Sie schnurren und maunzen, lassen sich streicheln und zwinkern uns zu: Kein Haustier ist hierzulande so beliebt wie die Katze. Nach Marktdaten des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe e.V. lebten im Jahr 2024 knapp 16 Millionen Stubentiger in den deutschen Wohnzimmern. Heute sind die Tiere weltweit bis in die entlegensten Regionen verbreitet. Geschätzt wird ihre globale Zahl auf etwa eine Milliarde.
Doch obgleich Katzen weltweit stark beliebt sind, finden sich in der Forschung noch viele weiße Flecken. Erst seit einigen Jahren entdeckt die Wissenschaft das Wesen der Katzen, stellt geltende Annahmen und hartnäckige Mythen immer häufiger infrage. So auch die Frage nach der Entwicklungsgeschichte der Hauskatze.
Neue Erkenntnisse zur Herkunft der Hauskatze
Archäologische Funde belegen zweifelsfrei, dass sich Katzen schon vor rund 10.000 Jahren dem Menschen anschlossen. Die Geschichte ihrer Domestikation, der Zeitpunkt und die Umstände ihrer Ausbreitung sind jedoch bis heute weitgehend ungeklärt. Dies ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass archäologische Funde von Katzen selten und das Zuordnen von Knochenfragmenten zur Wild- oder Haustierform schwierig ist.
Ein internationales Team von Archäogenetikerinnen und Archäogenetikern konnte nun etwas Licht ins Dunkel bringen. Wie Forschende jüngst im Fachmagazin "Science" berichteten, konnten sie mithilfe von Genanalysen nachweisen, dass die Hauskatze (wissenschaftlich Felis catus) nicht wie bislang angenommen vor 6000 bis 8000 Jahren mit jungsteinzeitlichen Bauern aus dem vorderen Orient nach Europa gelangte. Vielmehr wurden die Tiere erst mehrere Jahrtausende später, nämlich erst vor rund 2000 Jahren, nach Europa eingeführt – und zwar aus Nordafrika. Folglich bildete sich unsere heutige Hauskatze also wahrscheinlich in der Region des heutigen Ägypten heraus und gelangte dann auf dem Seeweg nach Europa und in übrige Teile der Welt.
Frühere Funde, die auf eine frühe Domestikation im Vorderen Orient und eine Ausbreitung nach Europa bereits im 10. Jahrtausend v. Chr. hindeuteten, lassen sich genetisch überwiegend europäischen Wildkatzen (wissenschaftlich Felis silvestris) zuordnen und gelten damit im Licht der neuesten Forschung als Fehldeutung.
"Die nordafrikanischen Wildkatzen haben sich aufgrund des reichhaltigen Angebots an Ratten und Mäusen oder Fischereiabfällen wohl dauerhaft in getreideanbauenden Siedlungen beziehungsweise in Hafenvierteln aufgehalten und sich so an die Nähe des Menschen gewöhnt. Wir vermuten daher, dass Wildkatzenpopulationen aus unterschiedlichen Regionen und Kulturkreisen Nordafrikas an dem komplexen Domestizierungsprozess beteiligt waren", sagt Professor Joris Peters vom Lehrstuhl für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der an der Studie mitgewirkt hat.
Archäogenetik entschlüsselt 11.000 Jahre Katzengeschichte
Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, analysierte das internationale Forschungsteam um den Biologen Claudio Ottoni von der römischen Universität Tor Vergata die DNA-Proben von 225 Katzen aus 97 archäologischen Fundstätten in Europa und dem Gebiet der heutigen Türkei. Aus diesen Proben konnten 70 antike Genome gewonnen werden, von denen die ältesten etwa 11.000 Jahre alt sind, ergänzt durch 17 Genome moderner Wildkatzen aus Südeuropa und Nordafrika.
Im Rahmen der Genanalyse konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem ein weiteres Rätsel lösen: die Herkunft der sardischen Wildkatze. Anders als bislang angenommen, handelt es sich bei ihr keineswegs um eine verwilderte Hauskatze. Stattdessen zeigten die neuen DNA-Analysen, dass die sardische Wildkatze ebenfalls auf ebenjene Wildexemplare zurückgeht, die im Schlepptau von Seefahrern vor 2000 Jahren aus Nordafrika mit dem Schiff nach Sardinien gelangten.
Dass mit dieser neuesten Studie die Forschung um die globale Entwicklungsgeschichte der Hauskatze noch nicht beendet ist, sondern das Feld für viele weitere Überlegungen und Fragen öffnet, das ist den Forschenden klar. "Eine der künftigen Forschungsaufgaben wird es sein, die Frühphase der Katzenhaltung in Nordafrika geografisch und zeitlich weiter einzugrenzen sowie die soziokulturellen und wirtschaftlichen Gründe zu klären, die zu ihrer Haustierwerdung und anschließend weltweiten Verbreitung geführt haben", so Joris Peters.