GEO: Herr Schmitt, bis zur Abfahrt sind es noch einige Wochen? Sind die Koffer trotzdem schon gepackt?
Sebastian Schmitt: Noch nicht ganz. Aber das Wichtigste ist schon fertig. Die große Staubox mit dem Werkzeug. Die ist schon voll bis obenhin.
Warum ist das das Wichtigste?
Für die Tour haben wir ein altes Feuerwehrauto, ein Mercedes Benz 1222, komplett umgebaut. Da war nur noch die leere Hülle und wir haben Strom, Wasser, Heizung, Betten und Solaranlage eingebaut. Während so einer Weltreise geht bestimmt einiges schief und sicherlich werden wir auch mal eine Panne haben. Da brauchen wir das Werkzeug. Das Gute an so einem alten Auto ist ja, dass man noch sehr viel selbst schrauben kann.

Und wenn dann in Aserbaidschan der Reifen platzt, können Sie das Rad wechseln?
Ich sage jetzt mal optimistisch: Ja. Bei so einem alten Lkw wiegt das Ersatzrad über 100 Kilo. Wir haben eine kleine Seilwinde, mit der wir das Rad runterlassen können, und einen besonders großen Wagenheber.
Schon mal geprobt?
Den Radwechsel noch nicht. Aber wir haben im Herbst mit dem Auto eine erste Probetour in die Schweiz und nach Spanien unternommen. Als wir in der Schweiz von einem Pass hinunter ins Tal fuhren, sind wir plötzlich nicht mehr vom Fleck gekommen. Wir haben dann 24 Stunden nach dem Fehler gesucht und ihn auch gefunden, die Mechanik bei der Kraftübertragung vom Gaspedal funktionierte nicht mehr. Das konnten wir dann mit Kabelbindern – so MacGyver-mäßig – lösen.

Wer ist wir? Wer gehört zum Team?
Meine Frau, unser Kind und ich werden die ganze Zeit über dabei sein auf der Tour. Für die verschiedenen Etappen kommen dann immer ein bis zwei Personen aus unserem Team dazu.
Das sind alles Pfadfinder?
Wir haben eine Kulturwissenschaftlerin dabei, die das Projekt toll fand. Außer ihr sind alle anderen Pfadfinder und Pfadfinderinnen.
Seit wann gehen Pfadfinder eigentlich nicht mehr nur in den Wald nebenan, sondern auf Weltreise?
Die Idee ist auf einem Weltpfadfindertreffen in den USA vor viereinhalb Jahren entstanden. Diese Treffen sind ein bisschen wie olympische Spiele – die Jugend der Welt trifft sich. Es ist einfach eine großartige Zeit mit vielen unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Zusammen mit einigen anderen habe ich überlegt, wie man dieses Gefühl mehr Jugendlichen in Deutschland vermitteln könnte. Es können ja nicht alle zum Weltpfadfindertreffen reisen. Also haben wir gedacht: Dann reisen wir zu den Jugendlichen in aller Welt, sammeln ihre lokalen Traditionen ein, was sie kochen, was sie spielen, welche Geschichten sie erzählen, und dokumentieren das Ganze. Die Pfadfinder und Pfadfinderinnen in Deutschland können das dann in ihren Gruppenstunden nachmachen und nacherleben.
Tragen Sie während der Reise Ihre Pfadfinder-Kluft?
Natürlich. Dadurch erkennen wir uns untereinander.

Was bedeutet es für Sie Pfadfinder zu sein?
Der Gründer der Pfadfinder, Robert Baden-Powell hat gesagt, wir sollten die Welt ein bisschen besser hinterlassen als wir sie vorgefunden haben. Das hat mich geprägt. Als Jugendlicher habe ich bei den Pfadfindern gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Wie ich heute im beruflichen Alltag auf Menschen zugehe und mit ihnen umgehe, habe ich als Pfadfinder gelernt. Später kam dann der internationale Gedanke dazu, der Austausch, Freundschaften auf der ganzen Welt. Ich bin überzeugt davon, dass diese Treffen dabei helfen, Vorurteile abzubauen und Toleranz zu stärken.
Wie stellen Sie sich diesen Austausch konkret während der Weltreise vor?
Wir verabreden uns mit einer Pfadfindergruppe in dem Land, in dem wir gerade unterwegs sind. Vielleicht nehmen wir an den Gruppenstunden teil. Vielleicht findet gerade ein Zeltlager statt und wir dürfen dabei sein. Wir zeigen uns gegenseitig unsere Spiele, singen unsere Lieder, gehen mit den anderen auf Wanderungen, erzählen von unseren Aktivitäten, wie möchten auf jeden Fall für unsere Gastgeber kochen.
Was kochen denn deutsche Pfadfinder im Ausland?
Schwierige Frage. Wir diskutieren im Team noch. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Ecken Deutschlands.
Was steht zur Auswahl?
Ich bin aus der Pfalz und mag gern Dampfnudeln. Aber mit der Hefe wird es vermutlich in einigen Ländern schwierig. Ich muss mal schauen, ob ich die Dampfnudeln auch mit Trockenhefe kochen kann. Ansonsten sind Kartoffelpuffer noch in der engen Auswahl. Ich könnte mir vorstellen, dass man Kartoffeln überall besorgen kann.

Steht die Reiseroute bereits fest?
Also wenn ich etwas während der Planung dieser Reise gelernt habe, dann dass wir flexibel sein müssen.
In welche Himmelsrichtung geht es denn los?
Nach Osten. Wir wollen ein Jahr lang unterwegs sein. Momentan sieht die grobe Routenplanung vor, dass wir durch Europa reisen, und dann weiter über Georgien, Aserbaidschan, Turkmenistan bis nach China und weiter. Aber momentan ist die Landesgrenze zwischen Georgien und Aserbaidschan geschlossen. Es bliebe uns nur im Norden der Umweg über Russland oder im Süden über den Iran. Das sind beides keine verlockenden Alternativen. Wie müssen also weiter flexibel bleiben und eventuell nochmal umplanen.
Gibt es überall Pfadfinder?
Beinahe in jedem Land der Erde.
Was überwiegt gerade? Die Angst oder die Vorfreude auf die große Reise?
Es ist ein großes Potpourri an Gefühlen. So vieles muss noch fertig werden bis zur Abfahrt. Gerade haben wir festgestellt, dass das Auto nicht ganz wasserdicht ist. Wo wir Steckdosen und Fenster eingebaut hatten, trat Wasser ein. Also mussten wir vieles noch einmal ausbauen und neu abdichten. Aber insgesamt überwiegt die Vorfreude. Wir planen die Reise jetzt seit vier Jahren, immer parallel zu unserem beruflichen Alltag. Es soll endlich losgehen. Dann gibt es nur noch die Reise, nichts anderes mehr.
Wird es vor der Abfahrt ein Abschiedsfest geben?
Natürlich, das steht auch auf der Do-To-Liste.