Kriegs-Aufnahmen Im Auftrag des US-Nachrichtendienstes: Als ein Hollywood-Regisseur den D-Day filmte

Kriegs-Aufnahmen: Im Auftrag des US-Nachrichtendienstes: Als ein Hollywood-Regisseur den D-Day filmte
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Als die Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie landeten, dokumentierte Hollywood-Regisseur John Ford die Invasion mit gut 50 Kameraleuten. Die Aufnahmen gingen um die Welt

Die Szenen könnten auch aus einem Spielfilm stammen: Soldaten ducken sich im Kugelhagel, überwältigte Einheiten reißen die Hände hoch, um sich zu ergeben, andere Männer liegen verwundet im Gras. Die Sequenzen stammen vom "D-Day", dem größten Landungsunternehmen der Geschichte. 

2727 Schiffe bewegten sich damals, am 6. Juni 1944, über den Ärmelkanal auf die französische Küste zu, transportierten insgesamt 175.000 amerikanische, britische, kanadische, französische und weitere alliierte Soldaten, um Europa von der deutschen Wehrmacht zu befreien.

Mit an Bord der Schiffe: 56 Kameramänner unter der Leitung von Hollywood-Regisseur John Ford (1894–1973). Er ließ die Landung an der Küste der Normandie filmen – und schuf so Szenen, die das Bild des D-Days bis heute prägen. 

John Ford drehte im Krieg Filme für die US-Navy

In den 1930er-Jahren war Ford zu einem der bekanntesten Regisseure Hollywoods aufgestiegen, dank Western wie "Ringo" mit John Wayne oder gesellschaftskritischen Dramen wie "Der Verräter". Im Zweiten Weltkrieg leitete er die "Field Photo Unit" des amerikanischen Nachrichtendienstes OSS (Office of Strategic Services) und drehte mehrere Filme für die Navy, auch etwa über den japanischen Angriff auf Pearl Harbor.

Soldaten waten an den Strand der Normandie

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1942 nahm Ford im Pazifik die Schlacht um Midway auf, bei der die Amerikaner vier japanische Flugzeugträger versenkten und selbst einen verloren. 1944 schließlich erhielt Ford den Auftrag des OSS, die alliierte Invasion in der Normandie zu dokumentieren. Das Ziel des Nachrichtendienstes: aller Welt die Macht und Überlegenheit der USA zu zeigen.

Die Landung verfolgte Ford zunächst an Bord des Zerstörers USS "Plunkett", ging dann mit seinen Männern am Küstenabschnitt Omaha Beach an Land. Später schwieg der Regisseur 20 Jahre lang über das, was er an jenem 6. Juni und an den folgenden Tagen erlebt hatte. Erst 1964 äußerte er sich öffentlich im "American Legion Magazine". "Meine Erinnerungen sind wie Filmeinstellungen ohne Zusammenhang, Aufnahmen, die darauf warten, im Schneideraum zusammengesetzt zu werden", erklärte er damals. 

Er könne sich kaum daran erinnern, wie Männer verwundet oder gefallen seien, habe die gesamte Operation in einem "Tunnelblick" wahrgenommen. "Wenn du dich auf einen Job konzentrierst, so wie wir, dann hast du keine Zeit für Sightseeing." 

Spezielle Anweisungen habe er seinen Männern nicht gegeben. "Sie haben einfach alles gefilmt, was sie vor die Linse bekamen." Bemerkenswert sei vor allem gewesen, dass die Kameraleute – angesichts ihrer schweren Ausrüstung – keine Waffen bei sich hatten. "Dem Feind wehrlos gegenüberzutreten erfordert eine spezielle Art von Mut."

Regisseur John Ford am Set etwa 1945
John Ford, hier um 1945, drehte Klassiker wie "Früchte des Zorns" und "Ringo" und gewann vier Oscars in der Kategorie "Beste Regie". Immer wieder arbeitete er mit Stars wie John Wayne und Henry Fonda zusammen
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Nach der erfolgreichen Landung kehrte Ford nach England zurück, um das Filmmaterial – das nicht nur den D-Day selbst, sondern auch die folgenden Tage abdeckt – zu sichten und zu schneiden. Teile des Equipments wurden bei der Invasion zerstört, Aufnahmen waren verbrannt, im Meer versunken oder unbrauchbar. Mehrere Kameramänner hatten die Operation nicht überlebt. 

Aus dem Vorhandenen schnitt Ford in nur drei Tagen einen gut 30 Minuten langen Film und verzichtete dabei auf die grausamsten Szenen. Ausschnitte daraus, freigegeben von der Kriegszensur, liefen bereits wenige Wochen später in Kino-Wochenschauen der Alliierten. Und trugen mit dazu bei, diesen Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. 

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