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Wissenschaftlich bestätigt Bei Stress werden Haare grau - und färben sich danach wieder zurück

Angespannter Mann mit grauem Bart
Anhaltender Stress macht graue Haare - das zeigt eine Studie der Columbia University in New York
© IMAGO / Westend61
An dem Sprichwort, dass einem vor Stress graue Haare wachsen, ist tatsächlich etwas Wahres dran. Wer ständig unter Strom steht, dessen Haar ergraut schneller. Die gute Nachricht lautet aber: Bei Entspannung nehmen die nachwachsenden Haare wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Das zeigen Forschungen der Columbia University in New York

Der Legende nach färbte sich die ganze Haarpracht Marie Antoinettes in der Nacht vor ihrer eigenen Enthauptung grau. Frankreichs legendäre Königin wurde am 16. Oktober 1793 auf der Place de la Révolution in Paris hingerichtet. Wenngleich diese Legende wissenschaftlich so nicht ganz korrekt ist - denn der Teil der Haare, der bereits aus dem Follikel gewachsen ist, ändert seine Farbe nicht mehr - so liefert eine aktuelle Studie des Vagelos College of Physicians and Surgeons der amerikanischen Columbia University doch quantitative Beweise, die psychischen Stress mit dem Ergrauen von Haaren in Verbindung bringen.

Außerdem kommt das Forscherteam mit einiger Überraschung zu dem Schluss, dass ein ergrautes Haar seine ursprüngliche Farbe wieder annimmt, wenn es nachwächst und der Stress währenddessen nachlässt - ein Ergebnis, das im Gegensatz zu einer jüngst durchgeführten Studie an Mäusen steht, die ihrerseits darauf hindeutet, dass stressbedingte graue Haare dauerhaft sind.

Im Video: Illustration eines ergrauenden Haares und der Rückkehr seiner ursprünglichen Farbe

Bislang war es der Wissenschaft nicht gelungen, Stresszeiten präzise gemeinsam mit der Haarpigmentierung von Probanden zu messen und so in Zusammenhang zu bringen. Ayelet Rosenberg, Erstautorin der Studie und Studentin in Martin Picards Labor, hat einen Weg gefunden.

Durch das Aufspalten von Haaren zur Dokumentation der Haarpigmentierung entwickelte Rosenberg eine neue Methode, um hochdetaillierte Bilder von winzigen Schnitten menschlicher Haare aufzunehmen. So lässt sich das Ausmaß des Pigmentverlusts, also das Ergrauen der Haare, in jedem winzigen Teil dieser Haare messen. Jedes untersuchte Haarteil, etwa ein Zwanzigstel eines Millimeters breit, repräsentiert etwa eine Stunde Haarwachstum.

Mit dieser Methode analysierte das Team der Columbia University die Haare von 14 Freiwilligen. Die Ergebnisse aus den Haar-Tests wurden anschließend mit den Angaben in den Stresstagebüchern der Teilnehmer verglichen, in dem diese ihr persönliches Stressniveau jede Woche bewerten und eintragen sollten. Beim Auswerten der Stresstagebücher und dem Abgleich der Haarproben stellten die Forscherinnen und Forscher auffallende Parallelen zwischen den angegebenen Stressphasen und dem Ergrauen der Haare fest. In einigen Fällen zeigte sich außerdem eine Umkehrung des Ergrauens, als der Stress bei den Probanden nachließ.

"Es gab eine Person, die während der Studie in den Urlaub fuhr. Während des Urlaubs färbten sich fünf Haare auf dem Kopf dieser Person nachweislich wieder dunkel", berichtet Studienleiter Martin Picard, außerordentlicher Professor für Verhaltensmedizin in Psychiatrie und Neurologie an der Columbia University.

Mitochondrien spielen eine Rolle beim Ergrauen des Haars

Um besser zu verstehen, wie Stress genau graues Haar verursacht, analysierten die Forscherinnen und Forscher auch den Gehalt von Tausenden von Proteinen in den Haarproben und untersuchten, wie sich der Proteingehalt über die Länge jedes Haares verändert.

Das Forscherteam fand heraus, dass mit der Änderung der Haarfarbe auch Veränderungen in 300 Proteinen auftraten. Daraus entwickelten die Wissenschaftler ein mathematisches Modell, das darauf hindeutet, dass stressbedingte Veränderungen in den Mitochondrien - die ihr eigenes spezialisiertes Genom besitzen, das einige äußerst wichtige Proteine kodiert - erklären können, wie Stress das Haar grau macht.

"Wir hören oft, dass die Mitochondrien die Kraftwerke der Zelle sind, aber das ist nicht die einzige Rolle, die sie spielen", sagt Studienleiter Martin Picard. "Mitochondrien sind eigentlich wie kleine Antennen in der Zelle, die auf eine Reihe verschiedener Signale reagieren, darunter auch auf psychischen Stress."

Dieser mitochondriale Zusammenhang zwischen Stress und Haarfarbe unterscheidet sich von dem, der in der zuvor bereits erwähnten Studie an Mäusen entdeckt wurde. Hier stellte man fest, dass stressbedingtes Ergrauen durch einen irreversiblen Verlust von Stammzellen im Haarfollikel verursacht wird.

Studienergebnisse könnten neue Hinweise zum menschlichen Alterungsprozess liefern

Zukünftig könnte man sich Haare als mächtiges Werkzeug vorstellen, um die Auswirkungen früherer Lebensereignisse auf das Altern zu beurteilen – denn ähnlich wie die Ringe eines Baumes liefern Haare eine Art physische Aufzeichnung vergangener Ereignisse.

"Das Verständnis der Mechanismen, die es ‚alten‘ grauen Haaren ermöglichen, in ihren ‚jungen‘ pigmentierten Zustand zurückzukehren, könnte neue Hinweise auf die Formbarkeit des menschlichen Alterns im Allgemeinen und wie es durch Stress beeinflusst wird, liefern", sagt Martin Picard, leitender Autor der Studie, in einer Mitteilung der Universität. "Unsere Daten tragen zu einer wachsenden Zahl von Beweisen bei, die zeigen, dass das menschliche Altern kein linearer, fester biologischer Prozess ist, sondern zumindest teilweise gestoppt oder sogar vorübergehend umgekehrt werden kann."

Im nächsten Schritt planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, den Zusammenhang zwischen Stress und dem Ergrauen von Haaren noch genauer zu untersuchen. In einer weiteren Studie möchte das Team die Veränderungen des Haar- und Stressniveaus prospektiv untersuchen – was bedeutet, dass die Teilnehmer über einen bestimmten Zeitraum aktiv beobachtet und analysiert werden, anstatt sie zu bitten, sich an Phasen aus der Vergangenheit zu erinnern und diese zu dokumentieren.

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