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Fahrräder rattern über Kopfsteinpflaster, auf den Kanälen tuckern kleine Ausflugsboote, jeder Sonnenstrahl lockt auf der Stelle die Genter an die Ufer ihrer Stadt, in der die Flüsse Schelde und Leie zusammenfließen. Das Lebensgefühl: lässig. Was gewissermaßen auch auf die Prachtbauten zutrifft, die im historischen Kern der flämischen Kaufmannsstadt stehen: Sie wirken gepflegt, aber angemessen in die Jahre gekommen.
Flanieren in Gent
Gent ist für Fußgänger geschaffen – seit 2017 sind Autos weitgehend aus der Altstadt verbannt. An den Uferpromenaden Korenlei und Graslei spazieren Besucher durch eine Postkartenkulisse: Die Zunfthäuser mit ihrem fein ziselierten Fassadenschmuck und den Treppengiebeln spiegeln sich in den Wassern des Kanals, in den Cafés und an der Promenade sitzen Passanten, Studenten und Urlauber, essen Fritten und Waffeln – wie es sich gehört für Belgien. Im historischen Stadtkern wird das Alter nicht vertuscht: Da gibt es rußgeschwärzten Sand- und Backstein, staubige Bleiglasfenster, und zwischen den steinernen Früchten und Fabelwesen der verzierten Fassaden nisten echte Tauben in Efeuranken. Es sind diese Alters- und Alltagsspuren, die verhindern, dass das historische Zentrum mit dem spätgotischen Rathaus und dem mächtigen Belfried-Turm samt Tuchhalle nicht zum Freiluftmuseum verkommt. Die Stadthalle ist dagegen ein kühnes Stück moderner Architektur: ein asymmetrisches Doppel-Giebeldach mit 1600 kleinen Fenstern, das ein Drittel des Poeljemarkt-Platzes überspannt. In der Nähe ist auch die historische Rolandsglocke untergebracht, deren Klang sich immer wieder in das Stadtrauschen mischt: Schon seit Jahren läutet sie tagaus, tagein in dezenten Abständen – ein Glockenschlag für jeden der 260000 Einwohner der Stadt. Winzige Momente der Feierlichkeit weben sich so in den Alltag. Als sei die geballte architektonische Herrlichkeit noch nicht genug, gehört auch noch eine Bilderbuchfestung zum Altstadtensemble: Die fast ein wenig zu perfekt renovierte, 24-türmige Burg Gravensteen kündet von Zeiten, in denen flämische Grafen mit der lokalen Kaufmannschaft um Macht und Prestige rangen.
Gents Sehenswürdigkeiten
Bei aller Flanierlust – man kann Gent auch wunderbar bei Regen erkunden. Der schönste Innenraum gehört wohl zur St.-Bavo-Kathedrale mit dem berühmten Genter Altar von 1432. Im Halbdunkel einer Seitenkapelle kommt der eigentümlich düstere Glanz jener Bibelszenen besonders gut zur Geltung, die die Brüder van Eyck auf Eichentafeln gemalt haben. Fast noch faszinierender als das Bild und seine bewegte, an Geheimnissen reiche Geschichte, ist seine Restaurierung: Im Museum der Schönen Künste (MSK) tragen mit Mikroskopen, Tupfern und Pinseln bewaffnete Fachleute seit sechs Jahren Firnisschichten und Verunreinigungen an einzelnen Paneelen ab. Durch kugelsichere Panzerglasfenster schauen wir Besucher ihnen live bei der Arbeit zu. Ein Rundgang durch das MSK lohnt sich ohnedies: Die Sammlung des ältesten Museums Belgiens glänzt mit Werken großer Meister – von Hieronymus Bosch über Peter Paul Rubens bis René Magritte (Fernand Scribedreef 1).
Und wenn man schon mal auf der Ecke ist: Der Besuch der benachbarten Museen der Stadtgeschichte (Godshuizenlaan 2) und für Zeitgenössische Kunst (Jan Hoetplein 1) füllt locker einen halben Regentag. Der schönste Platz für museumsmüde Knochen findet sich in Letzterem, in einer verspielten Urwald-Installation unter der Lichtkuppel: Dort kann man sich auf einem weichen Matratzenwaldboden ausstrecken und in ein zirpendes, spielzeugbuntes Bastel-Dickicht blinzeln. Noch erholsamer ist nur ein Saunagang im eleganten, historischen Art-nouveau-Plüsch des Aqua Azul mitten in der Altstadt (Drongenhof 2). Für das ungewöhnlichste Ausstellungserlebnis aber nimmt man die Tramlinie 1 und fährt bis zur Station Guislainstraat: In dem düsteren, von Krähen umflatterten Gemäuer einer psychiatrischen Klinik zeichnet das Museum Dr. Guislain die Geschichte des Umgangs mit psychischen Erkrankungen nach, anhand faszinierender Exponate, von präparierten Gehirnen bis zu Elektroschockern. Hinzu kommen Ausstellungen mit Werken bedeutender psychisch kranker Künstler (Jozef Guislainstraat 43). Wer am Abend Lust auf ein Konzert, Theater oder eine Performance hat, geht in das mehr als 100 Jahre alte Veranstaltungszentrum Vooruit. Es ist das Herz der Kulturszene. Dazu gehört auch das coole Vooruit Café mit seiner Treppenterrasse (Sint-Pietersnieuwstraat 23).
Essen & Trinken
on deftig bis fein – die Genter haben einen guten Geschmack und bieten eine Vielfalt an Genüssen. Vieles davon kommt rund um die Alte Fleischmarkthalle in der Altstadt zusammen: Im Büdchen Bij Filip vor der Halle gibt es die legendären Fritten mit Biersoße, in der Halle baumeln Ganda-Schinken vom historischen Holzgebälk. Im Restaurant Groot Vleeshuis kann man sie ebenso probieren wie andere ostflämische Spezialitäten, allen voran die berühmte Genter Waterzooi: Gemüsebrühe mit Eigelb und Sahne, Hühnchen und frischem Lauch. Aktuell macht sich Gent vor allem einen Namen als Belgiens Veggie-Hauptstadt. Der Donnerstag ist Veggie-Day, aber auch an allen anderen Tagen haben die meisten Restaurants mindestens ein vegetarisches oder veganes Gericht auf der Karte – besonders kreativ und puristisch im Roots (Vrouwebroersstraat 5). Es steht im Viertel Patershol, das sich zu einem Hotspot für nette kleine Restaurants entwickelt hat.
Unterkünfte in Gent
Mit dezentem Countrystyle wirbt das B&B Door 10 um seine Gäste, das in einem Beginenhof angesiedelt ist (Provenierstersstraat 10, DZ/F ab 130 €). Gleich drei dieser klosterartigen Wohnquartiere gibt es in Gent: Ruhepole mitten in der Stadt und zugleich architektonische Schmuckstücke. Im Viertel Patershol mit schönstem Blick auf die Kai-Promenade Kraanlei steht das Hotel Harmonie (Kraanlei 37, DZ/F ab 138 €). Die Betreiberfamilie gibt dem gemütlich- eleganten Haus eine persönliche Note. Gleiches gilt für das De Waterzooi, ein »Luxury Bed and Breakfast«. Das Ehepaar Christian und Kay Delens haben das Haus in historischen Gemäuern gegenüber der Burg Gravensteen eingerichtet (Sint-Veerleplein 2, DZ ab 155 €).