Gefährlicher Lebensraum Zauneidechsen lieben Bahngleise – vor allem zum Schlafen

Bahngleise bieten Zauneidechsen einen idealen Lebensraum mit viel Abwechslung: In der Böschung und am Waldrand überwintern sie und legen ihre Eier ab, im Schotter finden sie Unterschlupf. Und im Sommer können sie sich auf dem Metall der Gleise wunderbar aufwärmen, wie dieses Männchen
Bahngleise bieten Zauneidechsen einen idealen Lebensraum mit viel Abwechslung: In der Böschung und am Waldrand überwintern sie und legen ihre Eier ab, im Schotter finden sie Unterschlupf. Und im Sommer können sie sich auf dem Metall der Gleise wunderbar aufwärmen, wie dieses Männchen
© Edwin Giesbers / Nature Picture Library
Die Bestände der Zauneidechsen gehen in Deutschland immer weiter zurück – aber ausgerechnet an Bahngleisen finden sie ein Paradies: mit viel Platz zum Sonnen und zum Verstecken

Normalerweise sind Bahnstrecken keine gute Erfindung für die Natur: Sie zerstören Lebensräume, trennen Populationen voneinander, und manchmal überfährt sogar ein Zug ein Tier. Aber eine Art macht ausgerechnet diesen gefährlichen Ort zu ihrem Zuhause: die Zauneidechse.

An den Bahnschienen finden Zauneidechsen, die bei uns bis zu 24 Zentimeter groß werden, ganz hervorragende Bedingungen: einen abwechslungsreichen Lebensraum mit viel Platz zum Sonnen und zum Verstecken. Der Mensch greift durch den Zugverkehr zwar in ihre natürliche Umgebung ein, aber die Zauneidechsen haben sich das einfach zunutze gemacht: Bahngleise sind mittlerweile wichtige Biotope für die Tiere, die dort sogar gehäuft auftreten.

Allerdings rattert eben auch immer mal ein Zug vorbei, oder ihre Bleibe wird von Bauarbeitern und Konstrukteurinnen aufgerissen. Eine Gruppe von Forschenden vom Museum für Naturkunde in Berlin, der Leuphana-Universität in Lüneburg und der Technischen Universität Darmstadt wollte deshalb herausfinden, wo genau sich die Tiere am liebsten aufhalten – damit man bei Baumaßnahmen darauf Rücksicht nehmen kann. Denn die Bestände der Zauneidechsen nehmen in Deutschland immer weiter ab.

Dafür statteten die Forschenden 70 Zauneidechsen an einer Bahntrasse in Neißemünde in Brandenburg mit winzigen Sendern aus. Gar nicht so einfach: "Die Sender dürfen zum Beispiel nicht über die Zauneidechse hinausragen, da sich die Tiere dann leicht damit in der dichten Vegetation verfangen", sagt Alina Janssen vom Museum für Naturkunde Berlin.  Am Ende haben die Forschenden eine gute Methode gefunden: Sie befestigten den Sender vorsichtig am Schwanz. Bis zu drei Wochen lang konnten sie so den Aufenthaltsort der Eidechsen überwachen. Danach fiel das Gerät von alleine ab.

Die Ergebnisse: Im Vergleich mit anderen Lebensräumen bleiben Zauneidechsen ihrem Standort am Gleis viel treuer – ihr Aktionsraum ist deutlich kleiner. "Manche Eidechsen bewegten sich wirklich nur wenige Meter entlang des Bahndamms", berichtet Mark-Oliver Rödel, Reptilienexperte am Museum für Naturkunde Berlin. Ob Männchen oder Weibchen, macht bei der Wahl des bevorzugten Aufenthalts keinen Unterschied.

Gut versteckt: Vor allem im Sommer schlafen Zauneidechsen gern im Schotter des Gleisbetts
Gut versteckt: Vor allem im Sommer schlafen Zauneidechsen gern im Schotter des Gleisbetts
© Urban Uebelhart / 500px / Getty Images

Vor allem im Sommer, wenn die Sonne das Gleisbett aufheizt, bleiben sie nah an der Bahnschiene. Sie schlafen sogar am liebsten im warmen Schotter. In kälteren Phasen, etwa im Frühling und Spätsommer, bevorzugen sie dagegen die Böschung oder den Waldrand neben den Gleisen zum Schlafen.

"An den Bahnstrecken haben die Zauneidechsen auf kleinem Raum alles, was sie über das Jahr hinweg benötigen: genügend Insekten als Nahrungsgrundlage, Versteck- und Schlafplätze, Orte zum Sonnen und Möglichkeiten für die Eiablage. Sie können also Energie sparen und müssen sich nicht über weite Strecken bewegen", so Reptilienexperte Rödel. Und das bietet noch einen weiteren Überlebensvorteil: "Dadurch sind sie auch weniger Gefahren durch Fressfeinde ausgesetzt."

Aus diesen Erkenntnissen haben die Forschenden Empfehlungen an die Bahn abgeleitet. Erstens: am besten keine Bauarbeiten am Gleis im Sommer. Und: Wenn man Zauneidechsen vor größeren Baumaßnahmen umsiedelt, wie es heute oft der Fall ist, dann bitte wieder an einen Ort mit vielen kleinen Steinen, zum Sonnenbaden und Schlafen. So, wie es die scheuen Tiere am liebsten haben.