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Artenschutz Studie: Weltweiter Handel mit Spinnen und Skorpionen außer Kontrolle

Wegen ihrer Färbung ist Birupes simoroxigorum bei Spinnenhalter*innen beliebt. Über ihre eigentliche Verbreitung und Lebensweise ist wenig bekannt
Wegen ihrer Färbung ist Birupes simoroxigorum bei Spinnenhalter*innen beliebt. Über ihre eigentliche Verbreitung und Lebensweise ist wenig bekannt
© Chien Lee
Es muss nicht immer Hund oder Katze sein: Bei vielen Menschen sind Skorpione, Taranteln oder Springspinnen als Haustiere beliebt. Wie aber wirkt sich der Handel mit den exotischen Spinnentieren auf die natürlichen Bestände aus?

Der weltweite Handel mit Spinnen und Skorpionen boomt: Über 1200 Arten werden einer aktuellen Analyse zufolge gehandelt, zumeist unkontrolliert und ohne dass Informationen über die Bestände der Tiere in der Natur vorliegen. Gut zwei Drittel der Millionen gehandelten Tiere sind vermutlich Wildfänge, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin "Communications Biology". Es brauche eine bessere Überwachung des Wildtierhandels, um nachteilige Auswirkungen auf die natürlichen Bestände zu vermeiden.

Der Handel mit Wildtieren gehöre zu den wesentlichen Triebkräften des weltweiten Artenverlusts, schreiben die Forschenden um Benjamin Marshall von der Suranaree University of Technology in Nakhon Ratchasima (Thailand). Für einige Arten seien die Auswirkungen des Handels zwar recht gut untersucht, wirbellose Tiere würden aber häufig übersehen - etwa Spinnen, Skorpione und andere Vertreter der Arachniden, der Spinnentiere.

Im Washingtoner Artenschutzabkommen (Cites), das den Handel mit gefährdeten freilebenden Tier- und Pflanzenarten regelt, seien nur sehr wenige terrestrische Wirbellose erfasst. Von den insgesamt 52.060 beschriebenen Spinnenarten seien es nur 39, von den 2348 Skorpionarten gerade mal eine, schreiben die Forscher weiter. Auch bei der Weltnaturschutzunion (IUCN), die die Rote Liste erstellt, ist demnach nur ein Bruchteil der Arten hinsichtlich ihrer Gefährdung bewertet.

Auf der anderen Seite seien exotische Spinnentiere für die Haltung in Terrarien sehr beliebt. Da sich viele Arten zudem vergleichsweise langsam vermehrten, seien sie besonders anfällig für die Folgen eines nicht-kontrollierten und nicht-nachhaltigen Handels.

Online-Handel: Viele Jungtiere werden per Post verschickt

Um das Ausmaß des Problems genauer zu erfassen, prüften die Wissenschaftler über eine Internetsuche, welche Arten online zum Verkauf angeboten werden. Zudem erfassten sie, welche Arten in offiziellen Quellen zum Handel mit Wildtieren auftauchten, zum einen in den Cites-Daten, zum anderen im Law Enforcement Management System (Lemis) – einer US-Datenbank, in der alle Importe von Wildtieren erfasst werden.

Insgesamt stießen sie in ihren Quellen auf 1264 gehandelte Arten, 993 davon (79 Prozent) fanden sie ausschließlich online und nicht in den Handels-Datenbanken. Vermutlich befeuere die Möglichkeit, Jungtiere und auch ausgewachsene Exemplare per Post verschicken zu können, den Online-Handel, schreiben die Forscher. Am häufigsten tauchten Spinnen mit 903 Arten in der Suche auf, gefolgt von Skorpionen mit 350 Arten und Geißelskorpionen mit 11 Arten. Von der Gruppe der Taranteln gelangten die Hälfte aller bekannten Arten in den Handel.

Kaum eine der gehandelten Arten tauchte in einer Rote Liste-Kategorie der IUCN auf – so waren 99,34 Prozent aller Spinnenarten und 99,9 Prozent der Skorpionarten nicht hinsichtlich ihrer Gefährdung bewertet. Zur Herkunft der Spinnentiere können die Wissenschaftler nur bedingt Aussagen treffen, weil entsprechende Angaben auf Online-Plattformen nicht erforderlich und wenig verlässlich seien. Einige Informationen entnahmen sie den Lemis-Daten zu den US-Importen. Demnach stammten im Schnitt gut 70 Prozent der importierten Tiere aus Wildfängen.

Zu den meistgehandelten Tieren gehören die Kaiserskorpione, von denen im Studienzeitraum 1 Million Exemplare importiert wurden, 77 Prozent aus Wildfängen. Von den Vogelspinnen der Gattung Grammostola, zu der die beliebte Rote Chile-Vogelspinne gehört, wurden 600.000 Individuen importiert, 89 Prozent aus Wildfängen. Arten, deren Handel über das Artenschutzabkommen geregelt ist, wurden häufig als "Importe von in Gefangenschaft gezüchteten Individuen" angegeben.

Herkunft wird oft verschleiert - um Handelsbeschränkungen zu umgehen

Eine weitere Auffälligkeit: Viele der bei Lemis registrierten Importe stammten aus Ländern, in denen die jeweiligen Tiere nicht heimisch sind. So sei etwa von der Hälfte aller angeblich aus Chile importierten Arten nicht bekannt, dass diese dort vorkommen. Das deute entweder auf mangelnde Kenntnis der Verbreitung einzelner Arten hin – oder auf die Verschleierung der Herkunft, um etwa strengere Handelsbeschränkungen einzelner Länder zu umgehen.

Insgesamt gebe es viele Wissenslücken, die eine Kontrolle des Handels erschweren und damit einen Schutz der natürlichen Bestände erleichtern würden, so das Fazit der Forscher. So seien viele Arten noch nicht wissenschaftlich beschrieben, ihre Lebensräume und ihre Verbreitung oft unbekannt. Zudem würden die Tiere oft unter ihren Trivialnamen gehandelt, unterscheidbar seien einzelne Arten oft nur von Fachleuten. Werden Arten neu beschrieben - in den vergangenen gut 20 Jahren waren es mehr als 17 000 Arachniden - gelangen sie oft innerhalb kurzer Zeit in den Handel.

Als Beispiel nennen die Wissenschaftler Birupes simoroxigorum: Als erste Bilder der damals noch nicht beschriebenen Vogelspinnen-Art mit den leuchtend blauen Beinen auftauchten, wurden diese genutzt, um die auf Borneo lebenden Tiere aufzuspüren. Sie wurden illegal exportiert, beschrieben und seien nun im Handel stark nachgefragt – obwohl über ihre natürliche Lebensweise fast nichts bekannt sei.

Anja Garms, dpa

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