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Brandenburg Seelenruhe im Schlaubetal

Gerade einmal 100 Kilometer trennen das Schlaubetal von der Stadtgrenze Berlins und dennoch trifft man hier kaum eine Menschenseele. Eine Entdeckungstour ins urigste Bachtal Brandenburgs

Frühe Dämmerung, das Abendrot blinkt durch die Kiefern am Wirchensee. Wie bei einer Vogelhochzeit tschilpt und zwitschert, trillert und pfeift es auf dem Weg zur Schlaubequelle, die das stille Gewässer speist. Ein Eisvogel stürzt sich kopfüber ins Wasser, ein Specht bearbeitet hingebungsvoll einen knorrigen Stamm. Wir stapfen im Halbdunkel voran, doch die Quelle finden wir nicht, sie verbirgt sich in einer sumpfigen, von Butterblumen gelb getüpfelten Wiese. Der Urprung der Schlaube bleibt ein Geheimnis, genauso wie die Landschaft. Obwohl das Bachtal gerade einmal 100 Kilometer südöstlich von Berlin liegt, ist es nahezu unentdeckt von metropolenmüden Wochenendwanderern.

Wir treffen Ralf Hartwig, Revierförster im Schlaubetal, am nächsten Morgen und durchstreifen mit ihm den weiten, lichten Laubwald des seit 1995 ausgewiesenen Naturparks. Auf der Oberfläche seidig schimmernder Seen tanzen die Schatten von Buchen und Pappeln. Tier- und Pflanzenarten, die im restlichen Brandenburg ausgestorben sind, etwa die Smaragd-Eidechse und die Frauenschuh-Orchidee, existieren hier noch. Am Großen Treppelsee steuert Förster Hartwig eine kleine Holzhütte an. Nicht weit von uns schnellt ein schwarzweißer Haubentaucher nach oben – ein treibender Ast ist sein Ausguck auf eine Gewässerlandschaft, die von weitem an das Amazonasgebiet erinnert. Wäre da nicht das Beobachtungsbuch der Hütte, in dem ein gewisser Doktor Klemke vermerkt hat: "Während 15 Minuten 2 Enten und einen Graureiher gesehen." Stunden später hätte ich selbst gern so ein Buch, um den dicken Frosch einzutragen, der vollkommen reglos auf einem Stein vor einer Miniaturmühle hockt. Ein hölzernes Mühlrad knirscht laut, aber nicht einmal seine Glubschaugen bewegen sich. Bis 1968 rauschten etliche Mühlen entlang der Schlaube, dann ließ die DDR-Regierung Wind- und Wassermühlen schließen. Heute sind die Mühlenhäuser renoviert, doch meist ohne funktionierende Technik.

Brandenburg: Förster Ralf Hartwig mit Dackeldame Trixi
Förster Ralf Hartwig mit Dackeldame Trixi
© Christian Kerber
Brandenburg: Beim Essen in der Ragower Mühle sieht man den Gänsen auf der Schlaube zu
Beim Essen in der Ragower Mühle sieht man den Gänsen auf der Schlaube zu
© Christian Kerber

Die will Baldur Börner von der Ragower Mühle wieder einbauen. Der Mann ist 71, und seine Augen blitzen, als er sagt: "Bald bewegt sich hier wieder alles". Bevor wir weiterziehen, trinken wir Berliner Weiße im blumenumrankten Wirtsgarten und freuen uns an der Seelenruhe des Schlaubetals. Das Kontrastprogramm liefert das nahe gelegene Örtchen Neuzelle. Sein ehemaliges Zisterzienserkloster gilt als Barockwunder in Brandenburg. Weit leuchtet der gelbweiß gestrichene Glockenturm in die hügelige Umgebung hinein. Wir wandeln staunend auf Kopfsteinpflaster durch eine der wenigen komplett erhaltene Klosteranlagen des Kontinents. Mönche gibt es hier schon lange keine mehr, für das Kloster sorgt eine Stiftung. Im Barockgarten setzen wir uns nahe der Orangerie auf eine Parkbank und atmen durch, die Luft riecht nach frisch gemähtem Gras. Dann schnüren wir unsere heißgelaufenen Wanderschuhe auf und lassen den Bügelverschluss einer kalten Flasche Klosterbier ploppen.

Erleben

Heidereiter hießen die Förster der Gegend früher. Warum das so ist, erklärt Förster Hartwig in seinem liebevoll bestückten Heidereitereri- und Forstmuseum in Dammendorf. Grunow-Dammendorf, Landstr. 14, Tel. 033655-5 99 70, www.grunowdammendorf.de, nur nach telefonischer Anmeldung

Pferde zum Ausreiten in die Umgebung vermietet der Reiterhof Richter, Beeskow, Schneeberger Dorfstr. 18, Tel. 03366-2 11 91, www.landgutschneeberg.de, pro Pferd 50 € für einen halben Tag

Ein barockes Juwel ist das Kloster Neuzelle, es steht ganz in der Nähe des Schlaubetals. Highlights: die Stiftskirche St. Marien, der Kreuzgang und der wunderschöne Klostergarten. Neuzelle, Stiftsplatz 7, Tel. 033652-81 40, www.stift-neuzelle.de

Ein unfreiwilliges Denkmal gescheiterter sozialistischer Utopien steht am Rande des Schlaubetals: Eisenhüttenstadt. Ab 1950 entstand die jüngste deutsche Plankommune als "erste sozialistische Stadt der DDR". Besonders sehenswert und didaktisch auf höchstem Niveau ist das "Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR". Erich- Weinert-Allee 3, www.alltagskulturddr.de, Mo geschl.

Essen & Trinken

Glück zu! Familie Börner hält in der Ragower Mühle den alten Müllergruß in Ehren; netter Wirtsgarten und fangfrischer Fisch. Schernsdorf, Tel. 033655-7 21, www.ragowermuehle.de, Mo geschl.

Waidmannsheil! Oberhalb vom Hammersee versteckt sich das rustikale Forsthaus Siehdichum mit deftiger Wild- und Fischkarte. Auch Übernachtung möglich. Schernsdorf, Tel. 033655-2 10, www.forsthaus-siehdichum1.de, DZ/F 70 €; im Winter nur an Wochenenden

Schlafen

Vor dem Frühstück im See erfrischen und abends am Steg Sterne zählen: Naturromantik bietet das Waldseehotel am Wirchensee, auch wenn die Zimmer eher funktional sind. Neuzelle, Am Wirchensee 1, Tel. 033673-6 60, www.wirchensee.de, DZ/F ab 75 € (nach Seeblick fragen)

Verspieltes Landidyll. Im Hotel Kaisermühle hat die Berlinerin Constanze Mikeska 14 Mini-Gemächer geschaffen. Ihren liebevoll ausstaffierten Traum teilt sie mit Gästen und lässt auch köstlich kochen. Müllrose, Forststr. 13, Tel. 033606-8 80, www.hotel-kaisermuehle.de, DZ/F ab 84 €

GEO SAISON Nr. 09/2014 - GEO Saison - Deutschland für ein Wochenende

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