Unter Ozeanforschern gilt dieses einzigartige Labyrinth als eine der unbekanntesten und zugleich spannendsten Küstenregionen der Erde. Hier stoßen Meeresbiologen auf Lebensräume und Kreaturen, die bislang niemand für möglich gehalten hätte. Sie gewinnen beim Tauchen Erkenntnisse, die sonst nur aus der Tiefsee zu schöpfen wären. Und sie beweisen dabei immer wieder, wie fremd uns das Leben der Ozeane nach wie vor ist: nicht bloß im offenen Meer, sondern auch unmittelbar vor den Küsten.
Mehr als 1000 Arten haben die Forscher bereits an den Felsen der Fjorde gezählt, zwei- bis dreimal so viele, wie aus ähnlichen Unterwasserwelten in Norwegen oder Neuseeland bekannt sind. Jede zehnte Art war noch nie beschrieben worden. "Und dabei haben wir erst einen winzigen Teil Patagoniens überhaupt untersucht", sagt der Biologe Günter Försterra.
Eine einzigartig zerklüftete Küste
Die Küstenlinie des Archipels ist gewaltig; sie umfasst insgesamt mehr als 80.000 Kilometer - etwa ebenso viel wie Australien und Afrika zusammen. Auseinandergezogen würde sie zweimal den Globus umrunden. In jeder Bucht, jedem Fjord, jeder Spalte davon aber scheint sich die Vielfalt der Meeressiedler nochmals nach anderen Mustern zusammenzusetzen - gerade weil diese Küste so labyrinthisch verästelt ist.
Am meisten staunen die Meeresforscher über ein merkwürdiges Phänomen: Immer wieder begegnen sie an den Felswänden Arten, die zwar schon aus anderen Meeresregionenbeschrieben waren - dort aber nur in der Tiefsee vorkommen, mehr als 1000 Meter unter den Wellen. In den Fjorden von Patagonien hingegen nähern sich diese Geschöpfe, darunter Krebse, Anemonen, Schwämme, Korallen und Fische, bis auf wenige Meter der Oberfläche.
Es sieht ganz danach aus, als hätten die Biologen in Patagonien nicht bloß eine unbekannte, schillernde Unterwasserwelt aufgetan, sondern auch ein ideales Modell der Tiefsee. Einen seltenen Zugang zum weitaus größten, bedeutendsten und für Menschen zugleich am schwersten erreichbaren Lebensraum des Planeten.