Faktencheck Von Saatgut bis Baumpflege: Diese fünf Gartenirrtümer halten sich hartnäckig

Nach einer Kronenkappung wird diese ehemals imposante Trauerweide jeden Frühling geschnitten, um eine "Kopfweide" aus ihr zu machen – laut Autorin Susanne Maria Emka ein sinnfreies und unfachliches Unterfangen
Nach einer Kronenkappung wird diese ehemals imposante Trauerweide jeden Frühling geschnitten, um eine "Kopfweide" aus ihr zu machen – laut Autorin Susanne Maria Emka ein sinnfreies und unfachliches Unterfangen
©  Susanne Maria Emka
Bäume kann man einfach kappen, für Bienen gibt es Saatgutmischungen und der Schottergarten-Rückbau ist zu aufwendig? Die Autorin Susanne Maria Emka räumt mit gängigen Mythen auf

Der nachfolgende Text stammt aus Susanne Maria Emkas Buch "111 Gartenmythen, die auf den Kompost gehören", 2025 im Emons Verlag erschienen, online auch bei Thalia oder Amazon erhältlich.

1. "Der treibt wieder aus"

"Meine Leiter ist sechs Meter lang. Höher dürfen auch die Bäume nicht werden!" Das ist die Begründung eines Rentners dafür, dass er seine Bäume kappt – alle zehn. Ein Einzelfall? Leider nein. Baumsachverständige erleben diesen Irrsinn beinahe täglich in ihrer Arbeitspraxis. […] Für den Beruf des Baumpflegers gibt es keine einheitlichen Ausbildungsstandards. Nicht jeder Fachmann ist tatsächlich einer. "Der treibt wieder aus!" In vielen Fällen stimmt das – es ist allerdings kein Anzeichen für Vitalität, sondern für massiven Stress.

Dass eine Baumkappung im Prinzip einer Fällung gleichkommt, da sie den Tod auf Raten bedeutet, wird oft verdrängt oder willentlich in Kauf genommen. Die Argumentation lautet in den meisten Fällen: "Das tut dem nix. Der ist doch noch grün! Ich mach das seit Jahren so."

Manche vom Menschen verkrüppelten Bäume stehen sicher noch Jahre. Sie bilden seitlich neue "Kronen" aus, die zusätzlich zu statischen Problemen führen und unabsehbare Folgekosten mit sich bringen. Das Schicksal eines solchen Baumes ist besiegelt, denn das Eindringen von Pilz-Erregern durch Baumverletzungen – egal, ob an Krone, Stamm oder Wurzeln – ist lediglich eine Frage der Zeit. Dann wird es nicht nur richtig teuer, sondern auch gefährlich.

2. Landgarten schlägt Stadtgarten

Auf dem Land gibt es mehr "Natur". Davon gehen wohl die meisten Menschen aus. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest: Es leben erstaunlich viele Wildtiere und -pflanzen im urbanen Raum. Hier zeigt sich eine paradoxe Entwicklung: Einerseits bedroht die zunehmende Verstädterung weltweit ökologische Vielfalt. Andererseits dienen Parks, Friedhöfe und andere strukturreiche Grünflächen als (Ersatz-)Lebensraum für jene Biotope, die vor allem durch intensive Landwirtschaft im Schwinden begriffen sind. So können Tiere, die an Gebäuden leben, wie etwa Hausrotschwanz, Haussperling oder Zwergfledermaus, vom städtischen Umfeld profitieren – sofern sie genügend Ritzen und Nischen vorfinden. Wertvolles Totholz gibt es in einem Stadtwald unter Umständen mehr als in einem intensiv genutzten Wirtschaftswald. Greifvögel wiederum profitieren von hohen Gebäuden und der Vielzahl der Stadttauben.

Wildtiere besiedeln nicht nur Gärten, Parks, und (sinnvoll angelegte) Verkehrsinseln, sondern auch Straßen- und Wegränder, Mauernischen, Industriebrachen, Baustellen und Gleisanlagen.

Ein Stadtgarten kann bei entsprechender Gestaltung ein belebtes Refugium für Wildtiere sein. Natürlich beeinflusst die Umgebung das Leben in unserem Garten. Grenzt dieser an eine gewässerreiche Landschaft, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bergmolch darin auftaucht, deutlich größer als auf einem Dachgarten in der Frankfurter Innenstadt. Dennoch steht fest, dass ein naturnah gestalteter Doppelhausgarten in urbaner Umgebung mehr Arten beherbergen kann als ein Rollrasengrundstück vielfacher Größe in ländlichem Umfeld.

3. Alle Steine müssen weg

Die Landesbauordnungen geben vor, dass unbebaute Flächen zu begrünen und versickerungsfreundlich zu gestalten sind. Was tun, wenn man einen Schottergarten vor der Tür hat? Alle Steine entsorgen?

Es gibt die Möglichkeit, den Schotter weiter zu nutzen und ihn mit Pflanzen und Tieren zu besiedeln. Allerdings erfordert dies eine Ergänzung um einen Feinkornanteil und die Zugabe von Kompost. So lässt sich ein lebensfeindliches Schotterbeet in einen pflegearmen und ökologisch wertvollen Trockenstandort umwandeln. Optimalerweise wurden weder Vlies noch Kunststofffolie verbaut. Ist dies doch der Fall, muss die Trennschicht entfernt werden, damit wieder Wasser versickern kann und die Bodenorganismen (sofern noch vorhanden) organisches Material zersetzen und Humus aufbauen. Auch die Entstehung von Mikroplastik wird so verhindert.

Nun wird der Schotter mit einer rund fünf Zentimeter dicken Schicht aus Gruben- beziehungsweise Kiessand oder Mineralbeton bedeckt. Darauf werden etwa zwei Zentimeter Grünschnittkompost aufgetragen. Dieser sollte unbedingt aus einer zertifizierten Kompostieranlage stammen, damit er auch frei von Beikräutern ist. Anschließend werden die drei Schichten mit Rechen und Grabgabel bis in eine Tiefe von etwa zehn Zentimetern gut durchmischt und fein krümelig geharkt.

Ein ökologisch wertvoller Trockenstandort (links im ersten Jahr, rechts im vierten Jahr nach Anpflanzung) lässt sich vielfältig gestalten. Er darf und soll sich entwickeln
Ein ökologisch wertvoller Trockenstandort (links im ersten Jahr, rechts im vierten Jahr nach Anpflanzung) lässt sich vielfältig gestalten. Er darf und soll sich entwickeln
© Susanne Maria Emka

Wer eine magere Wildblumenwiese anlegen möchte, sollte unbedingt auf die Qualität und Herkunft des Saatguts achten. Die Ansaat wird durch eine Anpflanzung mit standortangepassten Wildstauden (etwa fünf bis sechs je Quadratmeter) ergänzt. Eine Handvoll Humus im Pflanzloch unter den Wurzelballen erleichtert das Anwachsen. Totholzelemente oder andere Naturmodule können das Arrangement optisch aufwerten. Die kommenden drei Monate sollte die Fläche zweimal wöchentlich am Morgen gegossen werden, um das Anwachsen zu erleichtern. Danach benötigen die Pflanzen nur noch bei besonderer Dürre zusätzliche Wassergaben.

4. "Da nehmen wir ein Saatguttütchen"

Gut gemeint und schlecht gemacht: Die Gemeinde verschenkt sie als "Insektenbüfett". Der Baumarkt verkauft sie, damit es summt und brummt. Selbst beim Kindergartenfest gibt es sie – als "Seedbombs" mit Überraschungsinhalt. Angeblich insektenfreundliche Saatgutmischungen scheinen die Einfachlösung für jedermann. Tüte auf, Samen ausbringen und gießen. Doch die meisten dieser Blüh- und Blumenwiesenmischungen, die man selbst auf kommunalen Flächen findet, sind nichts als Mogelpackungen. Häufig enthalten sie Handelssaatgut aus der ganzen Welt, das vielleicht hübsch anmutet, aber nicht hält, was es verspricht: einen Nutzen für Insekten. Wer sich also nicht von großblütigen bunten Einjährigen täuschen lassen will und eine artenreiche Wildblumenwiese mit heimischen Pflanzen und echtem Mehrwert anstrebt, sollte unbedingt die Finger von solchen Saatgutgeschenken lassen und stattdessen hochwertiges, zertifiziertes Saatgut mit der richtigen Zusammensetzung bauen. 

Auch wenn im Siedlungsraum nicht gesetzlich vorgeschrieben, sollte gebietseigenes Saatgut verwendet werden. In der freien Landschaft dürfen nach dem Bundesnaturschutzgesetz nur Pflanzen ausgebracht werden, die ihren genetischen Ursprung in dem jeweiligen Gebiet haben. "Seedbombs" oder Samentütchen haben also außerhalb des Siedlungsbereichs nichts verloren, denn die regional natürlich vorkommenden Arten sollen in ihrer genetischen Vielfalt erhalten bleiben.

5. "Das bisschen Licht ..." 

Gartenstrahler, Solarfackeln, Lichterketten und Wegeleuchten – wenn die Sonne untergeht, erfreuen sich viele Gartenbesitzer an Lichtelementen. Doch was wir als stimmungsvoll oder sicherheitsrelevant erachten, ist das, was Experten als Lichtverschmutzung bezeichnen. Und die hat Folgen.

Während früher die Sonne den Tag-Nacht-Rhythmus bestimmte, hat Kunstlicht diesen massiv verändert. Die Photosynthese von Pflanzen und damit ihr Wachstum wird maßgeblich von Licht bestimmt. Der natürliche Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen ist an die Bildung des Schlafhormons Melatonin gekoppelt, das bei Dunkelheit produziert wird. Für nachtaktive Wildtiere ist ausreichend Dunkelheit notwendig, während tagaktive Tiere Nachtruhe brauchen. Kunstlicht beeinträchtigt den natürlichen Lebensrhythmus von Menschen, Tieren und selbst Pflanzen. Besonders nachtaktive Wildtiere werden in ihrem Zeitrhythmus und ihrer Orientierung durch künstliches Licht massiv gestört.

Ganze Schwärme von Insekten wie zum Beispiel Nachtfalter flattern jede Nacht bis zur Erschöpfung um Lichtquellen – ohne zu fressen, zu bestäuben oder sich zu paaren. Dort werden sie überproportional häufig zur Beute von Fressfeinden. Vögel werden ebenfalls durch Kunstlicht irritiert. Amseln, Meisen und Rotkehlchen beispielsweise singen früher, und auch ihre Eiablage- und Brutzeiten verschieben sich. Dies kann zu einer problematischen Versorgungslage für die Brut führen, wenn nicht mehr ausreichend Insekten zur verschobenen Brutzeit fliegen. Auch das Futtersuch-, Balz- und Paarungsverhalten von Kleinsäugern und Amphibien wird durch künstliche Lichtquellen gestört. Selbst Bäume oder Hecken, die dauerhaft direktem Licht ausgesetzt sind, weisen nachweislich gestörte Wachstumszyklen auf.