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Bereits seit einiger Zeit setzt Kopenhagen gezielt auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit. Nun hat sich die dänische Hauptstadt ein hohes Ziel gesteckt: Bis 2025 will sie komplett CO2-neutral werden. Ein entscheidender Punkt hierbei ist die Radpolitik. Schon heute ist Kopenhagen als Fahrradstadt bekannt und in den kommenden Jahren soll die Zahl der Radfahrer und deren Komfort noch weiter steigen.
Räder soweit das Auge reicht
Setzt man den ersten Schritt vor den Kopenhagener Hauptbahnhof, kommt man nicht umhin, die beeindruckende Menge an Fahrrädern zu bemerken. Riesige Fahrradparkplätze an jeder Ecke, auf den Straßen sieht man mehr Räder als Autos – so der erste Eindruck. Und wirft man einen Blick auf die offiziellen Zahlen, trügt dieser nicht: Mehr als jeder dritte Kopenhagener fährt bereits mit dem Rad zu Arbeit, Schule, Ausbildung oder Universität. 1,2 Millionen Kilometer legen so alle Kopenhagener zusammen tagtäglich auf dem Fahrrad zurück. Selbst die Taxen teilen die Liebe zum Zweirad: Jedes Taxi hat einen Fahrradträger, um mindestens zwei Räder transportieren zu können.
Doch das reicht den fahrradverliebten Dänen noch lange nicht. Bis 2025 soll jeder zweite Weg mit dem Rad zurückgelegt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, scheut die Stadt weder Kosten noch Mühen. Es werden Fahrradparkplätze, Radwege und sogar Rad-Highways, die die Außenbezirke mit der Innenstadt verbinden, gebaut, grüne Wellen auf den Radwegen eingerichtet, öffentliche Luftpumpen aufgestellt und vieles mehr. Mit dieser Radstrategie soll der Komfort für Fahrradfahrer deutlich erhöht werden. Derzeit fehlt es vor allem noch an Fahrradparkplätzen und Radwegen, die abseits des Autoverkehrs verlaufen. Zwar fühlen sich die meisten Kopenhagener sicher auf den bestehenden Wegen, doch viele Eltern scheuen sich aus Angst vor Unfällen, ihre Kinder mit dem Rad allein zur Schule zu schicken. Das will die Stadtverwaltung ändern, indem der Rad- vom Autoverkehr nach und nach getrennt werden soll. Bis 2025 hofft man, die Zahl der Fahrradunfälle so um mehr als die Hälfte reduzieren zu können.
Räder leihen wie einen Einkaufswagen
In Sachen Fahrradpolitik ist die dänische Hauptstadt seit 1995 Vorreiter. Damals stellte Kopenhagen die ersten 1.000 Leihräder bereit. Bis heute hat sich die Zahl der Stadträder verdoppelt, die man an über 100 Stationen für ein Pfand von 30 Kronen leihen kann. Von Mai bis Dezember können Einwohner und Touristen die sogenannten "Bycykels" in der Stadt nutzen.
Die Räder wurden so konzipiert, dass sich kein Einzelteil an ein anderes Rad montieren lässt und sie damit für Diebe uninteressant sind. Durch die Einführung der Stadträder ist die Zahl der Fahrraddiebstähle tatsächlich deutlich gesunken. Bald sollen die alten Modelle durch neue ersetzt und um weitere 1.000 Räder aufgestockt werden. Das ist auch dringend notwendig, denn inzwischen gibt es mehr Abnehmer als Räder - so bekommt man nicht selten den Eindruck, die Leihstationen sind die einzigen Orte in ganz Kopenhagen, an denen kein Fahrrad steht.
Auf dem Rad-Highway in die Stadt
Der Hauptgrund, den Kopenhagener angeben, wenn man sie fragt, weshalb sie mit dem Rad fahren, ist nicht etwa Gesundheit, Umweltbewusstsein oder Geld – nein, sie fahren mit dem Rad, weil sie so schneller ans Ziel kommen. Damit das zukünftig auch für Radfahrer gilt, die in den Außenbezirken leben, eröffnete die Stadt Mitte April den ersten Fahrrad-Highway. Die "Cykelsuperstiers", wie sie in Kopenhagen genannt werden, sind so etwas wie Rad-Autobahnen, die die Vororte mit der Innenstadt verbinden. In den kommenden Jahren sollen auf insgesamt 300 Kilometern noch 25 weitere Rad-Highways folgen.
"Die Rad-Highways sollen den Kopenhagenern eine schnelle und komfortable Möglichkeit bieten, von den Außenbezirken in die Stadt zu gelangen", erzählt Kristine Liljenberg aus dem Büro für Cykelsuperstiers der Kopenhagener Stadtverwaltung. Mit echter Begeisterung zeigt sie Interessierten die 17,5 Kilometer lange Albertslund Route, die den Bahnhof Vesterport im Zentrum Kopenhagens mit Frederiksberg, Rødovre, Glostrup und Albertslund verbindet. "Damit man bei Regen auch schnell mal auf die Bahn ausweichen kann, wurde bei der Streckenführung darauf geachtet, dass sie an Bahnhöfen vorbeiführt", erklärt Liljenberg. An fünf Bahnhöfen gibt es zudem sogenannte "Bike Butlers", die dabei helfen, herausgesprungene Ketten wieder einzuhängen und zu ölen oder Luft in platte Reifen zu pumpen. Eigentlich sind die Bike Butler dafür da, falsch geparkte Fahrräder an vorgesehene Parkplätze umzustellen. Da man die Falschparker aber nicht verärgern möchte, gibt es den kostenlosen Service dazu.
Im Stadtzentrum erkennt man den Unterschied zu den in Kopenhagen ohnehin gut ausgebauten herkömmlichen Radwegen nur an der roten Linie, die den Highway über die gesamte Strecke kennzeichnet. Je weiter man aus der Stadt raus fährt, desto deutlicher werden die Vorzüge des Cykelsuperstiers: Der Weg wird breiter, führt weg von den befahrenen Straßen und wird immer seltener von Ampeln oder Hindernissen unterbrochen.
"Der Highway ist zweispurig, auf manchen Abschnitten verläuft er auch auf drei Spuren", erzählt Liljenberg. "Alle 1,6 Kilometer wurden Luftpumpen aufgebaut, damit man mit einem platten Reifen nicht liegen bleibt.“ Zum Komfort sollen außerdem Fußhalter an den Ampeln beitragen. Damit man nicht absteigen muss, wurden Trittbretter für die Füße am Rand der Radwege montiert. Zudem stehen an den Highways Mülleimer, die schräg angebracht wurden, sodass man den Müll einfach im Vorbeifahren hineinwerfen kann. Auch die Beleuchtung entlang der Highways sei ausgebaut worden, so Liljenberg, um das ganze Jahr über sicher Radfahren zu können. Manche Stellen, an denen besondere Gefahr für Unfälle durch Rechtsabbieger besteht, wurden sogar mit LED-Leuchten im Boden versehen, um Autofahrer auf die Radfahrer aufmerksam zu machen. "Im Winter wird auch auf den Radwegen Schnee geräumt, damit keine Gefahr durch Eis und Schnee entsteht", berichtet Liljenberg weiter.
"Die Albertslund Route wird nicht der einzige Rad-Highway bleiben, noch dieses Jahr ist die Eröffnung des nächsten Cykelsuperstiers geplant", sagt Liljenberg. Insgesamt rund 120 Millionen Euro wird die Umsetzung der Radstrategie kosten. Vergleichsweise wenig, wenn man bedenkt, dass der Bau eines Kilometers U-Bahnstrecke in Kopenhagen bereits mehr Geld beansprucht.
Und so stehen die Chancen gut, dass die Stadt, in der es schon heute mehr Fahrräder als Einwohner gibt, ihre Ziele für 2025 erreichen kann. Und es bleibt zu hoffen, dass sich so manche Stadt die eine oder andere Idee abguckt – wer hätte schließlich nicht gerne einen Bike Butler zur Seite, wenn die Kette mal wieder rausgesprungen ist?