Not macht erfinderisch — und rabiat; sogar die scheinbar so friedlichen Pflanzen. Dass sie immer nur schicksalsergeben die Sonnenernergie nutzen, um organische Baustoffe zu bilden, gilt für eine Gruppe von Gewächsen nicht: die fleischfressenden Pflanzen oder Karnivoren. Sie sind die Jäger unter den Gewächsen.
Ihre Fähigkeit, sich zusätzliche Leckerbissen einzuverleiben, benutzen sie, um auf sehr nährstoffarmen Böden wachsen zu können. Dabei gehen sie auf raffinierte, fast hinterhältige Weise vor. Das bei uns heimische Gemeine Fettkraut etwa, das auf moosigen Tuffhängen, Flach- oder Hangmooren gedeiht, hat für die Jagd auf Beute spezielle dickfleischige Fangblätter hervorgebracht. Deren Oberseite ist mit zwei Typen von Drüsen ausgestattet. Der eine Typ scheidet einen klebrigen Schleim ab, der die Blätter fettig glänzen lässt. Dieser Glanz lockt vermutlich kleine Insekten an, die am Klebefilm haften bleiben.
Die Beute — zum Beispiel eine Mücke oder Ameise — kommt dann mit der zweiten Sorte von Drüsen in Kontakt, die daraufhin einen enzymhaltigen Verdauungssaft absondern. Dieser Saft zersetzt das Tier schließlich, und das Fettkraut nimmt den Fleischsaft in sich auf. Beim Verdauungs- vorgang rollen sich die Blätter zudem vom Rand her allmählich ein, damit der Fang mit noch mehr Drüsen in Kontakt kommt — 40000 pro Blatt sind keine Seltenheit.
Die abgesonderten Verdauungsenzyme sind denen von Tieren übrigens sehr ähnlich. So kommt es, dass man früher für die Herstellung von Käse neben dem Enzym Lab aus Kälbermägen auch die Blätter des Fettkrauts verwendet hat.
Und in Norskandinavien macht man sich die Kraft der krautigen Pflanze mancherorts bis heute zunutze: für die Produktion bestimmter Sauermilchprodukte wie der sämig mild schmeckenden Schwedenmilch.