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Attributionsforschung Studie: Juli-Hitze ohne Klimawandel "praktisch unmöglich"

In Rom zogen sich viele Menschen während der größten Hitze in ihre kühlen Häuser zurück, nur die Sehenswürdigkeiten waren bei über 40 Grad gut besucht. Forschende führen die Hitzewelle auf den Klimawandel zurück
In Rom zogen sich viele Menschen während der größten Hitze in ihre kühlen Häuser zurück, nur die Sehenswürdigkeiten waren bei über 40 Grad gut besucht. Forschende führen die Hitzewelle auf den Klimawandel zurück
© Oliver Weiken/dpa
Ist der menschengemachte Klimawandel verantwortlich für die Hitzewelle der vergangenen Wochen? Zu großen Teilen, berechnen Forschende - in Südeuropa und Nordamerika wäre die Extremhitze ohne den Einfluss des Klimawandels praktisch nicht möglich gewesen. Und die Projektionen zeigen: Das ist erst der Anfang

Wir erleben einen Juli der Temperaturrekorde: Kaum ist ein neuer globaler Hitzerekord ausgerufen, wird er schon von noch höheren Temperaturen überboten. Vor allem in Südeuropa, den USA und Mexiko, im Nahen Osten und in China stöhnten und stöhnen die Menschen noch immer bei Temperaturen jenseits der 40-Grad-Marke, mussten vereinzelt gar Temperaturen von bis zu 50 Grad ertragen. Während in Sizilien Hunderttausende ohne Wasser und Strom auskommen mussten, weil die Hitze unterirdische Leitungen beschädigte, posierten Reisende im kalifornischen Death Valley vor Temperaturanzeigen, die nicht weniger als 56 Grad Celsius anzeigten. Und während sich die Menschen in den Südstaaten der USA vor der Hitze in kühle Kirchen flüchteten, wurden Tausende Pilger im Nahen Osten wegen Hitzschlag und Erschöpfung behandelt. Der Verdacht liegt nahe: Dieser Sommer ist nicht einfach einer jenen warmen Sommer, die es auch in der Vergangenheit immer wieder gab. Dieser Sommer ist anders.

Das bestätigt jetzt auch ein wissenschaftlicher Bericht der "World Weather Attribution", die sich mit der Zuschreibung von Extremwetterereignissen beschäftigt – die also berechnet, wie wahrscheinlich das Auftreten und die Intensität eines Ereignisses auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Das Ergebnis: Die Hitzewelle in Südeuropa, den USA und Mexiko wäre ohne den menschengemachten Klimawandel "praktisch unmöglich" gewesen, schreiben die Forschenden um die deutsche Physikerin und Klimatologin Friederike Otto. Andernorts wäre eine solche Hitzewelle ohne den Klimawandel zumindest extrem selten, in China etwa käme sie nur alle 250 Jahre vor.

Doch durch die Verbrennung fossiler Energieträger bestätigt sich nun, was Klimaprojektionen und der Weltklimarat schon lange prophezeien: Starke Hitzewellen nehmen zu. "In Nordamerika, Europa und China sind Hitzewellen in den letzten Jahren als Folge des menschengemachten Klimawandels immer häufiger aufgetreten, so dass die aktuellen Hitzewellen unter den heutigen klimatischen Bedingungen keine Seltenheit sind", schreiben die Forschenden. In China müsse man künftig alle fünf Jahre mit einer solchen Hitzewelle rechnen, in Südeuropa alle zehn Jahre und in den USA alle 15 Jahre. Die Hitzewellen werden nicht nur häufiger, sie werden auch heißer: In Südeuropa etwa steigt die Temperatur während einer Hitzewelle durch den Klimawandel um 2,5 Grad Celsius. Zwar trägt in diesem Jahr auch das Wetterphänomen El Niño zu den hohen Temperaturen bei, seinen Einfluss halten die Forschenden aber für gering im Vergleich zum Temperaturanstieg durch den Klimawandel.

Starke Hitzewellen alle zwei bis fünf Jahre möglich

Da der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen nach wie vor nicht zurückgeht, könnten die Hitzewellen der Zukunft sogar noch extremer ausfallen. "Wenn die Welt nicht schnell aufhört, fossile Brennstoffe zu verbrennen, werden diese Ereignisse noch häufiger auftreten, und die Welt wird Hitzewellen erleben, die noch heißer sind und länger dauern", warnen die Forschenden: "Eine Hitzewelle wie die jüngste würde in einer Welt, die 2 Grad wärmer ist als im vorindustriellen Klima, alle zwei bis fünf Jahre auftreten."

Wie viele Menschenleben die Hitzewelle in diesem Juli gekostet ist, ist noch unklar. Zu kurz liegt die Hitzewelle zurück, zu lückenhaft sind in vielen Ländern die Aufzeichnungen über Hitzetote. Klar ist aber: Hitze gehört zu den tödlichsten Naturgewalten. Allein in Europa forderte sie im vergangenen Jahr mehr als 60 000 Todesopfer. Die Autorinnen und Autoren der Studie fordern daher die schnellere Einführung von Hitzeaktionsplänen, um die hitzebedingte Sterblichkeit zu senken.

Dass der Einfluss des Klimawandels auf ein Extremwetterereignis derart schnell berechnet werden kann, ist ungewöhnlich. Bis eine Studie von Fachleuten überprüft wird, dauert es üblicherweise Monate. Die "World Weather Attribution" hat sich allerdings auf schnelle Berichte zu aktuellen Ereignissen spezialisiert und nutzt dazu wissenschaftlich überprüfte und standardisierte Methoden. Zur Berechnung der aktuellen Studie verwendeten die Forschenden mehr als ein Dutzend Klimamodelle, um die gemessenen realen Temperaturen mit Projektionen einer Welt ohne den vom Menschen verursachten Klimawandel zu vergleichen.

Generell berechnet die Attributionsforschung mithilfe von Klimamodellen und statistischen Schätzungen, wie häufig ein bestimmtes Wetterereignis in der vorindustriellen Zeit ohne Einfluss des Menschen zu erwarten gewesen wäre. In einem zweiten Schritt wird dann die Häufigkeit dieses Ereignisses unter dem menschlichen Einfluss berechnet – und so die prozentuale Verantwortung des Menschen für ein bestimmtes Extremwetterereignis.

Prinzipiell ist es schwierig, ein einzelnes Extremwetterereignis dem Klimawandel zuzuordnen, sagt der Attributionsforscher und Klimaphysiker Reto Knutti von der ETH Zürich – es hätte theoretisch auch ohne den Klimawandel stattfinden können. "Irgendwann kommt man aber an einen Punkt – und da sind wir inzwischen teilweise bei den Starkregen und Hitzewellen – an dem man sagen muss: Ein derartiges Ereignis hätte in einem vorindustriellen Klima eigentlich nicht stattfinden können, das ist praktisch unmöglich, die Wahrscheinlichkeit nahe Null. Damit kann man dann in gewissem Sinne sagen, dass zu fast hundert Prozent der Klimawandel schuld ist."

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