Sie weiß nicht, was hinter der weißen Tür passiert, vor der sie mit den anderen Mädchen wartet. Naja Lyberth ist 14 Jahre alt, es ist das Jahr 1976. Auf Maniitsoq, einer Insel an der Westküste Grönlands, geht sie zur Schule. Sie und ihre Mitschülerinnen aus indigenen Familien sind eben aus dem Klassenzimmer geholt und in ein Krankenhaus gebracht worden. Nun stehen die Mädchen vor einem Untersuchungsraum, und sie haben Angst.
Dann ist Naja an der Reihe. Ein dänischer Arzt weist sie an, ihre Hose auszuziehen, sich auf den gynäkologischen Stuhl zu setzen, ihre Beine zu öffnen. Mit kaltem Besteck führt er einen Gegenstand in sie ein, berührt sie, wo sie noch niemals zuvor berührt worden ist. Der Arzt setzt Naja eine Spirale in den Uterus. Die soll verhindern, dass sie schwanger wird.

Doch das Instrument ist zu groß für ihren jugendlichen Körper. Es drückt in ihr Gewebe, sie blutet. Die Schmerzen wird sie später als "Messerstiche" in ihrem Unterleib beschreiben. Naja weint und schweigt, wie die anderen Mädchen, die aus der weißen Tür treten. Gemeinsam gehen sie zurück in die Schule. 36 Jahre lang wird sie niemandem davon erzählen, mit der Zeit wird sie verdrängen, dass es geschehen ist.
In den Jahren danach fragt sich Naja Lyberth immer wieder, was mit ihr los ist. Wenn ihr Becken sich so verspannt, dass der Rücken schmerzt, wenn sie ihre Fäuste scheinbar grundlos ballt, wenn sie wochenlang blutet. Oder wenn sie das Schwimmbad meidet, weil sie es nicht ertragen kann, ihre nackten Beine zu sehen. Eine Antwort findet sie nicht, also lernt sie mit den Schmerzen und starken Blutungen zu leben.