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Bei der Ernte zupacken
Christian Zink, Lehrer aus Stuttgart, rammt im Naturreservat Mokolodi in Botswana mit beiden Händen eine Spitzhacke in die Erde. Der 36-Jährige buddelt einen Graben, in dem ein Elektrokabel verlegt werden soll. Catrin Huber, Erzieherin aus Odenthal, rührt derweil in der nordthailändischen Stadt Chiang Rai mit bloßen Händen Mörtel an.
Damit verputzt die 31-Jährige zusammen mit einer Koreanerin, einer Schwedin und einer Holländerin die Wände eines neuen Museums, das die Kultur der Akha darstellen soll, eines Bergvolks. Huber und Zink betreiben "Volunteering", wie der freiwillige Einsatz neudeutsch genannt wird. Beide packen mit an. Sie opfern Teile ihres Jahresurlaubs, um in Workcamps des Service Civil International (SCI) zu arbeiten. Warum? "Ich bin früher viel mit dem Rucksack gereist, aber nie so richtig mit den Einheimischen ins Gespräch gekommen", sagt Zink, stellvertretend für viele andere. Der Geografie-, Englisch- und Sportlehrer hat schon mexikanischen Grundschülern von seiner Heimat erzählt, in Thailand in einem buddhistischen Dorf bei der Reisernte geholfen und Englisch unterrichtet. Wie bei seinen vorherigen Reisen wird er an den Einsatz noch zwei Wochen dranhängen, um durchs Land zu reisen.
1920 von Schweizer Pazifisten gegründet, ist SCI eine der ältesten Friedens- und Freiwilligenorganisationen der Welt. Sie ist in 90 Ländern aktiv, will Hilfe leisten und den kulturellen Austausch fördern. Leichter gesagt als getan: Die meisten Teilnehmer bleiben nur zwei Wochen im Workcamp, und nicht selten gibt es Startschwierigkeiten. "Es kann passieren", sagt Zink, "dass man nach einem langen Flug müde ankommt, den vereinbarten Treffpunkt aufsucht und dann erfährt, dass noch keine Unterkunft organisiert wurde." Von solchen Erlebnissen sollte man sich nicht abschrecken lassen. Auch Huber hat sich anpassen müssen. "Im Infoblatt hieß es, wir würden Reis anpflanzen und Kinder unterrichten - doch vor Ort sind mehr handwerkliche Tätigkeiten gefragt", sagt die Erzieherin, die zuvor nie Mörtel angerührt hat. Einige Projektteilnehmer seien, so Huber diplomatisch, "unzufrieden". Zink sah sich in Botswana mit der Aufgabe konfrontiert, einen Hinterhof zu entrümpeln. "Das sind Momente, in denen Zweifel kommen, und ich frage mich dann: Du bezahlst deine Anreise selbst und spendest deine Zeit, um für andere den Müll wegzuschaffen - ist es wirklich das, was du suchst?" Obwohl es solche Momente im Leben eines Freiwilligen immer wieder gibt, möchten die wenigsten ihre Erfahrungen missen. Huber empfiehlt, vor dem ersten Workcamp ein SCI-Seminar zu besuchen. "Das ist sehr informativ. Man wird ein wenig vorbereitet auf das, was einen erwartet. Dieses einfache Leben ist eine gute Erfahrung. Das relativiert so einiges, was wir in Deutschland für Probleme halten."
INFO
Mindestalter 16 Jahre (für Auslandseinsätze: 18 Jahre), Vorkenntnisse nicht nötig. In einer Gruppe arbeiten meist nur ein bis zwei Personen aus einem Land. Die Anreise bezahlen die Teilnehmer selbst, die Vermittlung nach Asien, Afrika, Lateinamerika und Nahost kostet 300 Euro. SCI - Deutscher Zweig e. V., Blücherstr. 14, 53115 Bonn, Tel. 0228-21 20 86, www.sci-d.de
Die Erinnerung wachhalten
Synagogen restaurieren, jüdische Friedhöfe pflegen, Gedenkstätten betreuen - das ist die Aufgabe, die sich die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. (ASF) gestellt hat. 2007 zum Beispiel arbeiteten Freiwillige im polnischen Treblinka an der Gedenkstätte für das einstige Nazi-Vernichtungslager. In der südostpolnischen Stadt Szczebrzeszyn machen sie jüdische Friedhöfe, die völlig zugewachsen sind, wieder begehbar. Mehr als tausend Grabsteine aus den Jahren 1545 bis 1936 liegen dort. Da die Nazis fast alle Nachkommen der Verstorbenen ermordeten, gibt es kaum noch Menschen, die sich um die Gräber kümmern.
INFO
Das Mindestalter für die Workcamps beträgt 18, in einigen Fällen 16 Jahre. Die Termine liegen meist im Juli und August. Seniorencamps gibt es im Mai, Juni und September. Die Aufenthalte dauern ein bis drei Wochen und kosten 130 Euro, für Freiwillige ohne Einkommen 100 Euro. Anreise auf eigene Kosten. Die Unterkünfte sind einfach. In den meisten Sommerlagern versorgt sich die Gruppe selbst. ASF ist kirchennah, aber für Angehörige aller Religionen offen. Das Programm für 2008 erscheint Anfang März. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V., Auguststr. 80, 10117 Berlin, Tel. 030-28 39 51 84, www.asf-ev.de
Im Himalaya-Dorf improvisieren
Englischunterricht geben, Erwachsene in Hygienefragen schulen, mit Waisen spielen - das sind die Aufgaben der gemeinnützigen Organisation "Info Nepal". Vor neun Jahren begann der Verein mit seiner Arbeit. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, gefragt sind gefestigte Persönlichkeiten mit Improvisationstalent; die Freiwilligen arbeiten meist allein. Je nach Eignung wird ein Helfer in einem abgelegenen Himalaya-Dorf oder nahe der Hauptstadt Kathmandu ein gesetzt. Die Englischkenntnisse der Bevölkerung sind schlecht, da her gibt es für die Teilnehmer zu Beginn des Aufenthalts einen Schnellkurs in nepalesischer Kultur und Sprache.
INFO
Mitmachen kann jeder ab 18 Jahren, Aufenthalte ab zwei Wochen sind ganzjährig möglich. Zwei Wochen kosten 250 Euro, vier Wochen 450 Euro, sechs Wochen 525 Euro inkl. Unterkunft und Verpflegung. Anreise auf eigene Kosten. Die Gastfamilien helfen bei der Planung einer anschließenden Reise. Stefan Günzinger, Möwen weg 3, 86938 Schondorf am Ammersee, Tel. 08192- 23 76 37, www.infonepal.org
Buddha feiern
Rund 1000 Workcamps mit 12 000 Teilnehmern hat die Internationale Begegnung in Gemeinschaftsdiensten e. V. (IBG) seit ihrer Gründung 1965 organisiert. Bau- und Restaurationsmaßnahmen, Umweltprojekte, archäologische Arbeiten, Festivalorganisation - mit der IBG ist fast alles möglich. Freiwillige haben schon in Seoul bei einem Festival anlässlich des Buddha-Geburtstags geholfen, andere haben mit mexikanischen Bauern biologischen Kaffee produziert. IBG bietet Teenager-Programme für Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren an, etwa in Frankreich, Italien, Estland, der Türkei, Litauen, Armenien und in Japan, dazu Seniorencamps in Süditalien und Arbeitsferien für Familien in der Toskana.
INFO
Vermittlung 120 Euro pro Person, in ärmeren Ländern fallen zusätzlich 120 bis 200 Euro für Unterkunft und Verpflegung an. Anreise auf eigene Kosten. Das Programm 2008 (1500 verschiedene Projekte in etwa 50 Ländern) erscheint im März. IBG e. V., Schlosserstr. 28, 70180 Stuttgart, Tel. 0711-649 02 63, www.ibg-workcamps.org
Unterricht im Urwald geben
Einsatzort der Peace Villages Foundation ist die Region um die Ortschaft Santa Elena de Uairén, eine Stadt mit 25 000 Einwohnern im Osten Venezuelas. Die Organisation unterstützt Kinder aus ar men Familien. Freiwillige können in einem mobilen Klassenzimmer unterrichten, Fachpersonal beim therapeutischen Pferde reiten unterstützen und für den kommunalen Radiosender arbeiten. Vorkenntnisse sind nicht notwendig, Spanischkenntnisse aber hilfreich.
INFO
Die Teilnehmer sollten 16 Jahre und älter sein, das Angebot richtet sich aber auch an Interessierte, die älter sind als 30 Jahre. Wer nur wenige Wochen bleibt, zahlt einen relativ hohen Betrag und fi nanziert so die länger arbeitenden Freiwilligen, die nichts bezahlen. Arbeitsaufenthalte sind ganzjährig möglich. Unterkunft und Verpflegung auf dem Peace-Villages- Gelände: eine Woche 833 Dollar, zwei Wochen 980 Dollar, drei Wochen 1153 Dollar. Anreise auf eigene Kosten. PVF Community Centre, Lomas de Piedra Canaima via Sampai, 8032 Santa Elena de Uairén, La Gran Sabana, Estado Bolívar, Venezuela, Tel. 0058-289-416 07 18, www.peacevillages.org