Da ist der vermögende, kinderlose 88-Jährige, dessen Nichten und Neffen sich liebevoll um ihn kümmern. Sie nehmen ihm Alltagserledigungen ab und treffen ihn regelmäßig zum Sonntagskaffee. Doch als sich der Rentner ein teures Sportauto kauft und die Verwandten ihn daraufhin fragen, ob das in seinem Alter nicht übertrieben sei, ist er so erbost, dass er seinen Reichtum einer gemeinnützigen Organisation hinterlässt.
Da ist das jung vermählte Paar, das am dritten Tag der Hochzeitsreise einen Radiobeitrag hört über eine Künstlerin, die zehn Jahre lang am Bild eines Penis gemalt hat. Den würde sie ja gern einmal sehen, scherzt die Frau. Ihr Gatte versteht die Bemerkung als Anspielung, dass sein eigener Körper wenig bewundernswert sei. Es gibt Streit und Tränen. Das Paar bricht die Flitterwochen ab.
Da ist der erfolgreiche 44-jährige Tischler, der sich einen Betrieb mit 30 Mitarbeitern aufgebaut hat. Als seine Frau andeutet, sein Handwerksstil sei altmodisch, gar "kitschig", rastet er aus. Er holt eine Motorsäge und zerlegt zu Hause alle Möbel in Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer.
Und da ist der 22-jährige Sohn eines Filmregisseurs in Santa Barbara, Kalifornien, der mit einer Pistole zwei Studentinnen erschießt und eine weitere verletzt. Er tötet auch seine drei Mitbewohner und einen zufällig vorbeikommenden Passanten. In einem 137 Seiten langen "Manifest" erklärt der Amokläufer sein Hauptmotiv: Nie habe sich eine Frau in ihn verliebt. Dafür wolle er sich rächen.
Demütigungen vermögen jedes Miteinander zu ruinieren
Was all diese Fälle offenbaren, ist einer der destruktivsten psychischen Mechanismen des menschlichen Charakters: die Macht der Kränkung. Wissenschaftler beobachten immer wieder, auf welch erschreckende Weise Demütigungen jede Form des Miteinanders ruinieren können.