Die Welt erscheint hoffnungslos, grau. Keine Lust, sich mit Freunden im Kino zu treffen, Aktivitäten zu planen wird zum Graus. Das Selbstwertgefühl: angekratzt. Das sind nur einige der Merkmale einer Major depression, einer vollausgebildeten klinischen Depression. Sie kann das Leben verdüstern. Etwa 5,3 Millionen Erwachsene erkranken im Jahr in Deutschland laut Zahlen der Deutschen Depressionshilfe an der Seelenfinsternis.
Eine Metastudie zeigt, dass bereits im Vorfeld der Krankheit präventiv gegengesteuert und eine Depression sogar verhindert werden kann. Die Forschenden werteten für die in The Lancet Psychiatry publizierte Metastudie 30 Einzelstudien aus. Erfasst wurden die Daten von Menschen mit subklinischen Depressionen, also jene, denen es zwar nicht gut geht, die aber noch nicht die Kriterien für eine klinische Depression erfüllen.
Vorbeugen ist besser als heilen
Insgesamt flossen die Daten von 7.201 Teilnehmenden aus 30 bestehenden Studien ein. Die Studiendaten kamen aus den USA, den Niederlanden, Australien, Deutschland, Spanien, China oder Japan. Die Interventionsgruppe erhielt zwischen sechs bis zwölf Sitzungen präventiver psychologischer Maßnahmen. Diese wurden persönlich oder digital, etwa in Form von Online-Programmen, absolviert. Zu den geprüften Interventionen zählten verhaltenstherapeutische Ansätze, Problemlösungs- oder Schlaftrainings. Die Kontrollgruppen erhielten Medikamente oder Placebos.
Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, konnte nach sechs Monaten durch entsprechende Maßnahmen um 42 Prozent reduziert werden. Nach einem Jahr waren es 33 Prozent, weswegen Claudia Buntrock, Juniorprofessorin am Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Erstautorin der Studie, sagt: "Vergleichbar einer Impfung ist es lohnend, nach einem Jahr die Dosis des Trainings aufzufrischen. Um nicht in alte Verhaltensmuster zu verfallen, ist es sinnvoll, die Module oder Einheiten zu wiederholen." Menschen würden generell dazu neigen, erlernte Skills zu vergessen und in schädliches Verhalten zurückzufallen.
Orientierung bei den Krankenkassen
Doch auf welche Vorboten einer Depression muss jemand achten, der unsicher ist, ob er von einer solchen Prävention profitiert? Der Verlust von Freude und Interesse ist ein Hauptmerkmal von Depression. Schlafstörungen, schnelle Gereiztheit oder Rückzugsverhalten zählen laut Experten zu weiteren frühen Warnsymptomen. Aber auch ein verändertes Ernährungsverhalten kann ein Hinweis sein - jemand hört beispielsweise auf, gesund zu kochen. Bei der Suche nach einer Prävention darf ruhig nach digitalen Selbsthilfeangeboten geschaut werden. Diese standen dem persönlichen Kontakt in der Effektivität nicht nach, so die Studie. Buntrock rät zur Recherche bei den Krankenkassen: "Inzwischen hat nahezu jede Krankenkasse eine App oder digitales Training im Angebot – diese sind erprobt und seriös."
Zu den Modulen, die die Verfasser der Metastudie geprüft haben, zählt Problemlösungstraining. Claudia Buntrock berichtet von den "sechs Schritten des Problemlösens", die Menschen im Vorfeld einer Depression effektiv helfen können, aus der Depressionsdynamik auszusteigen. Es profitieren sogar Menschen, denen es ganzheitlich gut geht.
Um nicht in die für eine Depression typischen Grübelschleifen und in Lethargie zu verfallen, ist es günstig, die aktive Problemlösungskompetenz zu erhöhen. Im ersten Schritt wird dabei beschrieben, was das Problem ist. Dann wird reflektiert, wie die persönliche Situation aussähe, wenn die Schwierigkeit behoben wäre. In den nächsten Schritten gilt es einen Handlungs-Plan zu entwickeln, inklusive zeitlicher Feinplanung ("am Mittwoch führe ich das klärende Gespräch mit dem Nachbarn"). Schließlich wird das Ganze reevaluiert – ist das Problem tatsächlich behoben? Auf diese Weise gelingt es, die Handlungsorientierung eines Menschen im Seelentief zu stärken.
Drei Schnellhilfen zur Orientierung
Im Tief kann es schwer sein, Hilfe zu recherchieren. Nützliche Handreichungen für schnelle Linderung
- der sechs-Schritte-Handlungsplan findet sich hier
- zertifizierte Gesundheitskurse lassen sich über den Internetauftritt der gkv recherchieren
- Regeln für Schlafhygiene auf einen Blick
Da Schlafstörungen und Depressionen sehr häufig "komorbid", also gemeinsam auftreten, rät Studienautorin Buntrock zur Verbesserung der Schlafhygiene: E-Health-Angebote sind in den App-Stores verfügbar, die einen gesunden Schlaf unterstützen können. Zu den Regeln zählen feste Schlafenszeiten, verlässliche Tagesrhythmen. Sofern möglich, sollte ein Schlafzimmer auch der Ruhe und Erholung vorbehalten sein, nicht dem Arbeiten. Vieles sei bereits bekannt, räumt Buntrock ein, aber es helfe, durch eine App zu einer Verhaltensänderung motiviert zu werden.
Auch allgemeines Training aus der kognitiven Verhaltenstherapie wirkt im Vorfeld und kann klinische Depressionen abwenden. Nach den Daten der Studie sind sie geeignet, um den Ausbruch einer Major Depression aufzuhalten. Buntrock nennt als Beispiel den Umgang mit negativen Gedanken: Schlechte Bewältigungsstrategien angesichts belastender Gedanken können die Stimmung weiter in einen Abwärtssog ziehen und zu dem von Psychologen gefürchtete Grübeln führen.
Im Gegenzug sind Module effektiv, die aufklären, wie man Gedanken neubewertet, ein "Reframing" einer Situation schaffen (ein Problem etwa als Herausforderung zu betrachten, der man sich stellt). Training mit entsprechenden Bausteinen kann das Wohlbefinden steigern und Betroffene unabhängig von Alter, Bildung oder Geschlecht davor bewahren, in die vollausgeprägte Depression zu schlittern. Buntrock hat sich in ihrer Dissertation mit E-Health-Angeboten auseinandergesetzt. Können digitale Helfer auch schaden? "Grundsätzlich bieten die Angebote mit ihren Modulen und der Möglichkeit, diese zeit- und ortsunabhängig zu nutzen, großes Potenzial. Doch wie bei jeder Intervention können sich Symptome verschlechtern oder die Hoffnungslosigkeit vergrößern, wenn die digitale Hilfe beispielsweise nicht wirkt, weil derjenige mehr Hilfe braucht."

Prof. Dr. Claudia Buntrock ist Juniorprofessorin für Public Health und Versorgungsforschung am Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG) der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Nach einem Bachelorstudium in European Public Health und einem Master in Health Science Research mit Schwerpunkt Health Technology Assessment an der Universität Maastricht promovierte sie im Rahmen eines binationalen Programms an der Leuphana Universität Lüneburg und der Vrije Universiteit Amsterdam mit Auszeichnung (summa cum laude)
In solchen Fällen sei es wichtig, dass der Schritt in die Versorgung dennoch gelingt. Insgesamt zeigt die Metastudie: Prävention ist wirksam – sogar bei Gesunden. Manchmal aber braucht es mehr, um jemanden aus der Dunkelheit zurück ins Licht zu bringen. Als Brücke vor einer Therapie sind zertifizierte Präventions-Angebote aber fast durchweg als erster Lichtstrahl ins Seelendunkel zu empfehlen.