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Anthropozän Vom Menschen hergestellte Produkte übertreffen wohl erstmals gesamte Biomasse

Blick auf die Erde
Aus dem All betrachtet, zeigt sich das Ausmaß der menschlichen Besiedlung auf der Erde besonders eindrucksvoll
© Anton Balazh - Shutterstock
Gebäude, Straßen, Maschinen, industriell gefertigte Materialien - im Jahr 2020 könnte die Masse all dieser vom Menschen produzierten Dinge die Masse aller Lebewesen auf unserem Planeten übertreffen. Wissenschaftler sehen darin einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte

Dass der Mensch den Planeten so rasant verändert, wie kein anderes Lebewesen vor ihm, ist kein Geheimnis. Viele sprechen schon jetzt vom Anthropozän – dem Zeitalter des Menschen. Was das für unsere Erde bedeutet, verdeutlichen Einschätzungen israelischer Forscher vom Weizmann Institute of Science in Rechovot.

Die Masse alles anthropogenen Materials könnte zum ersten Mal in der Geschichte des Planeten die gesamte Biomasse der Erde übertreffen, so das schockierende Ergebnis ihrer neuen Studie, die Wissenschaftler im Dezember 2020 im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichten.

Mit anderen Worten: Seit diesem Jahr existieren auf der Erde in Masse mehr vom Menschen produzierte Gegenstände - vom Knopf bis zum Fusionskraftwerk - als Pflanzen, Tiere und andere Lebewesen.

Betrachte man allein die Masse allen Plastiks auf der Erde, so sei diese bereits größer als die Masse aller Land- und Wassertiere zusammen. Es sind Einschätzungen wie diese, die Menschen weltweit aufhorchen lassen.

Forscher sehen den Planeten am Scheideweg

Den Wissenschaftlern zufolge habe sich die Masse der menschgemachten Dinge seit 1900 etwa alle 20 Jahre verdoppelt. Während anthropogene Materialien noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Vergleich zur Biomasse nur etwa drei Prozent ausmachten, könnten sie die Biomasse im Jahr 2020 erstmals übersteigen.

Schätzungen der israelischen Wissenschaftler zufolge wächst die anthropogene Masse immer schneller an: Gegenwärtig werden jährlich mehr als 30 Gigatonnen produziert. Umgerechnet bedeute dies, so die Forscher, dass pro Woche für jeden Menschen weltweit Dinge produziert werden, die in etwa seinem Körpergewicht entsprechen.

Auf der anderen Seite habe sich das Trockengewicht der Biomasse (also ohne das in ihr enthaltene Wasser) seit 1900 rasant verringert - von etwa zwei Teratonnen auf gegenwärtig etwa eine Teratonne - so das Ergebnis der Studie. Als Biomasse bezeichnen die Forscher, alles was lebt - also Pflanzen und Tiere, aber auch Pilze und Bakterien.

Gründe für diesen Rückgang seien vor allem Eingriffe des Menschen in die Ökosysteme, zum Beispiel durch die landwirtschaftliche Nutzung von Böden und durch die zunehmende Entwaldung großer Flächen.

Die wachsende Produktion anthropogenen Materials habe zu einer Verschiebung des Gleichgewichts auf der Erde geführt, schreiben die israelischen Forscher in ihrem Bericht.

Sie betonen aber auch: Den exakten Zeitpunkt zu bestimmten, an dem die menschengemachte Masse die Biomasse der Erde überschreite, sei ausgesprochen schwer. Ihre Einschätzung habe daher eine Unsicherheit von plus oder minus sechs Jahren.

Die Entwicklung der Dominanz anthropogener Strukturen auf der Erde sei dadurch aber nicht mehr aufzuhalten: Halte der aktuelle Trend an, so könnte die anthropogen erzeugte Masse bis zum Jahr 2040 die globale Biomasse um das Dreifache übertreffen, mahnen die Forscher.

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