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Amazonas Bolsonaros "alternative Wahrheit" über den Regenwald

Schlammige Fluten: ein Satellitenbild des Amazonas-Deltas  © contains modified Copernicus Sentinel data (2017), processed by ESA, CC BY-SA 3.0 IGO
Schlammige Fluten: ein Satellitenbild des Amazonas-Deltas
© contains modified Copernicus Sentinel data (2017), processed by ESA, CC BY-SA 3.0 IGO
Forscherinnen haben untersucht, wie der brasilianische Präsident die Wissenschaft diskreditiert – und seine Erzählung vom Wald als Wachstumsmotor voranbringt

Der Amazonas-Regenwald ist als gigantischer CO2-Speicher ein entscheidender Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Und auch als Hotspot der Biodiversität kommt dem Gebiet eine überragende Bedeutung zu. Um so wichtiger, dass Abholzungen, legale wie illegale, dokumentiert werden – zum Beispiel durch Satellitenaufnahmen. Doch seit der rechtspopulistische Jair Bolsonaro im Jahr 2019 an die Macht kam, nimmt die Abholzung dieses wertvollsten Lebensraums der Erde wieder zu. Obwohl die Satellitenüberwachung weiterläuft.

Forscherinnen vom IASS Potsdam und der Universität São Paulo haben dafür nun eine Erklärung gefunden. Wie die Autor*innen in der Zeitschrift "Earth System Governance" berichten, folgte auf eine Phase der Transparenz beim Thema Entwaldung nun eine "Hypertransparenz": In großer Regelmäßigkeit, so Maria Cecilia Olivera vom IASS, forderten nun "Gegenaktivisten" so genannte Audits, in denen Satellitendaten und Bilder angezweifelt werden. "Damit suggerieren sie, dass den Bildern nicht zu trauen sei", sagt Oliveira. Das Ziel dieser Praxis sei offenbar, die Öffentlichkeit im Hinblick auf die Entwaldung zu verwirren.

Zudem würden über lange Jahre aufgebaute Strukturen, um die Abholzung sichtbar zu machen und zu kontrollieren, zunehmend demontiert, sagt Oliveira.

Waldverlust: Gut dokumentiert und trotzdem umstritten

Etwa seit den 1980er Jahren wird der Zustand des brasilianischen Regenwalds mithilfe von Satellitenbildern des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) überwacht. Verschiedene Regierungen gaben den Umweltbehörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen damit wichtige Informationen für ihre Arbeit zum Schutz des Waldes an die Hand. Mit Erfolg: Zwischen 2003 und 2011, in der Regierungszeit des Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, gelang es, die Entwaldung im Amazonasgebiet deutlich zu verlangsamen.

Als Präsident Jair Bolsonaro 2019 an die Macht kam, begann sich das Blatt zu wenden. Nun beschuldigte die Regierung Forschende, mit Umwelt-NGOs gemeinsame Sache zu machen – angeblich, um dem Land, der Regierung und der Wirtschaft zu schaden. Später kürzte Bolsonaros Regierung dem Nationalen Instituts für Weltraumforschung ein Drittel seines Etats.

Während das Amazonasgebiet bis vor drei Jahren noch als Schutzgebiet gegolten habe, von dem nur ein begrenzter Teil nachhaltig entwickelt werden müsse, setze sich nun immer mehr die ökonomische Sichtweise durch, so die Autorinnen. Demnach ist der Amazonas vor allem eine wichtige Ressource für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Und die rechtfertigt auch die Entwaldung.

Während Bolsonaro sich auf der Klimakonferenz COP26 in Glasgow öffentlichkeitswirksam einer Initiative zum Stopp der Entwaldung bis 2030 anschloss, schritt der Waldverlust in seinem Land mit Rekordwerten weiter voran. Allein im Januar 2022 gingen im Amazonasgebiet 360 Quadratkilometer Wald verloren: So viel wie in keinem Monat seit 2015.

Bolsonaro kann bei seiner neuen Erzählung vom Regenwald auf mächtige Unterstützer und Profiteure zählen: Laut Oliveira helfen dem Regierungschef "neu ermächtigte Gruppen wie das Militär, Klimawandelleugner, rechtsextreme Aktivisten, die Agrarindustrie und rohstofffördernde Privatunternehmen", eine "alternative Wahrheit" über die Entwaldung zu verbreiten.

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