Weltpolitik Ein Bild und seine Geschichte: 444 Tage Geiselhaft in der US-Botschaft von Teheran

Als ein Mitarbeiter der US-Botschaft vor die Presse geführt wird, machen die radikalen iranischen Studenten ihre Forderung klar: die Auslieferung des geflohnen Schahs 
Als ein Mitarbeiter der US-Botschaft vor die Presse geführt wird, machen die radikalen iranischen Studenten ihre Forderung klar: die Auslieferung des geflohnen Schahs 
© Kaveh Kazemi / Getty Images
Im November 1979 beginnt in der iranischen Hauptstadt Teheran eine Geiselnahme, die die USA erschüttert und die Beziehungen beider Länder bis heute prägt 

Als dieses Bild entsteht, befinden sich 66 Mitarbeiter der US-amerikanischen Botschaft in Teheran seit sieben Tagen in Geiselhaft. Von den iranischen Geiselnehmern werden sie – gefesselt und mit verbundenen Augen – vor die internationale Presse geführt. 

Eine Woche zuvor, am 4. November 1979, hatten sich Hunderte iranische Studenten bei Nieselregen vor der US-Botschaft versammelt. Sie riefen "Tod für Amerika" und "Yankee go home". Es war eine Art Protestritual, die regelmäßigen Demonstrationen gab es schon seit einigen Wochen. 

An diesem Vormittag jedoch klettern Studenten über die Mauer des Botschaftsgeländes. Einige andere verschaffen sich Zugang durch die Tore. Die Wachen haben keinen Schießbefehl, so treffen die Eindringlinge kaum auf Widerstand. 400 Studenten gelangen schließlich in die Botschaft.

Der Presse-Attaché der Botschaft Barry Rosen erinnert sich für einen Zeitungsbericht: "15 bis 20 Schläger kamen in mein Büro, fesselten mich mit den Vorhangkordeln, verbanden mir die Augen. Ich bekam Tritte in die Magengrube und wurde zu Boden geworfen." 66 Botschaftsmitarbeiter setzen die Eindringlinge an diesem Tag fest. 

Später erklärte einer der iranischen Studenten einer Nachrichtenagentur, man habe nur einen zweitägigen Sitzstreik veranstalten wollen. Stattdessen wurde daraus eine Geiselnahme, die 444 Tage dauerte. Und ein Ereignis, das die Beziehung der USA und des Irans bis heute prägt.       

Die Geiselnahme fällt in eine Zeit innenpolitischer Turbulenzen im Iran. Seit 1977 ist der iranische Monarch Mohammed Reza Pahlavi zunehmend in Kritik geraten. Die Opposition wirft ihm eine autokratische Herrschaft vor, Korruption und Repression. Als die Massendemonstrationen Ende 1978 ihren Höhepunkt erreichen, flieht der Schah mit den Worten "Ich bin müde und brauche eine Pause" aus dem Land. 

Aus dem Pariser Exil kehrt daraufhin der Revolutionsführer Ajatollah Ruholla Khomeini in den Iran zurück, übernimmt die Macht und ruft die Islamische Republik aus. Khomeini ernennt den Politiker Mehdi Bazargan zum Premierminister einer Übergangsregierung. Doch schnell wächst die Kluft zwischen dem religiösen Führer Khomeini und dem liberalen Politiker Mehdi Bazargan. Ein Machtkampf entbrennt.

Sowjetische Intervention in Afghanistan von 1979 bis 1989: In den Bergen können die Invasoren ihre materielle Überlegenheit nicht ausnutzen. Immer wieder locken islamische Widerstandskämpfer, die Mudschahedin, die Rote Armee in Hinterhalte. Insgesamt sterben bis 1989 mehr als 14.000 Sowjetsoldaten bei den Kämpfen – und mehr als eine Million afghanische Zivilisten

Dschihadismus Gewalt im Namen Allahs: Die Geburt des militanten Islamismus

Drei politische Dramen erschüttern im Jahr 1979 die Welt: In Afghanistan entbrennt ein erbarmungsloser Kampf zwischen sowjetischen Invasoren und Gotteskriegern, im Iran rufen radikale Muslime einen Gottesstaat aus, und in Saudi-Arabien verüben Glaubenskrieger das erste große islamische Attentat. Es ist der Beginn einer verheerenden Spirale von Gewalt und Gegengewalt

Als im Oktober 1979 der geflohene krebskranke Schah in einem New Yorker Krankenhaus aufgenommen wird, beginnen in Teheran Proteste gegen die USA. Die Demonstrierenden fordern seine Auslieferung. 

Auch die iranischen Studierenden, die im November die US-Botschaft besetzen, verlangen das. Die Machthaber reagieren höchst unterschiedlich auf die Geiselnahme. Ruholla Khomeini schickt seinen Sohn zu den Studenten, um ihnen zu gratulieren. Er spricht von einer "zweiten Revolution gegen den großen Satan USA."

Premierminister Mehdi Bazargan hingegen tritt aus Protest gegen den Angriff der Studenten noch am Tag der Geiselnahme zurück. Er macht damit den Weg frei für die religiös-konservativen Revolutionäre um Ayatollah Chomeini. Diese bauen ihre Macht daraufhin immer weiter aus. 

13 Frauen und afroamerikanische US-Bürger lässt Khomeini nach kurzer Zeit aus der Botschaft frei. Ein weiterer Mitarbeiter darf gehen, weil er schwer krank ist. Für die übrigen 52 Geiseln dauert die Tortur über ein Jahr. In dieser Zeit werden die Botschaftsmitarbeiter gequält, gedemütigt, mit verbundenen Augen aus dem Gebäude gezerrt und öffentlich wie Trophäen vorgeführt. Der Presse-Attaché Barry Rosen berichtete auch von Schein-Exekutionen: "Als ich mich weigerte, ein Dokument zu unterschreiben, in dem ich zugab, ein Spion zu sein, der die iranischen Medien unterwandern wollte, nahmen sie mir die Augenbinde ab. Eine Waffe war auf mich gerichtet. 'Unterschreib, oder du bist tot!', sagten sie zu mir."

Unterdessen verhandeln die USA und der Iran über die Freilassung der Geiseln. Die US-Regierung stoppt die Ölimporte aus dem Iran, US-Banken frieren iranische Milliarden ein, iranische Studenten an US-Universitäten werden abgeschoben. Ein Befreiungsversuch des US-amerikanischen Militärs – die Operation "Eagle Claw" – scheitert kläglich. Bei dem Zusammenstoß eines Transportflugzeugs mit einem Helikopter sterben acht US-Soldaten.

In die Verhandlungen kommt erst Bewegung, als der Schah im Juli 1980 stirbt. Damit hat sich die Hauptforderung der Geiselnehmer erledigt. Auf Vermittlung Algeriens werden schließlich am 20. Januar 1981 die 52 Geiseln nach Wiesbaden ausgeflogen. Die USA geben im Gegenzug dafür alle eingefrorenen Gelder frei und sichern den Geiselnehmern Straffreiheit zu.  

Bis heute markiert die Teheraner Geiselnahme einen Bruch im iranisch-amerikanischen Verhältnis, es war der Beginn einer Dauerkrise. Als Reaktion auf die Besetzung brachen die USA die diplomatischen Beziehungen mit dem Iran ab. Daran hat sich bis dato nichts geändert. Beide Staaten unterhalten keine Botschaft im jeweils anderen Land. Die ehemalige US-Botschaft in Teheran ist heute ein Museum.  

dia