Archäologie Ihr Tod änderte alles: Wie Dinosaurier ganze Landschaften prägten

3-D Computerillustration: Gruppe pflanzenfressender Dinosaurier in Auenlandschaft vor Bergen und Wäldern im Hintergrund.
Dinosaurs on the valley. This is a 3d render illustration .
© Orla /iStockphoto / Getty Images
Dinosaurier haben ihren Lebensraum wohl deutlich stärker beeinflusst als bisher gedacht. Forschende haben die Überschwemmungsgebiete prähistorischer Flüsse analysiert – und können daraus faszinierende Rückschlüsse ziehen

Noch heute lässt sich im Gestein nachvollziehen, wie die Dinosaurier einst Landschaften massiv umgestalteten. Plötzliche geologische Veränderungen am Übergang vom Zeitalter der Dinosaurier zu dem der Säugetiere gingen wahrscheinlich auf neu entstandene Wälder, stabilisierte Sedimente und stärker kanalisierte Flüsse zurück, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Communications Earth & Environment".

Dinosaurier waren demnach Ökosystemingenieure im großen Maßstab, die einen Großteil der Vegetation niedermachten und das Land zwischen einzelnen Bäumen und Baumgruppen offen hielten. Flüsse in Auenlandschaften hatten riesige Überschwemmungsgebiete.

Forschende hatten Ablagerungen falsch interpretiert

Das Team um den Paläontologen Luke Weaver von der University of Michigan in Ann Arbor hatte geologische Merkmale im Williston-Becken im Gebiet der US-Bundesstaaten North und South Dakota, Wyoming und Montana untersucht, speziell in der sogenannten Fort Union Formation. Sie sei nach dem Aussterben der Dinosaurier entstanden und bestehe aus übereinanderliegenden, verschiedenfarbigen Schichten, erklärte Weaver. Forscher hätten die Schichten bisher als Ablagerungen in Gewässern aufgrund veränderter Wasserstände interpretiert.

Es handle sich aber vielmehr um Ablagerungen, wie sie sich an den Bögen mäandrierender Flüsse bilden. "Anstatt also eine ruhige Umgebung mit stillstehendem Wasser zu betrachten, sehen wir uns tatsächlich das sehr aktive Innere einer Flussschlinge an." Umgeben seien die Ablagerungen von größtenteils aus Braunkohle - also aus Pflanzenresten - bestehenden Schichten.

Ohne Dinosaurier traten Flüsse seltener über die Ufer

Vermutlich seien sie nach dem Ende der Dinosaurier entstanden, weil die Flüsse aufgrund der stabilisierenden Wirkung dichter Wälder weniger häufig über die Ufer traten. "Durch die Stabilisierung der Flüsse wird die Zufuhr von Lehm, Schlamm und Sand in die entlegenen Bereiche der Überschwemmungsgebiete unterbunden, so dass sich dort hauptsächlich organische Ablagerungen ansammeln", erklärte Weaver.

3-D Computerillustration: Vergleich. Oberes Bild: Dicht bewaldeter Flusslauf. Unteres Bild: Kaum bewaldeter Flusslauf
Oben ein Flusssystem, wie es ohne den Einfluss trampelnder Giganten entsteht: Die dichte Bewaldung kanalisiert das Wasser. Ohne die Bäume mäandert der Fluss deutlich mehr.
© Julius Csotonyi / dpa / picture alliance

Die Fort Union Formation steht nach Forscherangaben in einem starken Kontrast zu den darunter liegenden Schichten, die wassergetränkte, wenig entwickelte Böden zeigten - ähnlich wie man sie an den Rändern von Überschwemmungsgebieten finde. 

Der Mensch hat mit Ackerbau, Rodungen, Weidehaltung, Flussbegradigungen und dem Bau von Siedlungen Landschaften massiv verändert. Doch auch Tiere prägen ihre Umwelt: Große Pflanzenfresser wie Mammuts, Auerochsen und Bisons hielten Graslandschaften offen, weil sie kleinere Gehölze wegfraßen. Elefanten stoßen in Savannen Bäume um und formen Mosaike aus Waldinseln und Grasflächen.

Zu den wohl bekanntesten Landschaftsarchitekten gehören die Biber, die mit ihren Dämmen Flüsse stauen, Täler in Feuchtgebiete verwandeln und neuen Lebensraum für Amphibien, Fische und Vögel schaffen. Auch noch kleinere Arten verändern ihr Umfeld tiefgreifend: Regenwürmer lockern Böden und fördern Nährstoffkreisläufe, Korallen bauen Riffe, die über Jahrtausende Inseln und Küstenlinien prägen.

Einst veränderten auch die Sauropoden mit ihrem Fressverhalten und ihrer schieren Masse Vegetationsstrukturen ganzer Regionen: Sie fraßen Baumkronen kahl, zertrampelten Gehölze und hielten damit offene Flächen für andere Pflanzenarten frei. Dabei prägten Dinosaurier die Erde über einen außergewöhnlich langen Zeitraum: Mehr als 160 Millionen Jahre dominierten sie die Ökosysteme und wirkten damit weit nachhaltiger auf Landschaften ein als viele später auftretende Tiergruppen.

Ihr Einfluss über Erdzeitalter ließ viele Landschaften über Millionen Jahre in einem charakteristischen Gleichgewicht aus offenen Flächen, Gehölzen und großräumigen Tierbewegungen verharren. Erst mit dem plötzlichen Aussterben vor 66 Millionen Jahren nach dem Einschlag eines Asteroiden kam dieses Gleichgewicht abrupt zum Erliegen. Raum für völlig neue Akteure entstand: Säugetiere breiteten sich aus und übernahmen vielerorts die Rolle der dominanten Pflanzenfresser und Räuber.

Nun waren sie es, die Landschaften grundlegend veränderten. Der Übergang markiert einen der deutlichsten Brüche in der erdgeschichtlichen Landschaftsgestaltung - von einer über Jahrmillionen andauernden Stabilität unter den Dinosauriern zur dynamischen Neuordnung, die das Bild der Erde bis heute prägt.

Die plötzlichen Änderungen am Übergang der Epochen seien ein Hinweis darauf, wie rasch sich das Antlitz der Erde angesichts des vom Menschen verursachten Klimawandels und des Verlusts der Artenvielfalt verändern könnte. Geologisch gesehen liefen diese Veränderungen ebenso augenblicklich ab wie einst nach dem Ende der Dinos, so Weaver. "Was in unserer Lebenszeit geschieht, ist in geologischer Hinsicht nur ein Wimpernschlag."

dpa