Als 1986 das internationale Walfangmoratorium in Kraft trat, war Norwegen nicht dabei. Das Land betreibt seither ganz legal die international geächtete Jagd auf die Großsäuger - per Quote. So sollen in diesem Jahr 1278 Minkwale erlegt werden. Das Land hat damit, zumal seit Fotos und Videos von harpunierten und sterbenden Walen um die Welt gehen, ein Imageproblem.
Da kam den Skandinaviern eine technische Innovation gerade recht, mit der das Töten der Großsäuger "humaner" werden sollte: eine Harpune mit integrierter Granate. Das Geschoss dringt im Idealfall bis zu 30 Zentimeter in die Haut des Tieres ein, Widerhaken graben sich in das Walfleisch - und lösen eine Detonation aus. Die Schockwelle, so argumentieren Walfang-Befürworter, setzt sich bis zum Gehirn fort und tötet das Tier in Sekundenbruchteilen.
Die Granate ist schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Gebrauch, im Jahr 1999 kam eine verbesserte Version auf den Markt: mit dem Sprengstoff Penthrit statt des herkömmlichen Schwarzpulvers.
Viele Wale leiden minutenlang
Ein Report, den die norwegischen Behörden nun auf der jährlichen Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Florianópolis (Brasilien) vorlegten, soll diesen Fortschritt beim Tierschutz dokumentieren. Tatsächlich zeige das Dokument nur, so die Walschutz-Organisation Whales and Dolphin Conservation (WDC), wie grausam die sanften Riesen der Meere nach wie vor abgeschlachtet werden.
Der Bericht aus der Jagdsaison 2011/12 (neuere Daten liegen nicht vor) belegt, dass fast ein Fünftel der harpunierten Tiere bis zu 25 Minuten leiden, bevor der Tod eintritt. Bei den 49 Walen, die nicht sofort tot waren, dauerte der Todeskampf im Schnitt sechs Minuten.
Im Vergleich zur so genannten kalten Harpune ohne Sprengstoff sei die Explosivharpune tatsächlich ein Fortschritt, sagt Astrid Fuchs, Programmleiterin bei WDC. Denn Wale, die von einer traditionellen Harpune getroffen wurden, waren nur in 18 Prozent aller Fälle sofort tot. Doch einen nennenswerten Fortschritt durch den Einsatz der neuen Penthrit-Granate seit der Jahrtausendwende sieht die Walschützerin nicht.
"Die Rate des sofortigen Todeseintritts hat sich mit dem neuen Sprengstoff nur hauchdünn verbessert, zwischen den Jahren 2002 und 2012 von 80 auf 82 Prozent", sagt Astrid Fuchs.
Zudem gibt es laut WDC Zweifel an der Zuverlässigkeit der erhobenen Daten. So werden die Walfänger zwar von geschulten Beobachtern begleitet. Doch bei einem im aufgewühlten Wasser treibenden Wal sicher zu bestimmen, ob das Tier schon das Bewusstsein verloren hat oder der Tod eingetreten ist, sei nicht einfach, so Astrid Fuchs. Auch seien die Anzeichen dafür – etwa ein offenes Maul oder ausbleibendes Schwanzschlagen – umstritten.
Und noch etwas bereitet den Walschützern Sorgen: Auf der Konferenz in Brasilien wird Japan vorschlagen, das seit 1986 geltende Walfangmoratorium zu beenden – und den kommerziellen Walfang wieder zu erlauben. Einer der größten Erfolge für den internationalen Artenschutz steht damit auf dem Spiel. Zu den Unterstützern dieses Vorstoßes gehören: Norwegen und Island.