Mundgesundheit Nie mehr Karies? Reparierendes Gel lässt Zahnschmelz nachwachsen

Mikroskopaufnahme eines Backenzahns
Gut zu erkennen in 14-facher Vergrößerung: der Zahnschmelz, der diesen Backenzahn umhüllt. Einmal zerstört, ist er unwiederbringlich verloren – so war es zumindest bisher
© EYE OF SCIENCE / Image Professionals
Säure, Karies, schmirgelnde Zahnpasta fressen sich unweigerlich in Zähne hinein. Forschende haben nun ein Gel entwickelt, das den Zahnschmelz wiederherstellt. Ist das die Rettung?

"Abrasion", "Erosion", "Abrieb" – Zahnmediziner haben viele Wörter für jenen Prozess, der dafür sorgt, dass die schützende Schicht unserer Zähne, der Zahnschmelz, immer dünner wird. Bakterien beschleunigen den Schwund. Sie nagen sich in kurzer Zeit durch den Zahnschmelz, immerhin das härteste Gewebe in unserem Körper. Erreichen sie das Zahnmark, legen sie die dortigen Nerven blank. Die Folge: Schmerzen, Karies, Zahnarztbohrer.

Das möchte natürlich niemand. Doch wie lässt sich der Verlust des Schmelzes aufhalten und Karies verhindern? Ein internationales Forschungsteam könnte nun buchstäblich mit Geduld und Spucke eine Lösung gefunden haben, wie es im Fachmagazin "Nature Communications" berichtet.

Unter dem Mikroskop bildet sich eine neue Zahnschicht

Alvaro Mata von der Universität Nottingham und sein Team haben ein Protein entwickelt, das so ähnlich funktioniert wie menschliches "Amelogenin". Amelogenin hilft bei Säuglingen, das Wachstum des Zahnschmelzes zu steuern. Ist diese Entwicklung einmal abgeschlossen, bildet sich normalerweise kein neuer Zahnschmelz mehr.

In ihren Experimenten haben die Forschenden das Protein als Gel auf extrahierte Zähne aufgetragen. Die Zähne legten sie in eine Lösung aus Kalzium und Phosphat – die Hauptbestandteile von Zahnschmelz (genau gesagt besteht Zahnschmelz aus einer Kalzium-Phosphat-Verbindung namens Hydroxylapatit). 

Vergleich zweier Mikroskopaufnahmen vor und nach dem der Anwendung mit sichtlich gewachsenem Zahnschmelz
Vergleich vorher (links) und nachher (rechts): Unter dem Mikroskop ist deutlich sichtbar, dass die Gelbehandlung den brüchigen Zahnschmelz erneuert hat
© Alvaro Mata et al./University of Nottingham/CC BY 4.0

Und tatsächlich: Unter dem Mikroskop bildete sich eine schmelzartige dünne Schicht auf den Zähnen, die wochenlangem Zähneputzen standhielt.

Das Prinzip funktioniert auch mit normaler Spucke

Die Forschenden erklären, dass das Gel zunächst Löcher und Risse im Schmelz stopfe und ein Gerüst forme. Daran lagern sich Kalzium und Phosphat an, die Kristalle bilden und den Schmelz wieder auffüllen. Das habe sogar funktioniert, wenn die gelbe Dentinschicht unter dem Schmelz schon freigelegt war. Und es klappte auch, wenn sie statt der Kalzium-Phosphat-Lösung menschliche Spucke verwendeten, die von Natur aus Kalzium und Phosphat enthält.

Aber ist das, was da nachgewachsen ist, auch wirklich Zahnschmelz? Die Forschenden meinen: ja. "Das Gel war in der Lage, Kristalle epitaktisch wachsen zu lassen – das bedeutet, sie sind in derselben kristallografischen Ausrichtung wie der bestehende Zahnschmelz", erklärt Mata gegenüber dem "New Scientist". Bis zu zehn Mikrometer soll die Schicht in einer Woche angewachsen sein.

Experimente an Menschen sind bereits geplant

Heißt aber auch: Es braucht Geduld. Das Gel muss lange genug einwirken können. Um zu überprüfen, ob das Ganze auch im Mund funktioniert, planen die Forschenden Anfang nächsten Jahres Experimente an Probanden. Mata ist sogar so optimistisch, dass er eine Firma namens "Mintech-Bio" gegründet hat, die das neue Produkt – so die Pläne – bis Ende 2026 auf den Markt bringen soll.

Immerhin klingt der Ansatz vielversprechender als frühere Experimente. 2019 hatten Forschende aus China Ähnliches versucht, aber kein einheitliches Ergebnis erzielt. Erst im August dieses Jahres berichteten Forschende des King’s College London von einer Lösung auf Keratin-Basis. Keratin ist ein Protein, das in Haaren und Fingernägeln vorkommt. Auf die Zähne aufgetragen, heften sich offenbar Mineralien aus dem Speichel daran, die auskristallisieren und eine schmelzartige Schutzschicht bilden sollen. Die Forschenden rechnen mit einer Marktreife in zwei bis drei Jahren.

Ob es einer der Ansätze tatsächlich in die Praxis schafft, wird sich zeigen. Wenn es klappt, könnte das die Zahnmedizin entscheidend voranbringen. Regelmäßig angewendet, etwa als Zahnpasta, bliebe der Zahnarztbohrer dann womöglich immer häufiger in der Schublade. 

Fluorid härtet den Zahnschmelz schon heute

Bis es so weit ist, müssen wir uns anders behelfen. Völlig schutzlos ausgeliefert sind wir dem Zahnschmelzschwund nämlich nicht. Auch wenn sich Verlorenes nicht wiederherstellen lässt, kann der Schmelz zumindest stabilisiert werden – mit Fluorid. 

Fluorid ersetzt "Hydroxidionen" im Zahnschmelz. Aus dem Hydroxylapatit des Zahnschmelzes wird dann Fluorapatit. Das ist weniger löslich, härter und hält Säuren besser Stand. Außerdem scheint Fluorid zahnmedizinischen Quellen zufolge die Remineralisierung des Zahnschmelzes, etwa mit Kalzium, zu fördern. Das ist gemeint, wenn Zahnärztinnen davon sprechen, dass Fluorid den Zahnschmelz "härtet" und vor Karies schützt. Und es hat sich seit Jahrzehnten bewährt.