Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Freitagnacht im tiefen Wald. In der Ferne scheint ein grelles Licht. Eine Gruppe Kinder und Erwachsene hat gerade einen Großen Abendsegler bestaunt, der den Fledermausexperten ins Netz gegangen war und ist nun auf dem Weg zu einer nahegelegenen Nachtfalterleuchtstelle am Wegesrand. Als die Gruppe näherkommt, bietet sich ihnen ein ganz besonderes Spektakel: Unter dem Schein einer Lampe schwirrt eine große Menge Käfer, Zikaden und Nachtfalter wild umher - kleine und große, graue und bunte. Zur besseren Sichtbarkeit ist unter der Lampe ein weißes Tuch gespannt. Davor sitzt Experte Jörg Gelbrecht, der ebenso wie das Tuch übersät ist von Insekten. Er bestimmt eine Art nach der anderen und beantwortet geduldig die Fragen der begeisterten Zuschauer: "Dieser große rote Falter, wie nennt man den?"
Auch am Tag danach, in der prallen Sonne, können insgesamt 250 Schmetterlingsarten nachgewiesen werden, darunter bedrohte Arten wie der Baldrian-Scheckenfalter Euphydryas aurinia, der Rispenfalter Lasiommata maera, der Goldene Scheckenfalter Euphydryas aurinia, der Violette Feuerfalter Lycaena helle und der Große Feuerfalter Lycaena dispar, der auf der Roten Liste Brandenburgs gelistet beziehungsweise als bedrohte Arten der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) geführt sind.
Unter den insgesamt 20 Fischarten, die im Tieflandbach mit seinen reichen Wasserpflanzenbeständen bilanziert werden, entdecken die Forscher zwei bedrohte Arten der FFH-Richtlinie: den Steinbeißer Cobitis taenia und den Schlammpeitzger Misgurnus fossilis. Im Bereich der Höheren Pflanzen gehören die Sibirische Schwertlilie Iris sibirica und das zu den Orchideen zählende Breitblättrige und Steifblättrige Knabenkraut Dactylorhiza majalis und Dactylorhiza incarnata zu den gefährdeten Arten.
Voraussetzung für das Vorkommen solcher seltenen Arten sind naturnahe, gewässerbegleitende Niedermoore, aber auch landschaftspflegerische Maßnahmen. Beides ist im Löcknitztal gegeben: Das Niedermoorgebiet wird fast in seiner gesamten Länge von Wald umschlossen, fern von landwirtschaftlicher Nutzung, und nur Teile des Tals sind für Wanderer zugänglich. Damit die Mähwiesenbereiche erhalten bleiben und nicht vom Wald eingenommen werden, entfernen die Mitglieder der IG Löcknitztal seit den 1970er Jahren in mühseliger und ehrenamtlicher Arbeit Büsche und Bäume und mähen von Zeit zu Zeit die Wiesen. Voller Stolz zeigen sie den Besuchern ihren "Amazonas". Und tatsächlich fühlt man sich an manchen Stellen in eine andere Welt versetzt.
Das Ergebnis des inzwischen 13. GEO-Tags der Artenvielfalt, den GEO gemeinsam mit dem IGB, dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, organisierte, kann sich sehen lassen: Es ist den Forschern gelungen, die biologische Vielfalt in naturnahen Binnengewässern und den angrenzenden Lebensräumen sichtbar zu machen. Mit großer Begeisterung haben die Experten vielen interessierten Besuchern ihr Wissen vermittelt und so konnten sie manch einem die Augen öffnen für die Schönheit und Vielfalt der Arten in ihrer unmittelbaren Umgebung. Oder, wie Asselexperte Christian Schmidt es formuliert: "Man muss lernen, zu sehen."