Mundgesundheit Rauchen hinterlässt unwiderrufliche Veränderungen im Zahnzement

Junge Frau bläst mit halb geöffnetem Mund Rauch in Richtung Kamera
Unter Jüngeren gilt Rauchen zum Teil wieder als cool. Dass neben anderen Gefahren auch Zahnschäden drohen, ist kaum bekannt
© Tatiana Maksimova / Getty Images
Der Zigarettenkonsum steigt. Was er mit den Zähnen macht, zeigt eine neue Studie: Veränderungen im Zahnzement verraten noch nach Jahrzehnten, wer mal Raucher war

Obwohl die Gesundheitsrisiken bekannt sind und Rauchverbote das Qualmen eigentlich eindämmen sollten, scheint der Zigarettenkonsum seit 2024 wieder zuzunehmen. Das berichtet das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Steuerdaten. Aktuell raucht mehr als jeder Vierte. Ein Viertel der Starkrauchenden wiederum leidet an COPD, einer lebensbedrohlichen Lungenerkrankung, teilt die KKH Kaufmännische Krankenkasse nach einer Auswertung von Versichertendaten mit – Tendenz steigend.

Angesichts gravierender Risiken wie COPD oder Krebs gerät leicht aus dem Blick, was das Laster an der Eintrittspforte unseres Körpers anrichtet: an den Zähnen. Auch die verändern sich durch das Rauchen; und zwar dauerhaft, wie eine neue Studie im Fachmagazin "Plos One" erstmals aufzeigt.

Zeig mir deine Zähne, und ich sage dir, ob du je geraucht hast

Manche Auswirkungen des Rauchens auf die Mundgesundheit sind schon länger bekannt: Inhaltsstoffe des Qualms wie Nikotin und Ammoniak setzen sich als gelber Belag auf den Zähnen fest. Es bildet sich schneller Plaque, ein Nährboden für Karies und Parodontitis. Das Immunsystem wird geschwächt und die Durchblutung vermindert, dadurch kann es zu Entzündungen, Zahnfleisch- und Knochenrückgang kommen.

Diese Veränderungen sind teils temporär und lassen sich durch gute Hygiene und regelmäßige Zahnreinigung eindämmen. Die Forschenden um Valentina Perrone und Ed Schwalbe von der Northumbria-Universität in Großbritannien spürten in ihrer Studie jedoch noch tiefergehende und unwiderrufliche Veränderungen auf: im Zahnzement.

Zahnzement bildet "Jahresringe" – wie bei Bäumen

Der Zement ist der Teil des Zahns, den wir normalerweise nicht sehen – außer bei stark freiliegenden Zahnhälsen. Er umhüllt die im Zahnfleisch verborgen liegende Zahnwurzel (Grafik). Auch wenn die Zahnentwicklung bei Erwachsenen abgeschlossen ist, wird der Zement zeitlebens nachgebildet.

Und hier wird es interessant: Wie die Jahresringe eines Baumes, so können auch die verschiedenen Schichten des Zements Informationen über ein Individuum preisgeben, etwa das Alter, eine Schwangerschaft oder Krankheit. Oder aber: ob und wann jemand geraucht hat.

Rauchen hinterlässt Störungen im Zahnzement

Die Forschenden stießen zufällig auf diesen Zusammenhang, als sie 88 Zähne genauer analysierten. Teils waren diese bei medizinisch notwendigen Zahnoperationen entfernt und der Wissenschaft gespendet worden; teils stammten sie von lange Verstorbenen. Dabei stellten die Forschenden überrascht fest, dass einige der Zähne deutlich sichtbare Störungen in der Ringstruktur aufwiesen – andere nicht.

Links: archäologischer Zahnfund, rechts: Dünnschnitt durch den Zahnzement mit sichtbaren Veränderungen
Am Beispiel eines Zahns aus archäologischen Funden lassen sich unter dem Mikroskop die verschiedenen Schichten des Zahnzements erkennen. Die Pfeile deuten auf Störungen hin, die durch das Rauchen entstanden sind
© Dr Ed Schwalbe, Northumbria University, CC BY

Als sie der Ursache der Störungen nachgingen, fanden sie heraus, dass die veränderten Zähne zu 97 Prozent Raucherinnen und Rauchern gehört hatten. Umgekehrt waren die Veränderungen bei 33 bis 70 Prozent der (Ex-)Raucher nachweisbar – vermutlich abhängig davon, wie lange und intensiv sie zuvor geraucht hatten. 

Die Substanz wächst nach, wenn wir mit dem Rauchen aufhören

"Zahlreiche Studien haben den Zusammenhang zwischen Rauchen, Parodontitis und Zahnverlust aufgezeigt. Diese Studie liefert zum ersten Mal den biologischen Nachweis von rauchbedingten Mundgesundheitsschäden innerhalb der Zahnstruktur", sagt Co-Autorin Valentina Perrone.

Auch wenn Schäden am Zahnzement für Rauchende eine beunruhigende Nachricht sind und wahrscheinlich im Zusammenhang mit Paradontitis stehen, gibt es dennoch einen positiven Befund: Hörten die Probanden mit dem Rauchen auf, kompensierte der Zahn die unvollständig ausgebildete Zementschicht, indem sich eine dickere Schicht darüberlegte.

Die Methode ist noch nicht perfekt, aber vielversprechend

"Unsere Forschung zeigt, dass es möglich ist, allein durch die Untersuchung der Zähne festzustellen, ob jemand geraucht hat", sagt Co-Autor Ed Schwalbe in einer Pressemitteilung. Bei einem 58-jährigen Probanden etwa fanden sich Zementschäden, die das Team dem Lebensabschnitt zwischen 22 und 41 Jahren zuordnete. Seine Krankenakte offenbarte, dass er tatsächlich zwischen 28 und 38 Jahren geraucht hatte.

Die Methode ist zwar noch nicht so ausgereift, dass sie ausnahmslos jeden Raucher zielsicher erkennt, aber die Forschenden sind zuversichtlich, dass sie sich als nützlich erweisen könnte. Etwa in der Forensik zur Identifizierung von Verbrechensopfern. Oder zu archäologischen Zwecken.

Zähne offenbaren einen Blick in die Vergangenheit

Um das zu testen, untersuchten sie 18 Zähne aus den Jahren 1776 bis 1890. Einige der archäologischen Überbleibsel verrieten schon auf den ersten Blick, dass ihre Besitzer geraucht hatten. In zahnmedizinisch prähistorischer Zeit blieben sämtliche Tabakablagerungen an Ort und Stelle: auf den Zähnen. Noch verräterischer war die kugelrunde Lücke, die in manchem Gebiss klaffte – sie stammt von einer Pfeife, die durch jahrelangen Gebrauch die Zähne rundum weggeschliffen hat.

Die Analyse der Zähne dieser offensichtlichen Raucher förderte teilweise die gleichen Veränderungen im Zement zutage wie bei den noch lebenden Probanden. Zwar gab es größere Variationen, vermutlich abhängig von der Qualität des damals konsumierten Tabaks und anderen rauchähnlichen Einflüssen wie extremer Luftverschmutzung. 

Schwalbe ist dennoch zuversichtlich, dass die Erkenntnis dazu dienen könnte, historische Zusammenhänge besser zu verstehen. War Tabakkonsum doch schon immer auch Ausdruck eines bestimmten Lebenswandels und einer Schichtzugehörigkeit. "Dies könnte uns helfen, mehr über die Lebensweise der Menschen in der Vergangenheit zu erfahren, insbesondere bei archäologischen Studien, bei denen die Muster des Tabakkonsums wichtige kulturelle Erkenntnisse liefern können", sagt Schwalbe.