GEO.de: Wie ist die Idee zu Weltwach entstanden? Entspricht das jetzige Format noch deiner ursprünglichen Intention?
Erik Lorenz: Weltwach gibt es seit 2017. Die ursprüngliche Idee für die Plattform hatte ich unterwegs. In meiner Tätigkeit als Buchautor für Länder- und Reisereportagen war ich viel auf Recherche, zum Beispiel in Südostasien. Dabei haben mir neben dem Reisen als solches besonders zwei Dinge Spaß gemacht – die intensive Vorbereitung auf die einzelnen Trips und die Gespräche vor Ort. Bei den Interviews fand ich es am Ende oftmals sehr schade, wie wenig davon in den Büchern gelandet ist. Ein prägnantes Beispiel dafür war meine Begegnung mit einem ehemaligen deutschen Oberstleutnant, der in Kambodscha seit Jahren als Minenräumer unterwegs war und ein 300 Mann starkes Kommando leitete. Ich habe ihn einige Tage durch den Dschungel begleitet. Er hat mir nicht nur gezeigt, wie sie dort unter anspruchsvollsten Bedingungen Minen aus drei Jahrzehnten Bürgerkrieg entschärfen, sondern auch aus seinem knapp 80 Jahre umfassenden Leben erzählt.
Allein darüber könnte man glatt drei eigene Bücher schreiben! In dem Buch „Lesereise Kambodscha“ hat diese Begegnung aber nur ein Kapitel bekommen. Ich fand es dann einen schönen Gedanken, solchen Geschichten eine Plattform zu geben, wo sie viel unmittelbarer mit der eigenen Stimme, Schwerpunktsetzung und Emotionalität erzählt werden und nicht über mich als Autor. So sind Weltwach.de und der Weltwach-Podcast entstanden. Hinzu kam, dass ich persönlich großer Podcast-Fan bin und es damals in dem Segment Reisen noch nicht viele deutschsprachige Formate gab. Aber ich hätte nie gedacht, dass die Show so schnell so erfolgreich wird. Am Anfang war der Plan mal ab und zu, wenn es die Zeit zulässt, eine Folge zu machen. Inzwischen sind es knapp 150 Episoden, und jede Woche erscheint eine neue.
Meine Intention dahinter war, ähnlich wie in meinen Büchern, weniger Tipps und Tricks oder Packlisten vorzustellen, sondern eher zu erfahren, wie Menschen das Reisen erleben oder warum sie bestimmte Orte geprägt haben. Ich möchte die von ihnen bereisten Orte in ihrer Essenz kennenlernen und ein Stück weit verstehen. Dazu bespreche ich mit meinen Gästen zum Beispiel häufig auch soziale, ökonomische und politische Komponenten. Manchmal steht aber auch einfach das Erlebnis im Vordergrund: eine abenteuerliche Expedition oder eine außergewöhnliche Weltreise.
Wie findest du deine Gesprächspartner?
Ganz unterschiedlich. Mittlerweile bekomme ich viele Anfragen von Menschen, die gern dabei wären, was mich sehr freut. Diese machen aber nur knapp fünf Prozent meiner tatsächlichen Gäste aus. Ich verfolge, welche Buchneuerscheinungen anstehen, was journalistisch publiziert wird oder ob es interessante Filmprojekte gibt. Mir geht es darum Experten zu finden für die Themen, die mich interessieren und die eine schöne Vielfalt im Podcast sicherstellen. Inzwischen kann ich aber auch auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen, über das mich immer wieder Empfehlungen erreichen. Ausgehen werden mir die Gesprächspartner in naher Zukunft auf keinen Fall, denn ich habe inzwischen prall gefüllte Listen von potenziellen Gästen, seien es Autoren, Abenteurer oder politische Aktivisten.
Welches Gespräch hat dich bisher am meisten überrascht?
Überrascht – das ist eine gute Frage. Tatsächlich bereite ich mich relativ intensiv auf jeden meiner Gäste vor – lese die Bücher oder schaue entsprechende Dokumentationen. Also, eine wirklich große Überraschung hatte ich noch nicht. Aber es gibt Gespräche, die einen ganz anderen Verlauf nehmen, als ich das ursprünglich gedacht hätte. Ein Beispiel wäre die Folge mit Hartmut Fiebig, der vor Jahrzehnten mit dem Rad von Deutschland bis nach Kapstadt gefahren ist. Der eigentliche Plan war diese Reise durch Afrika zu erzählen. Am Ende haben wir eher über Reisephilosophie gesprochen und darüber, wie das Reisen ihn als Menschen geformt hat. Es ging mehr um Toleranz und Demut als darum, wie viele Kilometer er am Tag geschafft hat – entsprechend heißt die Folge nun auch „Der Wert des Reisens“ anstatt „Mit dem Rad bis Kapstadt“.
Du hast eben gesagt, du suchst die Themen der Folgen relativ subjektiv danach aus, was dir gefällt. Sind deine Lieblingsfolgen auch die deiner Hörer?
Nicht immer. Es gibt durchaus Folgen, bei denen ich mir nicht so sicher bin, wie sie ankommen werden, weil ich sie vielleicht persönlich als etwas unkonkret, zu zerfasert oder thematisch sehr spitz wahrnehme. Und dann freut es mich umso mehr, dass auch diese Folgen sehr begeistert kommentiert und gehört werden. Aber tatsächlich ist die Folge, die bei mir einen ganz hohen Stellenwert einnimmt, auch die Folge, die bei den Hörern und Hörerinnen am beliebtesten ist. Es ist mein Gespräch mit dem leider kürzlich verstorbenen „Sir Vival“ Rüdiger Nehberg. Ein fantastischer Geschichtenerzähler!
Du sprichst mit Abenteurern, die in den entlegensten Winkeln der Welt waren – was macht das mit deinem Fernweh?
Ich werde dadurch nicht unbedingt unruhiger, denn ein wenig stille ich durch die intensive Vorbereitung und die Gespräche auch mein Fernweh. In den Phasen, in denen ich also selbst nicht unterwegs sein kann, tut es mir sehr gut mit meinen Gästen zu sprechen und mir so tiefe Einblicke in Länder, Kulturen und Reiseformen zu ermöglichen. Mich inspirieren besonders die Lebensentwürfe meiner Gäste. Viele Vielreisende lösen sich von dem deutschen Sicherheitsbedürfnis und machen sich von ihrem Besitz ein Stück weit frei. Das hat beispielsweise nicht zuletzt dazu geführt, dass ich meinen Vollzeitjob aufgegeben habe, um etwas mehr Freizeit in mein Leben zu lassen – und mich vor allem noch intensiver Weltwach widmen zu können.
Würdest du dich auch selbst als Abenteurer bezeichnen oder hörst du dir lieber nur die waghalsigen Geschichten an?
Das kommt darauf an, was man unter einem Abenteurer beziehungsweise Abenteuer versteht. Der Begriff ist ja zugegebenermaßen etwas abgegriffen. Reinhold Messner hat mir im Weltwach-Interview drei Bestandteile genannt, die für ihn ein Abenteuer ausmachen: Schwierigkeiten, Gefahr und Exposition. Nach diesen Faktoren hat er folglich auch ein Leben lang gesucht, wobei er sich bemühte, das Risiko durch ausgiebiges Training und gründliche Vorbereitung zu reduzieren. Der Bestseller-Autorin und meistgewanderten Frau der Welt, Christine Thürmer, geht es um etwas ganz anderes. Sie erzählte mir, sie wolle einfach draußen ein schönes Leben haben – sie sucht nach dem Spaß am Unterwegssein und genießt vor allem das „Senken der Glücksschwelle“, wie sie es nennt, die sich durch das einfache Leben ergibt, das sie führt. Und ja, das beinhalte auch Abenteuer: Sie kämen zwangsweise dazu, seien nicht das, was sie anstrebe. Was viele meiner Gesprächspartner im Weltwach-Podcast verbindet, ist eine grundsätzliche Offenheit für und die Freude am Unbekannten, Unabwägbaren, an Veränderung und körperlicher und mentaler Herausforderung. Auf einer abenteuerlichen Reise oder Expedition gleicht ja kaum ein Tag dem anderen, oft setzen einem die Witterung oder andere äußere Umstände zu. Zumindest das versuche ich mir selbst auch zu eigen zu machen.
Ich war 1 ½ Jahre in Australien, habe dort lange auf einer Farm gelebt und mir völlig neue Lebensentwürfe und -philosophien kennengelernt. Der Farmer war auch schon Gast bei Weltwach. Ich bin durch den schwedischen Sarek-Nationalpark gewandert, der häufig – etwas übertrieben – als „Europas letzte Wildnis“ beschrieben wird. Aber mein wohl größtes Abenteuer war meine Reise mit dem Motorrad durch Nord-Indien und das Himalaja-Gebirge. Das habe ich mit zwei Freunden gemeinsam gemacht. Dazu gesagt, keiner von uns hatte einen Führerschein oder irgendwelche Motorrad-Erfahrung, doch die Dirt Roads haben uns entsprechend geschult. Messner würde müde lächeln, aber für mich war das Abenteuer genug!
Du stehst als Host deiner Folgen selten im Mittelpunkt – warum erzählst du nicht auch von deinen eigenen Reisen?
Gelegentlich tue ich das schon: dann, wenn ich glaube den Erzählungen meiner Gäste durch eine eigene Anekdote eine Facette hinzufügen zu können. Aber grundsätzlich verstehe ich meine Rolle im Weltwach-Podcast als eine andere: Meine Aufgabe ist nicht mich selbst zu sehr in den Vordergrund zu rücken, sondern eine gute Gesprächsatmosphäre zu schaffen, hoffentlich die richtigen Fragen zu stellen und meinen Gästen und ihren Erfahrungen eine optimale Bühne zu bieten. Von meinen eigenen Erfahrungen erzähle ich in vereinzelten Spezialfolgen – und in meinen Büchern.

Jetzt hast du mit dem Buch „Abenteuer im Gepäck“ einen Querschnitt deiner Podcast-Folgen auch zum Lesen herausgebracht. Was erwartet mich, als eingefleischter Hörer oder als jemand, der Weltwach noch nicht kennt?
Dich erwarten Geschichten von den höchsten Gipfeln, den weitesten Wüsten und dichtesten Dschungeln, vom zu-Fuß-nach-Tibet-laufen und vom Tiefseetauchen, von lebensgefährlichen Expeditionen, aber auch solchen Abenteurern, die stiller wirken. Dich erwarten Erzählungen von der Auseinandersetzung mit der Wildnis und mit uns fremden Kulturen, die wir uns erst Stück für Stück erschließen müssen. Und dich erwarten Einblicke darin, was meine Gesprächspartner aus ihren Streifzügen gelernt haben – über die Welt und über sich selbst.
Von alldem erzählen Persönlichkeiten wie Reinhold Messner, Christine Thürmer, Rüdiger Nehberg, Joey Kelly, Hans Kammerlander und viele mehr. Für Fans und Hörer ist das hoffentlich eine schöne Erinnerung an besondere Folgen – redaktionell aufgearbeitet, verdichtet und mit Bildern ergänzt. Das Buch richtet sich aber natürlich nicht nur an die Hörer, sondern an alle, die sich an Abenteuern erfreuen. Es bietet viele Facetten des Unterwegsseins – seien es Landschaften oder Fortbewegungsformen.