Kolumne: Zippert reist

Kolumnist Hans Zippert wundert sich über den Umgang anderer Reisenden mit dem Koffer. Er fordert: Führerscheinpflicht für Rollkofferfahrer

Jeder Bewohner dieses Landes besitzt mindestens einen Koffer, doch die wenigsten wissen, wie man damit korrekt umgeht. Dabei muss man sich nur gewisse physikalische Gesetze klarmachen. Der leere Koffer ist mit einer bestimmten Menge Luft gefüllt. Viele glauben, es käme darauf an, die Luft durch möglichst viele Kleidungsstücke zu verdrängen, so dass sich am Ende kein Sauerstoff, aber viel Garderobe darin befindet. Das führt dazu, dass viele Kleidungsstücke unter Atemnot leiden und sehr schnell altern. Nicht umsonst sind Oberhemden und Blusen total faltig, wenn man sie aus dem Koffer zieht. Ein paar Minuten länger, und sie wären tot gewesen. Hier empfiehlt sich, den Koffer alle zwei Stunden kurz zu öffnen, damit die Kleidung Luft holen kann.

Hans Zippert
Hans Zippert
© Norbert Miguletz

Dringend notwendig erscheint auch die Einführung eines Kofferführerscheins, denn ihn unfallfrei durch Straßen, Flughäfen oder Bahnhöfe zu rangieren ist keine angeborene Fähigkeit, sondern Übungssache. Kaum jemand trägt seinen Koffer noch selbst, man zieht ihn für gewöhnlich hinter sich her. Und da beginnen die Probleme. Wer mit einem Anhänger am Straßenverkehr teilnehmen will, braucht eine Spezialgenehmigung, der Kofferzugmaschinist aber zerrt seinen Appendix führerschein- und gnadenlos durch Kleinkindergruppen und arglos fotografierende Japaner, schneidet älteren Damen den Weg ab oder verkeilt sich beim Überholen in den Rollkoffer eines anderen.

Das Manövrieren im überfüllten Großraumwagen will genauso gelernt sein wie das Verstauen in der Gepäckablage. Ein paar Runden auf dem Verkehrsübungsparcours könnten Wunder wirken, inklusive Rückwärtsein- und -auspacken und Anrollen am Berg.

Der Rollkofferführer ist ja nichts anderes als der Nachfahre des "Fußgängers mit Handkarren", der früher aus keinem Prüfungsbogen wegzudenken war und niemals Vorfahrt hatte. Deshalb ist er wahrscheinlich ausgestorben. Bevor man die Prüfung ablegen kann, sollte man übrigens lernen, welche Lärmbelästigung ein Rollkoffer darstellt. Der Klang seiner quietschenden Rollen auf nächtlichem Kopfsteinpflaster gehört zu den penetrantesten Ruhestörungen in der Großstadt, vor allem wenn zwei Minuten später noch eine schlaflose Nordic Walkerin über das Pflaster stöckelt. Beides zusammen könnte eine neue Trendsportart ergeben: Nordic Suitcasing.