit großem Saal, die erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre heutige Gestalt erhielt - von einem Millionenerben und einem Enthusiasten des Mittelalters: Lord Bute und William Burges. Entstanden ist eine exzentrische Burg, eine Mischung aus Orientalismus und Katholizismus, religiösen Motiven und exotischen Ornamenten.
Lebendige Geschichte im FreilichtmuseumWer an Geschichte und Kultur der Waliser interessiert ist, kommt um ein weiteres Museum nicht herum: Im Museum of Welsh Life erleben die Besucher, wie die Waliser in den vergangenen Jahrhunderten lebten. Das Museum liegt im beschaulichen St. Fagans, etwa sechs Kilometer westlich der Stadtmitte. Über 30 original walisische Gebäude sind in diesem Freilichtmuseum zu besichtigen, Bauernhäuser, ein Zollhaus, eine Kapelle und eine Schule. Darüber hinaus erhalten die Besucher einen Eindruck von der traditionellen Lebensweise und Handwerkskunst der Waliser vergangener Jahrhunderte.
Blüte der Architektur am alten Hafen
Die Zeit der steinreichen, bzw. kohlereichen Exzentriker ist vorüber, jetzt setzen die Stadtväter auf zugleich zweckmäßige und schöne Architektur. An der Cardiff Bay wird eifrig gebaut; in bester Lage mit Wasserblick entstehen hier architektonische Großprojekte auf verwaistem Hafengelände: Die National Assembly, das schon fertig gestellte Wales Millenium Centre, die South Glamorgan County Hall, das Mermaid Quay, das Wissenschaftsmuseum Techniquest, sowie das Zentrum walisischen Kunsthandwerks, die Gallerie "Craft in the Bay".
Das Millenium Centre
Im Focus des kulturellen Lebens der Stadt steht das 2004 fertig gestellte Millenium Centre, ein Veranstaltungsort für internationale Musik-, Opern-, Ballett- und Tanzproduktionen. In dem Haus an der Cardiff Bay hat auch die international hoch gerühmte Welsh National Opera eine ständige Bleibe gefunden. Das Opernensemble tourt aber nach wie vor mit rund 120 Aufführungen pro Jahr durch ganz England. Für Freunde der klassischen Musik gibt es aber in Cardiff noch ein Highlight: Das BBC National Orchestra of Wales, eines der besten Orchester in Großbritannien, wie der Guardian schrieb. Wie das Opernensemble versorgen das Orchester und sein Chor ganz England und Wales mit hochkarätigen Konzerten. In Cardiff ist das Orchester in der St. David's Hall zu Hause.
Sportliche CardiffiansSo stolz die Cardiffians auf ihre wechselvolle Geschichte und ihre kulturellen Errungenschaften sind - ihr Herz schlägt für den Sport, das heißt, das Rugby. Was Kontinentaleuropäern ein wenig exotisch anmutet, ist für die Cardiffians die natürlichste Sache von der Welt - für manche sogar die wichtigste. Und seit 1999 hat der walisische Breitensport auch eine Kathedrale: das Millennium Stadium, das größte überdachte Stadion Europas. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1999 sind jährlich über 1,3 Millionen Besucher in dieses Mekka des Volkssports gepilgert. In der Mehrzweckhalle wird aber nicht nur Rugby und Fußball zelebriert - auch große Konzerte finden hier unter dem Cabrio-Dach der Halle statt.