Smarte Sechsbeiner Ameisen behandeln Pilzinfekte mit Wasserstoffperoxid aus Blattläusen

Pilzerkrankungen heilen Sklavenameisen mit Wasserstoffperoxid aus Blattläusen, berichten Forschende im Fachmagazin "Biology Letters"
Pilzerkrankungen heilen Sklavenameisen mit Wasserstoffperoxid aus Blattläusen, berichten Forschende im Fachmagazin "Biology Letters"
© OKAPIA KG, Germany | Jef Meul/OKAPIA / picture alliance
Hühnersuppe und Ingwertee bestimmte Nahrungsmittel können helfen, schneller mit einer Infektion fertig zu werden. Das ist auch bei Ameisen so, wie Forscher herausgefunden haben. Bei Pilzbefall setzen sie auf eine Blattlaus-Diät

Bei einer Pilzinfektion stellen manche Ameisen gezielt ihre Ernährung um. Sie entwickeln eine zeitweise Vorliebe für Blattläuse, die Wasserstoffperoxid enthalten, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Biology Letters". Wasserstoffperoxid hilft, Pilzinfektionen zu beseitigen und deren Ausbreitung zu stoppen. Die Blattlaus-Diät helfe allerdings nur bei insgesamt reichhaltiger, abwechslungsreicher Ernährung dabei, die krankheitsbedingte Sterblichkeit zu senken.

Ameisen sind wahre Superhelden: Sie können ein Vielfaches ihres Körpergewichtes tragen, sind begnadete Baumeister und leben in komplexen Sozialstaaten zusammen. Aufgrund ihrer Lebensweise sind sie allerdings auch besonders anfällig für Viren, Bakterien und Pilzpathogene: Ihr enges Zusammenleben in Kolonien mit mehreren Hundert oder gar Millionen Tieren begünstigt eine schnelle Ausbreitung von Erregern.

Wissenschaftler erforschen schon länger, welche Strategien und Mittel Ameisen entwickelt haben, um Infektionen einzudämmen. Dabei wurden bisher künstliche Futtermittel verwendet, wie es in der Studie heißt. Die natürlichen Quellen für von Ameisen verwendete Wirkstoffe blieben unklar.

Ameisen mischen Wasserstoffperoxid ihrer Nahrung bei

Bereits in früheren Studien hatten Wissenschaftler auf diese Weise gezeigt, dass die Ameisen Wasserstoffperoxid gezielt gegen Krankheitserreger einsetzen. Bei einer Pilzinfektion pimpen sie ihre hauptsächlich aus Nektar, Honigtau, kleineren Insekten sowie Kadavern bestehende Nahrung gezielt mit der Chemikalie auf. Die flüssige Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff wird unter anderem als Desinfektions – und Bleichmittel eingesetzt – und ist eigentlich giftig für die Tiere.

Bei Aufnahme in kleineren Mengen hilft die Substanz pilzbefallenen Ameisen aber beim Überleben, wie Laborexperimente ergaben. Demnach bevorzugten infizierte Tiere eine mit Wasserstoffperoxid versetzte Zuckerlösung und hatten in der Folge eine bessere Überlebenschance. In gesundem Zustand wurde die H2O2-Lösung zugunsten einer normalen Zuckerlösung eher verschmäht. In freier Natur entsteht Wasserstoffperoxid unter anderem bei Zersetzungsprozessen in Kadavern und totem Pflanzenmaterial, auch in Blattläusen kommt sie vor.

In der aktuellen Analyse infizierte das Team um Jason Rissanen von der Universität Graz Grauschwarze Sklavenameisen (Formica fusca), eine in Europa weit verbreitete Waldameisenart, mit Sporen des Insekten befallenden Pilzes Beauveria bassiana. Die Tiere bekamen Standardfutter mit verschieden hohem Anteil an zerkleinerten Blattläusen (Megoura viciae) angeboten. Erfasst wurde, wie sich die Wahl infizierter von der gesunder Tiere unterschied und welche Auswirkungen auf Genesung und Überlebensrate es gab.

"Wir konnten zeigen, dass Ameisen, die einem Pilzerreger ausgesetzt sind, ihre Suche nach mit Blattläusen angereicherter Nahrung verstärken, um so die Auswirkungen der Krankheit zu lindern", erläutern die Autoren. Besonders in der Hochphase der Infektion, der Zeit mit dem höchsten Sterberisiko, veränderte sich demnach die Vorliebe der Tiere. "Genau in diesem Zeitraum wechselten die Ameisen von der Kontrollnahrung zu der Nahrung mit einer hohen Konzentration an Blattläusen und Wasserstoffperoxid." Hatten die Insekten die Erkrankung überwunden, setzten sie die Arznei-Kost ab und kehrten zum üblichen Futter zurück.

Eine Ernährung ausschließlich mit der Blattlaus-reichen Mischung ließ die Kolonie allerdings dahinsiechen, wie weitere Experimente zeigten. Auch bei Ameisen sei abwechslungsreiche Ernährung offenbar wichtig, schließen die Forschenden.

Franca Krull