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Zähne Faszinierende Ansichten: Mikrofotografie zeigt unser Gebiss aus nie gekannter Perspektive

Die Evolution hat uns Zähne verpasst, was uns mehr Grips, aber auch das Zahnweh bescherte. Bis der Mensch lückenlos lächeln konnte, musste er sich durchbeißen. Ein Blick ins Innere der festen Materie
An diesem Schutz ist schwer vorbeizukommen: Unter dem Mikroskop, 600-fach vergrößert, gleicht die Zahnoberfläche frisch gegossenem Beton
An diesem Schutz ist schwer vorbeizukommen: Unter dem Mikroskop, 600-fach vergrößert, gleicht die Zahnoberfläche frisch gegossenem Beton
© Nicole Ottawa und Oliver Meckes

Alles wird immer schlechter? Unsere Zähne nicht! Die Gebisse der Kinder in Deutschland: zu 80 Prozent kariesfrei; selbst im internationalen Vergleich stehen sie damit blendend da. Fast alle 40-Jährigen unter uns kauen noch auf meist 28 eigenen Zähnen, 8,6 davon gefüllt, so die jüngste "Deutsche Mundgesundheitsstudie". Auch Hochbetagte können heute originale Zähne zeigen, guter Pflege und Flickerei sei Dank. Also: weiterputzen, am besten zweimal täglich "fegend". Das erspart nicht nur quälende Behandlungen beim Zahnarzt, sondern möglicherweise auch Termine in der Herz- oder Hirnchirurgie; aber dazu später mehr.

Zunächst zurück, nicht weit. Denn kaum 200 Jahre ist es her, da gingen die meisten mit leeren Mundhöhlen ins Grab; auch weil man, vor allem nach Schlachten, Verstorbenen verbliebene Zähne zog und sie Dritten als Dritte verkaufte. Schon junge Menschen hatten einen mangelhaften, miefenden Zahnstatus, Bettler wie Königinnen. Bei Hofe waren Fächer en vogue, um sich frische Luft zu- und den fauligen Atem wegzuwedeln.

Auf einem embryonalen Zahn (weiß) zeigen sich Ameloblasten (rot). Sie sind Säulen, in Form und Funktion, denn diese Zellen bauen den Zahnschmelz auf. Allerdings nur zweimal im Leben: bei den Milch- und den bleibenden Zähnen. Die Zellen verkürzen sich, je größer der Zahn wird, und verschwinden, bevor er durchs Zahnfleisch bricht. Der Schmelz verändert sich dann zeitlebens nicht mehr wesentlich. Und kitten kann ihn nur der Arzt
Auf einem embryonalen Zahn (weiß) zeigen sich Ameloblasten (rot). Sie sind Säulen, in Form und Funktion, denn diese Zellen bauen den Zahnschmelz auf. Allerdings nur zweimal im Leben: bei den Milch- und den bleibenden Zähnen. Die Zellen verkürzen sich, je größer der Zahn wird, und verschwinden, bevor er durchs Zahnfleisch bricht. Der Schmelz verändert sich dann zeitlebens nicht mehr wesentlich. Und kitten kann ihn nur der Arzt
© Nicole Ottawa und Oliver Meckes

Ja, wer sich mit Zähnen beschäftigt, kann den Eindruck gewinnen, sie hätten uns nur Schmerz und Scham eingebracht. Aber das stimmt nicht. Am Ende haben sie uns sogar schlau gemacht. Schon vor rund 400 Millionen Jahren schwammen erste zahnbewehrte Wesen, Panzerfische der Ordnung Acanthothoraci, in den Meeren, deren Beißer sich im Prinzip bewährten. Doch die Fähigkeit, Nahrung schon im Mund zerkleinern, also kauen, und dabei aufspalten zu können, wurde erst viel später durch pflanzenfressende Säugetiere, zu denen auch die Affen zählen, perfektioniert. Ein Glücksfall für uns. 

Erschienen in GEO 12/2022