Heute ist ja alles smart. Oder intelligent. Sogar Dinge, denen man gar kein Reflektionsvermögen zugetraut hätte: Autos, Tarife, Handys, Apps ... Einspruch hört man selten. Doch nun meldet sich der Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer zu Wort - mit einer privaten Hitliste "dummer" Dinge. Darunter finden sich nicht nur Errungenschaften smarter Technologie, sondern überraschenderweise auch alte Bekannte: etwa Dusche, Einbauschloss und Lichtschalter.
Natürlich weiß Schmidbauer, dass Dinge nicht dumm sein können. Sondern höchstens Menschen, die diese Dinge schaffen, verkaufen und nutzen (wenn auch meist nicht allzu lang). Die Rede vom dummen Ding versteht er darum auch eher als Anregung zum Nachdenken.
Mehr Bequemlichkeit, weniger Autonomie
"Die Dinge, mit denen wir uns umgeben", schreibt Schmidbauer in seinem einleitenden Essay, "schwächen unsere Möglichkeiten, einsichtig zu handeln, gesund zu bleiben und unsere Intelligenz zu trainieren. Das ist vor allem für Kinder verhängnisvoll, führt aber auch beim erwachsenen Konsumenten dazu, dass seine Fähigkeiten abnehmen, Versagungen aktiv anzugehen und nicht darauf zu vertrauen, dass Waren ihm Kreativität, Einsicht und handwerkliche Fertigkeiten ersetzen können."
Schmidbauers Enzyklopädie zeigt auf, mit welchen Hilfsmitteln wir im Alltag Verantwortung abgeben, uns Einsicht und Kreativität ersparen, Machtgefühlen frönen, es uns bequem machen. Auf Kosten anderer, auf Kosten der Umwelt.
PS-Protze dienen auch unseren Machtphantasien
Das Auto, zum Beispiel: Schnell, stark, sicher, schön, selbsteinparkend und auch noch verbrauchsarm - das muss es schon sein. "Das Auto mobilisiert eine enorme Erfindungskraft, aber diese Erfindungskraft wird von einem egoistischen Tyrannen gelenkt, der für alles blind ist, was nicht zu seinem rauschhaften Verlangen nach Macht und Kraft, Sicherheit und Bequemlichkeit passt", analysiert Schmidbauer.
Mit dem Auto haben viele der übrigen Dinge seiner Enzyklopädie gemeinsam, dass sie handwerkliche Fähigkeiten verkümmern lassen, die noch vor wenigen Jahrzehnten selbstverständlich waren. Sie lassen sich nicht oder nur schwer öffnen und selbst reparieren. Sie gehen (meist erstaunlich früh) kaputt, ohne dass wir auch nur verstanden hätten, wo eigentlich der Fehler liegt. Sie müssen ersetzt werden - am besten durch immer "bessere" Versionen, die noch mehr können, noch mehr Macht, Sicherheit und Bequemlichkeit versprechen. "In der Konsumgesellschaft", schreibt Schmidbauer, "wird Technik systematisch benützt, um süchtig zu machen; kommerziell erfolgreiche Waren beruhen weitgehend auf solchen Mechanismen."
Der Psychotherapeut als Designer
Der Psychotherapeut legt nicht nur den Finger in die Wunden unserer Konsumgesellschaft. Sein Buch ist zugleich ein Plädoyer für kluge Dinge. "Wir bräuchten Güter, die unseren kritischen Bezug zur Wirklichkeit verbessern, die uns vernünftige Verhältnisse zwischen Aufwand und Ertrag sinnfällig machen", schreibt Schmidbauer. Und er räsoniert nicht nur, er macht auch konkrete Lösungsvorschläge.
Einmal schrieb er an einen großen Autohersteller. Es war ein Vorschlag für das Auto der Zukunft. Ein neuer Volkswagen, den jeder selbst reparieren kann, der leicht ist und kraftstoffsparend fährt, dessen Teile recycel- und austauschbar sind. Aber davon wollte der Hersteller lieber nichts wissen.
Wolfgang Schmidbauer: Enzyklopädie der Dummen Dinge, oekom verlag, 2015, 240 Seiten, 17,95 Euro