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Heuschnupfen-Studie Birkenpollen in der Stadt aggressiver als auf dem Land

Birkenpollen auf der Straße
Immer mehr Menschen sind gegen Birkenpollen allergisch und haben Heuschnupfen
© Imago
Millionen Deutsche sind von Heuschnupfen betroffen – darunter viele Birkenpollen-Allergiker. Nun deutet eine Studie darauf hin, dass Birken in Städten allergenere Pollen bilden als Bäume auf dem Land. Grund sind unsere Autos

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Allergiker und vor allem der Pollenallergiker weltweit deutlich gestiegen. Fast jeder siebte Deutsche leidet irgendwann in seinem Leben an Heuschnupfen. Besonders betroffen könnten Menschen sein, die in Städten mit stärkerer Luftverschmutzung leben, ergibt zumindest eine polnische Studie im Fachblatt "PLOS One". Demnach könnten Pollen von Stadtbäumen allergener sein als in Gebieten mit sauberer Luft. Unabhängige Experten üben Kritik an der Arbeit.

Die Allergiebelastung durch Pollen ist in den vergangene Jahrzehnten deutlich gestiegen: Die Erderwärmung sorgt dafür, dass Pollen früher und über einen längeren Zeitraum fliegen. Hinzu kommen neue Pollen wie die des aus Nordamerika eingeschleppten Beifußblättrigen Traubenkrauts, auch als Ambrosia bekannt.

Wegen Hitze und Trockenheit: Birken produzieren mehr Pollen

Darüber hinaus bedeuten Hitze und Trockenheit Stress für Pflanzen, die in der Folge zum einen deutlich mehr Pollen produzieren, zum anderen aber auch zur Abwehr vermehrt allergieauslösende Eiweiße ausschütten. Bei der Hänge-Birke (Betula pendula), die unter den Bäumen in weiten Teilen Europas die meisten allergenen Pollen produziert, ist das Protein Bet v 1 das Hauptallergen.Unklar ist allerdings, ob Stadtpollen aggressiver sind als Landpollen – eine Frage, der sich nun ein polnisches Forschungsteam angenommen hat.

Die Gruppe um Monika Ziemianin von der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau wollte ermitteln, wie sich unterschiedliche Luftverschmutzung auf den Zustand von Birken und die chemische Zusammensetzung der Pollen auswirkt. Dafür untersuchten die Wissenschaftler jeweils mindestens drei Bäume an sieben Standorten im Südosten Polens, darunter in kleineren Städten und im Stadtgebiet von Krakau sowie in einem Wald als Referenzgebiet.

Mit Blick auf Photosynthese-Effizienz und Pigmentzusammensetzung der Blätter fand das Team kaum Unterschiede zwischen Stadt- und Landbirken. Die Analyse der Pollen mithilfe von Raman-Spektroskopie ergab den Autoren zufolge hingegen messbare Abweichungen in der Faltungsstruktur des Proteins Bet v 1. Zudem verfügten Pollen von Bäumen stärker verschmutzter Orte über eine höhere Bet v 1-Konzentration. Dies die Allergenität erhöhen, schreibt das Team.

Studie hat Schwächen

Für Jeroen Buters vom Zentrum Allergie & Umwelt (ZAUM) am TUM-Helmholtz Zentrum München enthält die Studie Schwächen: Konkret nennt der Toxikologe eine fragwürdige Sammelmethode mit zu wenig Proben, die zu einem nicht genannten Zeitpunkt entnommen worden seien. Buters beschäftigt sich seit langem mit Pollenallergien und zeigte 2010 in einer Studie, dass die Freisetzung von Bet v 1 aus der gleichen Pollenmenge innerhalb eines Jahres zwischen verschiedenen Tagen um mehr als das Zehnfache schwanken kann.

Während des Reifungsprozesses steige die Menge an Bet v 1 jeden Tag dramatisch an. Daher sei äußerst wichtig, wann die Pollenproben genommen wurden, so Buters: "Drei Bäume pro Ort als Probe zu nehmen, reicht nicht aus. Wir haben an über 30 Bäumen gesammelt und es war trotz der größeren Probenanzahl immer noch schwierig."

Ein weiteres Problem nennt Stefanie Gilles, Leiterin des Fachbereichs Umwelt-Immunologie der Universität Augsburg: So seien an den ausgewählten Standorten keine direkten Messungen der Schadstoffe durchgeführt worden. Stattdessen stammten die Werte von Stationen, die in zwei Fällen mehr als drei Kilometer entfernt vom Baum standen: "Ich gehe daher davon aus, dass die Ergebnisse, die berichtet werden – und die keinen genauen Zusammenhang zum Grad der Schadstoffbelastung aufweisen –, möglicherweise viel deutlicher hätten ausfallen können, wenn die Schadstoffe direkt am Baum gemessen worden oder wenn Daten aus einem hochauflösenden Modell verwendet worden wären – das ist allerdings Spekulation!"

Allergenität von Birkenpollen durch Verkehrsemissionen verstärkt

Darüber hinaus sei die Schlussfolgerung, dass die Unterschiede an den Pollen tatsächlich zu einer verstärkten Immunreaktion bei Allergikern führten, nicht zulässig. Es seien keinerlei entsprechende Tests an Patienten mit den Pollenproben durchgeführt worden, so Gilles. Hier wären Versuche im Labor, an Mäusen oder an Birkenpollen-Allergikern unerlässlich, um eine solche Schlussfolgerung zu stützen.

Nichtsdestotrotz sei der Befund, dass die Allergenität von Birkenpollen durch Verkehrsemissionen verstärkt werden könnte, durchaus ernst zu nehmen angesichts der Tatsache, dass Birken immer noch sehr häufig in Städten vorkämen: "Bei der Planung neuer Grünflächen könnte in Zukunft darauf geachtet werden, keine stark allergenen Pflanzen wie Hasel, Erle oder Birken an Stellen zu pflanzen, in der die Belastung mit Luftschadstoffen hoch ist", sagt Gilles. Speziell in Wohngebieten mit hoher Luftverschmutzung in der Nähe von stark befahrenen Straßen könnte dies in Zukunft berücksichtigt werden.

Alice Lanzke, dpa

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