Er war gefürchtet, geliebt, bewundert, gehasst: Pablo Escobar, der größte Drogenhändler aller Zeiten baute Ende der 1970er Jahre ein milliardenschweres Kokain-Imperium auf. Den Großteil des weißen Golds ließ er in die USA schmuggeln, führte einen Krieg gegen den kolumbianischen Staat, opferte unzählige Menschenleben für seinen Profit.
Dass er 1991 verhaftet werden sollte, hatte Escobar zuvor mit der Regierung von Präsident César Gaviria vereinbart: Sein „Gefängnis“, ein Anwesen nahe der Großstadt Medellín, hatte er selbst bauen lassen. an die USA wurde er nicht ausgeliefert, sollte dafür acht Jahre lang in seiner luxuriösen Haftanstalt bleiben. Doch der Deal platzte: Als er Geschäftspartner umbringen lässt, will die Armee Escobar in ein echtes Gefängnis verlegen – der Drogenbaron flieht. Monate später erschießt ihn eine Eliteeinheit, als er versucht, aus einem Fenster auf ein benachbartes Gebäude zu springen.
Vier von Escobars Nilpferden blieben zurück
Das Leben Escobars ist bis heute Stoff für Mythen und Legenden, was auch an seinem exzentrischen Lebensstil liegt: Auf dem Höhepunkt seiner Macht besaß er Hubschrauber und Flugzeuge, Villen in Kolumbien und Florida. Auf seinem Anwesen “Hacienda Nápoles” - 63 Millionen Dollar hat allein das 3000 Hektar große Grundstück gekostet, das gut 100 Kilometer südöstlich von Medellín in einem weitläufigen Tal liegt - richtete er sich einen Privatzoo ein. Giraffen, Elefanten, Büffel, Antilopen und Nilpferde lebten hier.
Viele der Tiere wurden gestohlen, in Zoos gebracht oder getötet, nachdem Escobars Kartell hochging. Vier Nilpferde aber blieben und vermehrten sich rasant: Rund 100 der Tiere grasen heute rund um das ehemalige Anwesen Escobars und stellen die Wissenschaft 27 Jahre nach dem Tod ihres Importeurs vor grundlegende Fragen.
Denn Nilpferde gehören eigentlich nicht nach Kolumbien, dort sind sie nicht heimisch – sie gelten als invasive Art, die das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Diese, die Wissenschaft dominierende Sicht stellt ein Biologenteam in Frage. In einem Artikel im Proceedings of the National Academy of Sciences verteidigen sie die Hippos: Sie füllten eine ökologische Nische, die der Mensch erst aufgerissen hat, als er andere Großsäuger ausrottete.
Nilpferde könnten Funktionen von Riesenlamas erfüllen
Die Forscher verglichen die Spuren und Auswirkungen der Nilpferde mit denen ihrer ausgestorbenen Verwandten aus dem späten Pleistozän. Die Tiere könnten ein Ökosystem renaturieren, das einst von heute ausgestorbenen Großsäugern im Gleichgewicht gehalten wurde. Folglich könnten Escobars Nilpferde Kolumbiens Umwelt näher an ihren ursprünglichen Zustand zurückführen, sie würden die Funktionen von Riesenlamas und Notoungulatas erfüllen, weil sie sich sehr ähnlich ernähren wie ihre ausgestorbenen Verwandten.
Doch, was ist das, der „natürliche Zustand“ - und wann existierte er? Bevor der Mensch durch seine weltweite Expansion in den vergangenen 100.000 Jahren viele große Säugetiere ausgerottet hat? Oder als er angefangen hat, sich wissenschaftlich mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen und ihren Zustand zu dokumentieren?
Denn die Nilpferde bringen das momentan existierende Ökosystem, in dem sie angesiedelt wurden, durchaus aus dem Gleichgewicht: Ihre Extremente könnten Gewässer verunreinigen und zur Algenblüte führen. Zwar sind einige der Tiere in Zoos untergebracht oder kastriert worden, die Population der Escobarschen Nilpferde wächst jedoch immer weiter. Sie zurück nach Afrika zu bringen, ist für Forscher keine Option – zu hoch sei die Gefahr, dass sie Krankheiten einschleppen könnten.